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(GZ-17-2017)
Neues von Sabrina
 
Vom Schreiben, von Tischen und von Schreibtischen

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Hallo, da bin ich wieder. Der Urlaub war toll, jetzt ist es aber auch schön, wieder an den Schreibtisch zurück zu kommen.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hat einen zwar zu kurzen, aber offensichtlich erholungstechnisch erfolgreichen Urlaub hinter sich und begrüßte uns ansteckend fröhlich.

Wieder zurück am Ort seines Wirkens nahm er am Schreibtisch Platz und übernahm wieder die Geschäfte. Schließlich gehört der Schreibtisch zu den prestigeträchtigsten Möbelstücken überhaupt, seit der Mensch sich so hochstehend arbeitsteilig organisiert hat, dass mit Hilfe von schriftlich niedergelegten Nachrichten verwaltet, regiert oder organisiert wird.

Die ersten Schreibtische mögen die Bretter gewesen sein, die altägyptische Schreiber auf ihren Knien ruhen ließen, um den Papyri einen festen Untergrund zu geben, auf denen die Anweisungen des Pharao festgehalten wurden. Seither war die Karriere der Schreibunterlage nicht aufzuhalten. In einigen Kulturkreisen saß man davor auf Stühlen, andere bevorzugten niedrige Tische, vor denen man auf dem Boden hocken oder knien konnte. Ein genialer Kopf zog aus dem schmerzenden Rücken der über ihre Manuskripte gebeugten Schreiber den noch heute unschlagbaren Schluss, ein Stehpult zu konstruieren und die unnatürliche Sitzhaltung gegen das schonendere Stehen einzutauschen.

So oder so wurde der Schreibtisch im Laufe der Jahrhunderte neben einem nützlichen Arbeitsmittel ein Repräsentativgegenstand, der auch Macht und Einfluss ausstrahlen sollte. Dieser Siegeszug wurde angetreten, als Schreiben nicht mehr nur eine Dienstleistung gebildeter Zuarbeiter war, sondern die Herrscher selber lesen und schreiben konnten. Ein Herrscher, ob Kaiser, König, Herzog oder Bischof, musste nicht nur auf einem Pferd oder im Festsaal eine imposante Figur machen, sondern auch in seinem Kabinett am Schreibtisch. Fortan wurden die Schreibtische größer, aufwändiger geschmückt und vor allem mit allerlei Zierrat beladen, von der Uhr über Federhalter, Federschalen bis hin zu feins-ten Intarsien. Kurz: Der Schreibtisch wurde zum Spiegelbild seines Benutzers.

Der Schreibtisch wurde aber auch demokratisiert. In der Gründerzeit war keine bürgerliche Wohnung denkbar ohne einen Sekretär mit aufklappbarer Schreibunterlage, an dem der Hausherr seine Korrespondenz erledigte. Über Generationen war es fester Teil des Traums vom sozialen Aufstieg, aus der Fabrikhalle oder Werkstatt heraus zu kommen und an einem Schreibtisch zu landen. Einzelbüro und man hatte es endgültig geschafft. Dann kam aber die digitale Wende und für einen kurzen Augenblick schien es, als wäre der Schreibtisch ein Auslaufmodell. Der digitale Arbeitnehmer braucht nur einen Laptop oder ein Tablet, arbeitet von wo aus auch immer und sucht sich, wenn er in der Firma ist, irgendein freies Eck mit Steckdose.

In mancher Werbung für diese Art des Arbeitens balancieren die Nutzer ihren Flachcomputer so auf den Knien, dass einem unweigerlich die Schreiberfigur des Henka aus dem Ägyptischen Museum Berlin einfällt.

Aber, oh Wunder, die digitale Welt entdeckt den Schreibtisch wieder! Sozialwissenschaftler, die auf der Suche nach den aktuellen Trends die sozialen Netzwerke durchforsten, berichten von einer erstaunlichen Zunahme von Posts des eigenen Schreibtischs. Dies wird gedeutet als Sehnsucht der digitalen Nomaden nach einem Ort, der beständig zu ihrer Verfügung steht, auf den man nicht nur das Tablet, sondern auch die Füße auflegen kann. Die Schreibtische, die als Sehnsuchtsbild herhalten, sind teils sehr klein, oft recht schmucklos, aber erkennbar individualisiert. Die Ikone dieser Bewegung hin zur Renaissance des Schreibtischs ist der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich auf seinem ersten offiziellen Bild vor seinem Schreibtisch ablichten ließ, traditional mit Barockuhr, aber auch mit zwei Smartphones, die gut zu erkennen sind. Alte und neue Welt versöhnt.

Mein Chef, der Bürgermeister, konnte nie etwas mit dem Ruf nach Abschaffung des Schreibtisches anfangen. Allerdings hält er es mit dem amerikanischen Schriftsteller Charles Bukowski: „Wenn man nichts in sich hat, ist es egal, worauf man schreibt“.

Ihre Sabrina

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