Interviews & Gesprächezurück

(GZ-11-2020)
 

► GZ-Interview mit Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern:

 

Sparkassen – verlässliche Partner auch in Corona-Zeiten

GZ: Dr. Netzer, wie stark hat die schnelle Ausbreitung der Corona-Pandemie die Arbeit der Sparkassen verändert, wurden sie überrascht?

Netzer: Es ging uns wie so vielen anderen – obwohl wir doch gesehen hatten, was auf uns zukommt, hatten wir dann das Gefühl, dass alles ganz plötzlich ging. Aber dank gut vorbereiteter Notfallpläne konnten wir unseren Betrieb quasi von heute auf morgen weitgehend umstellen: weniger Geschäftsstellenbetrieb, dafür enorm viel mehr Onlineaktivitäten unserer Kunden und Berater. Vor allem für die schnellen Liquiditätshilfen für Kunden, die oft schon rasch wirtschaftlich unter Druck kamen.

Die Sparkassen laufen seitdem auf Hochtouren, unsere Mitarbeiter leisten noch immer enormen Einsatz, um unsere Kunden gerade in dieser Krisenzeit zu begleiten. Wir haben fast überall Kapazitäten aufgestockt, Fachleute für Aufgaben aus anderen Bereichen in Webinaren geschult. Das haben viele Sparkassen vor allem im Kreditbereich so gehandhabt: Denn ein großer Schwerpunkt liegt auf der Bearbeitung von Förderkrediten für unsere Firmenkunden.

GZ: Wie viele Förderkredite im Zusammenhang mit dem Corona-Hilfsprogramm konnten Sie denn bislang auf den Weg bringen?

Netzer: Mittlerweile sind es fast 3.700 Förderkredite mit einem Volumen von über 950 Mio. Euro, die allein die bayerischen Sparkassen auf den Weg gebracht haben. Für sehr viele
Kunden sind diese Förderkredite aber gar nicht die beste Lösung. Oft ist ein direkter Kredit bei der Sparkasse vorteilhafter in den Finanzierungsmix einzubauen. Auch hier gilt: Jeder vertretbare Kredit wird auch vergeben. Im März und April haben wir 3,8 Mrd. Euro neue Kredite an Unternehmen und Selbständige zugesagt, das sind 26 Prozent mehr als im März/
April 2019.

GZ: Hätten das nicht mehr sein können? Die langsamen Fortschritte bei der Kreditvergabe wurden ja öfter bemängelt.

Netzer: Es ist klar, dass wir Sparkassen als Hausbanken eine besondere Verantwortung bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für unsere Kunden in den bayerischen Regionen tragen. Dieser Verantwortung kommen wir so schnell und so umfänglich wie möglich nach. Es ist in unserem ureigensten Interesse, dass unsere Kunden auch nach der Krise noch unsere Kunden sind, also erstens am Markt und zweitens erfolgreich. Wir tun alles, um gemeinsam gut durch diese Krise zu kommen, das Motto bei uns heißt #gemeinsamdadurch.

Gleichzeitig müssen wir allerdings auch achtsam sein – das ist wie bei einem Rettungsschwimmer: Er will helfen, muss aber beim Retten auch auf sich selber achten. Es gab zu Beginn viele Unklarheiten über die genaue Ausgestaltung der Förderkredite. Und natürlich mussten wir korrekte Kreditprüfungen durchführen – das verlangen die Förderbanken genauso wie die Aufsicht von uns.

GZ: Was heißt das genau?

Netzer: Die staatlichen Förderbanken haben zu Beginn der Krise sehr schnell zusätzliche Fördermittel bereitgestellt. Die Bedingungen für die Vergabe waren aber noch nicht immer klar. Gleichzeitig sollten die Hausbanken aber schon für die Förderbanken die Kreditprüfung durchführen. Dazu gibt es an und für sich klare Vorschriften, die im Verlauf der Wochen erleichtert wurden.

Wenn eine Sparkasse aber nun eine Kreditprüfung ohne Klarheit positiver abgeschlossen hätte als es zum jeweiligen Zeitpunkt erlaubt war, müsste sie damit rechnen, dass sie bei Überprüfung durch die Finanzdienstleistungsaufsicht Schwierigkeiten bekommt. Das gilt ganz unabhängig davon, dass die Hausbanken natürlich auch ein eigenes Interesse daran haben, nur solide Finanzierungen zuzusagen, weil sie ja selbst in aller Regel für einen Teil des Ausfallrisikos haften.

GZ: Die Haftungsfreistellung also war der Knackpunkt?

Netzer: Am Anfang gab es viele Unklarheiten und auch sehr viel Unwissenheit bei den Antragstellern. Viele dachten, dass die Haftungsfreistellung den Antragsteller betrifft, er also nicht mehr voll für den Kredit haften müsse. Aber das war ein wenig förderliches Missverständnis, denn die Haftungsfreistellung bezieht sich auf das Innenverhältnis zwischen Förderbank und Hausbank. Sie ändert nichts an der Tatsache, dass es nicht um einen Zuschuss, sondern um einen Kredit geht, der geprüft und später zurückbezahlt werden muss. Das gilt auch für die Schnell-Kredite mit 100prozentiger Haftungsfreistellung – sollten sie ausfallen muss die Hausbank hier nichts an die Förderbank zurückzahlen. Bei den anderen Konstruktionen bleibt immer ein Teil des Ausfallrisikos bei der Hausbank.

GZ: Welche Hilfen gibt es denn bei den Hausbanken außer Krediten auf die eigene Bilanz oder aus dem Corona-Schutzschirm?

Netzer: Neben der Neukreditvergabe ist erst einmal die Erhöhung von Kontokorrentspielräumen ein sehr häufig genutztes Mittel – manchmal sogar bei einer Reduzierung der dafür anfallenden Zinsen. Die Hauptstütze für die Entlastung unserer Kunden ist aber die vorübergehende Aussetzung von Zins- und Tilgungsleistungen bei bereits bestehenden Krediten: Mittlerweile haben die bayerischen Sparkassen insgesamt bereits über 44.000 Tilgungsaussetzungen vorgenommen, davon 53 % für Firmenkunden.

Die Corona-Krise wird uns alle aber noch länger beschäftigen, so dass noch einige Unternehmen wegen Einnahmeverlusten in finanzielle Engpässe geraten werden. Weil wir vor Ort mit und von unseren Kunden leben ist es für uns selbstverständlich, gemeinsam Lösungen zu finden. Konkret heißt das, dass Sparkassenkunden bei bestehenden Krediten die fälligen Tilgungsleistungen für mehrere Monate aussetzen können.

GZ: Wo gibt es derzeit die größten Hürden bei der Finanzhilfe für die Unternehmen?

Netzer: Schwierig wird es leider immer dann, wenn Unternehmen nicht erst durch die Corona-Krise in Liquiditätsengpässe gekommen sind. Wer aber 2019 ein gesundes Unternehmen mit tragfähigem Geschäftsmodell hatte, der kann auch jetzt mit unkomplizierter Unterstützung rechnen.

GZ: Und wie sehen Sie die Auswirkungen auf die Kommunen?

Netzer: Bislang hat der Fokus der Krisenbewältigung auf Hilfen für die Wirtschaft und private Haushalte gelegen. Der nächste Schritt muss jetzt sein, die kommunalen Haushalte zu sichern. Denn wir sehen, dass die Folgen der Corona-Pandemie natürlich auch die kommunalen Haushalte erheblich betreffen. Zu befürchten ist immerhin ein sehr deutlicher Einbruch der kommunalen Steuereinnahmen – allen voran der konjunkturanfälligen Gewerbesteuer.

Auch die Gebühren, Beiträge und Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit stehen unter Druck. Und das bleibt wohl auch mittelfristig so: Von 2021 an rechnen immer noch 86 Prozent der Kämmerer mit sinkenden Einnahmen. Die Sparkassen haben auch hier vor Ort bereits reagiert und unterstützen die bayerischen Kommunen überall dort, wo es notwendig ist. Soweit ich das sehe, sind die Bayern hier aber ohnehin im Vorteil. Bundesweit ist die Spreizung zwischen stark und wenig betroffenen Kommunen viel größer als im Freistaat.

GZ: Wie sehen denn hier die Unterstützungsleistungen aus?

Netzer: Den meisten Kommunen stehen die größeren Herausforderungen ja noch bevor. Aber schon jetzt fallen bereits laufende Einnahmen weg, z.B. durch Steuerstundungen. Hier helfen die Sparkassen durch die Erhöhung von Kassenkrediten. Aber Liquidität ist sehr oft gar nicht das Problem, sonst hätte es zuvor das Thema Verwahrentgelte gar nicht gegeben. Es werden also erst einmal Bestände abgebaut. Doch die mittelfristigen Ausfälle von Steuereinnahmen setzen Investitionsplanungen unter Druck. Um die Investitionslücke zu schließen, bieten wir, gemeinsam mit der BayernLabo, sehr günstige Investitionskredite an. Es muss also jetzt wie in Zukunft keine Kreditklemme für die bayerischen Kommunen befürchtet werden.

GZ: Wären da Investitionen in eine stärkere Digitalisierung der kommunalen Abläufe nicht sinnvoll?

Netzer: Ja, klar. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, einige Lehren aus dem Shutdown ins normale Leben zu übernehmen. Auch die kommunalen Einrichtungen reduzieren die direkten Kontakte – mit Homeoffice und Videocalls allein ist es aber nicht getan. Das Thema „Online-Rathaus/Landratsamt“, in dem kommunale Dienstleistungen auf einer Webpräsenz abrufbar sind, rutscht derzeit in den Prioritätenlisten der Bürgermeister und Landräte ganz nach oben.

Die Landesregierung stellt dafür spezielle Fördermittel im Programm „Digitales Rathaus“ zur Verfügung. Und die Sparkassen bieten schon seit einiger Zeit ein leistungsfähiges System zur Abwicklung der Bezahlvorgänge an: Mit „Girocheckout“ steht hier der erprobte Baustein für das E-Payment bereit.

GZ: Meinen Sie, dass die Bürger schon bereit für solche Lösungen sind?

Netzer: So wie wir Sparkassen eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Online-Banking-Leistungen feststellen, sehen wir auch, dass sich in der aktuellen Situation viele die Möglichkeit wünschen, andere Erledigungen wie z.B. Behördengänge per Computer oder Smartphone zu erledigen. Hier findet zurzeit ein Umdenken statt. Der Bedarf ist in den letzten Wochen rasch gestiegen.

Die Sparkassen bieten ihren Kunden übrigens jetzt die Möglichkeit, sich in einem stark vereinfachten Prozess auf elektronischem Weg für das Online-Banking freischalten zu lassen, ohne dass sie dafür in eine Filiale kommen müssen. Damit reagieren sie auf das gestiegene Interesse an Online-Banking – auch von Kunden, die ihre Bankgeschäfte bisher lieber in der Filiale durchgeführt haben. Die Bayern sind offener geworden für neue Lösungen und wir begleiten sie dabei verlässlich.

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