GZ: Herr Dr. Gros, Sie kritisieren, dass der Staat immer stärker in den Immobilienmarkt eingreift und damit den Eigenheimerwerb erschwert. Woran machen Sie das fest?
Jürgen Gros: An einem bürokratischen Wortungetüm: dem „Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Darlehensvergabe zum Bau oder zum Erwerb von Wohnimmobilien zur Stärkung der Finanzstabilität“. Es soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Die Bundesregierung will damit der Finanzaufsichtsbehörde Bafin erhebliche Eingriffsrechte in den Markt für Immobilienkredite zugestehen, wenn der Verdacht auf eine Überhitzung besteht.
GZ: Um welche Eingriffsmöglichkeiten handelt es sich hierbei?
Gros: Es ist zum Beispiel vorgesehen, dass der Kredit im Verhältnis zum Wert der Sicherheit eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten darf. Für die Relation von Gesamtverschuldung und Einkommenshöhe sowie von Schuldendienst und Einkommen sind ebenfalls Maximalwerte geplant. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Staat den Bürgern vorschreibt, in welcher Höhe sie sich verschulden dürfen – ein bemerkenswerter Eingriff in das Marktgeschehen. Ich frage mich, wie ernst es uns mit den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft eigentlich noch ist.
GZ: Aber es ist doch grundsätzlich sinnvoll, ein Heißlaufen des Immobilienmarkts zu verhindern …
Gros: Natürlich ist es sinnvoll, die Risiken im Blick zu behalten. Aber dazu müssen nicht gleich die Freiheitsrechte des Einzelnen beschnitten werden. Zumal in Deutschland die konservative Finanzierungskultur der Banken eine hohe Stabilität gewährleistet. Kreditberater prüfen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer Kunden akribisch. Das führt im Ergebnis zu sehr niedrigen Ausfallraten bei privaten Immobilienkrediten. Bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken lag sie im Jahr 2015 bei nicht einmal 0,4 Prozent.
GZ: Was wäre die Folge, wenn das Gesetz in dieser Form in Kraft treten sollte?
Gros: Der Traum vom Eigenheim würde für viele platzen. Schließlich kann nicht jeder Bauherr oder Immobilienkäufer zusätzliches Eigenkapital aus dem Ärmel schütteln. Doch genau das würde die Einführung der Kennzahlen mit sich bringen.
Hinzu kommt, dass die praxisferne Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Deutschland die Aufnahme von Immobiliendarlehen schon jetzt erschwert. Das verbaut vielen Bürgern die Chance, mit einem Eigenheim fürs Alter vorzusorgen. Das ist widersinnig, weil die Politik die deutsche Wohneigentumsquote doch eigentlich zu Recht erhöhen will. Schließlich sind wir mit gerade einmal rund 52 Prozent Schlusslicht in Europa.
GZ: Sehen Sie nicht die Gefahr einer Immobilienblase? Speziell in München steigen die Preise doch sehr erheblich…
Gros: Da haben Sie recht, die Preise sind in einigen Regionen gestiegen. Aber das ist noch lange kein Zeichen für eine Überhitzung des gesamten Markts. Denn trotz der Dynamik in den Ballungsräumen ist die Preisentwicklung bundesweit moderat: Zwischen 2008 und 2015 lag das durchschnittliche Wachstum des Hauspreisindexes bei gerade einmal 2,6 Prozent pro Jahr. Außerdem ist die Verschuldung privater Haushalte rückläufig und es gibt keine Anzeichen von einem Verfall der Kreditvergabestandards, wie die Bundesbank zuletzt bestätigt hat.
GZ: Sind die vom Gesetzgeber vorgesehenen Instrumente demnach überflüssig?
Gros: Der deutsche Immobilienmarkt ist stabil. Deshalb schießt der Gesetzentwurf deutlich über das Ziel hinaus. Denn er beschränkt und bürokratisiert die Kreditvergabe. Ich meine, man sollte den Gesetzesvorschlag daher grundsätzlich hinterfragen. Zuversichtlich stimmt mich, dass das mittlerweile auch zahlreiche Abgeordnete im Bundestag so sehen.
GZ: Herr Dr. Gros, vielen Dank für das Gespräch.
|