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(GZ-12-2017)
Neues von Sabrina
 
Respekt, Helmut Kohl!

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Jeder wusste, irgendwann kommt die Nachricht im Radio oder im News-Push. Und dennoch, als es dann soweit war, waren wir doch alle irgendwie fassungslos.“ Mein Chef, der Bürgermeister, schilderte seine Empfindungen an dem Tag, als die Nachricht vom Tod Helmut Kohls über den Äther lief.

In der Tat war jedem im Hinblick auf sein hohes Alter und seinen bekannt angegriffenen Gesundheitszustand klar, dass der Altkanzler keine lange Lebensspanne mehr vor sich hatte. Und doch hielten die Menschen in Deutschland spürbar inne, wie ich es kaum einmal empfunden habe, wenn die Nachricht vom Tode eines großen oder bekannten Menschen öffentlich wird. Als wäre allen klar, dass hier nicht nur ein Sterblicher, sondern ein Teil unserer Geschichte von uns geht. Die Art und Weise wie politische Gegner und Parteigänger über ihn sprachen, verstärkt den Eindruck des Besonderen. Ehrliche Worte der Hochachtung von den einen, kein Versuch der parteipolitischen Vereinnahmung von den anderen. Bemerkenswert in einem Wahljahr. Helmut Kohl war dem parteipolitischen Streit schon entrückt, wie auch der Satire. Das Titelbild der „taz“ zur Todesnachricht, ein Meer von Trauerkränzen, garniert und der zum Markenzeichen gewordenen Birne und der Unterschrift „blühende Landschaften“ hätte zu den politisch aktiven Zeiten von Helmut Kohl sicherlich das Zeug zu einer Satire-Ikone mit hohem Kultfaktor gehabt. Im Juni 2017 wirkte es nur peinlich.

Da stellt sich unweigerlich die Frage ein: Was macht einen Menschen eigentlich groß? Die Tatsache, dass er 16 Jahre der Kanzler und damit die bestimmende politische Figur des Landes war, spielt sicherlich eine Rolle, aber doch nicht die entscheidende. Es stimmt, ganze Generationen, auch meine, sind faktisch in seiner Regierungszeit politisch sozialisiert und geprägt worden. Aber ein so langer Zeitraum kann auch ermüden. Das hat nicht zuletzt seine Abwahl 1998 gezeigt.

Dann die unbestreitbaren historischen Leis-tungen, sei es die Verwirklichung der Einheit Deutschlands oder das Vorantreiben des Baus des Hauses Europa. Beides prägt unser Leben und unsere Welt noch heute. Ja, die Einheit, der Euro, die offenen Grenzen in Europa, der Binnenmarkt, die Öffnung der EU und der NATO nach Osten, das alles sind historische Entwicklungen, die bleibend sind und die jede für sich ein Denkmal, eine Straßenbenennung oder eine Briefmarke zu Ehren und Angedenken rechtfertigen würden. Aber diese Leistungen sind abstrakt, fast schon entrückt und für die Jüngeren unter uns eigentlich nur die Beschreibung eines selbstverständlichen Zustands.

Ich denke, die Größe des Politikers Helmut Kohl und der Respekt für ihn, der jetzt deutlich über alle Grenzen der politischen Überzeugungen spürbar wird, liegt in der Art und Weise begründet, wie er Politik gemacht hat. Da war sein Wertegerüst, seine Überzeugung, dass die Geschichte dem westlich-demokratischen Gesellschaftsentwurf Recht geben würde und sein Mut, Entscheidungen zu treffen, wenn sie getroffen werden müssen. Man sprach vom Instinktpolitiker Helmut Kohl, der das schmale Zeitfenster, das die Geschichte für die Deutsche Einheit öffnete, praktisch aus dem Bauch heraus erkannte und nutzte, obwohl ökonomische und geopolitische Analysen eine längere Übergangs- und Anpassungszeit empfohlen hatten.

Heute wissen wir, die Zeit für solche Übergangsphasen war nicht da. Ich bin der festen Überzeugung, vielleicht erspürte er die sich ändernde Weltlage, aber entscheidend für sein beherztes Handeln war seine feste Überzeugung, dass Deutschland einig werden muss, koste dies auch einen hohen ökonomischen Preis. Diese Fähigkeit, das Richtige zu tun, weil man von einer Sache überzeugt ist, macht die Größe eines Politikers aus und sichert den Respekt der Nachwelt.

Mein Chef, der Bürgermeister, hält Worte des französischen Publizisten Alfred Grosser aus dem Jahr 1999 für den besten Nachruf auf die Leistungen Helmut Kohls: „Die Deutschen sollten aus vollem Hals singen: Einigkeit und Recht und Freiheit. Alles andere ist eine Trauer, die sich nicht ziemt angesichts einer Zukunft, die viel gewisser ist als die der meisten Länder der Welt.“

Ihre Sabrina

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