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(GZ-7-2017)
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 LEP-Fortschreibung:
 
Lob und Tadel
 

Der Ministerrat hat die beiden Teilfortschreibungen des Landesentwicklungsprogramms beschlossen. „Damit geben wir den Kommunen mehr Freiheit und verbessern den Naturschutz“, erklärte Finanz- und Heimatminister Dr. Markus Söder. Nur mäßig begeistert zeigten sich dagegen Bayerns Gemeinden und Städte. Sie monierten überholte Inhalte und verpasste Chancen, während die Landkreise im Freistaat „die von verschiedenen Seiten geäußerten Sorgen um eine mögliche Zersiedlung der Landschaft“ nicht teilen. Die Handlungsfähigkeit und Planungshoheit der Kommunen werde im Gegenteil nachhaltig gestärkt.

Söder zufolge verleihen die Erweiterung des Raumes mit beson-derem Handlungsbedarf, die Neugestaltung des Zentrale-Orte-Systems und Lockerungen am Anbindegebot der wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raumes neuen Schub und entlas-ten Ballungsräume: Der Mindestabstand von Höchstspannungsleitungen schütze das Wohnumfeld und die Änderung des Alpenplanes ermögliche touristische Entwicklung im Allgäu.

Wie der Minister deutlich machte, „wollen wir kein Bayern der zwei Geschwindigkeiten. Dem steuert die Bayerische Staatsregierung mit der Heimatstrategie entgegen. Wir schaffen Freiräume, um dem ländlichen Raum mehr Entwicklungschancen zu geben. Gerade die Ansiedlung von Arbeitsplätzen auf dem Land ist der Schlüssel zur Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in ganz Bayern.“

Entscheidungsträger vor Ort unterstützen

Daher gelte es, „Entscheidungsträger vor Ort zu unterstützen, denn sie wissen am besten, was für ihre Heimat gut ist. Entscheidungen über Planungen fallen künftig stärker vor Ort. Der ländliche Raum gehört nicht unter eine Käseglocke, sondern ist Lebens- und Zukunftsraum“, hob Söder hervor.

Der Minister betonte auch die Vorteile der LEP-Fortschreibung für die Ballungsräume: „Die Fortentwicklung schafft Beschleunigung im ländlichen Raum und entlastet und entzerrt die Ballungsräume. Wir bringen Wohnen und Arbeiten näher zusammen.“ Konkret verwies Söder auf die Reduktion von Umweltbelastungen durch weniger Verkehr in den Städten infolge eines sinkenden Pendleraufkommens, den reduzierten Ausbaubedarf bei der Infrastruktur und die Entlastung der Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen.

„Wir hatten uns eine grundsätzliche Überarbeitung des LEPs erhofft. Einige Inhalte sind überholt, andere schränken die kommunale Planungshoheit unangemessen ein“, bewertete Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl den beschlossenen Entwurf der LEP-Teilfortschreibung. Seiner Auffassung nach ist das Zentrale-Orte-System vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß. Es sollte grundsätzlich überdacht werden.

Auch dürfe die Einführung der Metropole als neue Kategorie im Landesentwicklungsprogramm nicht dazu führen, dass spezielle finanzielle Zuweisungen an die Metropolen erfolgen. Keinesfalls dürfe es zu Lasten der übrigen Räume gehen. Dem Staatsziel der Gewährleistung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen sei oberste Priorität zuzumessen.

Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf

Die Zuordnung strukturschwacher Gemeinden in Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf ist aus Brandls Sicht grundsätzlich sinnvoll. Allerdings sei bemerkenswert, dass nunmehr fast die Hälfte der bayerischen Gemeinden wirtschaftsstrukturelle oder sozialökonomische Nachteile aufweisen sollen. „Ob damit dem Ziel, wirklich finanziell benachteiligte Gemeinden zu fördern, noch erreicht werden kann, ist zweifelhaft. Dies zeigt sich auch bei der Aufnahme ganzer Landkreise in solche Teilräume. Die Abgrenzung nach Landkreisen ist viel zu undifferenziert. Eine Unterscheidung zwischen strukturschwachen und nicht strukturschwachen Gemeinden innerhalb eines Landkreises ist damit nicht möglich“, urteilte der Gemeindetagschef.

Offene Wünsche der Spitzenverbände

Das sogenannte Anbindegebot sei und bleibe ein Kernstück jeder vernünftigen Bauleitplanung einer Kommune. Laut Brandl werden die Gemeinden und Städte auch in Zukunft verantwortungsvoll und flächenschonend Baugebiete ausweisen. Sie brauchen dazu keine staatlichen Vorgaben, die massiv in die Entscheidungshoheit der Gemeinden eingreifen. Jede Erleichterung in der Bauleitplanung ist zu begrüßen, ein umfangreicher Katalog von Ausnahmen aber nicht der richtige Weg. Die Entscheidung über einen Standort muss vielmehr in der Verantwortung der Gemeinde bleiben und im Rahmen der Abwägung aller berührten privater und öffentlicher Belange getroffen werden.“

Problematisches Zentrale-Orte-System

Der Bayerische Städtetag wiederum erachtet es als bedauerlich, „dass die Staatsregierung sich nicht ernsthaft mit einer Neujustierung der Einstufungskriterien zur Stärkung und Konsolidierung des Zentrale-Orte-Systems auseinandergesetzt hat“.

Bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms im Jahr 2013 wurde das Zentrale-Orte-System von sechs auf drei Stufen reduziert. Vielen vormals nicht Zentralen Orten sei in der Folge eine Zentralität zugeschrieben worden, ohne dass eine Prüfung der Steuerungsfähigkeit des Systems erfolgte. Damit stieg die Zahl Zentraler Orte auf über 920 Städte und Gemeinden.

Wie Maly erläuterte, habe die mit der letzten Teilreform erfolgte Zusammenlegung von Zentralitätsstufen zu einer Inflation Zentraler Orte geführt. „Wenn von 2056 bayerischen Gemeinden jede Zweite das Etikett ‚Zentraler Ort‘ trägt, wird offenkundig, dass die ursprünglich damit verknüpfte Steuerungsfunktion ins Leere geht.“ Damit würden aber diejenigen Zentrale Orte geschwächt, denen tatsächlich eine zentralörtliche Funktion zukommt, wie insbesondere das Vorhalten wichtiger Einrichtungen und die Versorgung des Umlands mit einer Vielzahl von Leistungen. Die Schwächung von Zentralen Orten bedeute aber auch die Schwä-chung ihres Umlandes, so dass der Raum und seine Kommunen insgesamt geschwächt werden.

Pro und Contra Anbindegebot

Auch die Erweiterung des Ausnahmekatalogs des Anbindegebots stößt auf deutliche Kritik des Städtetags. Laut Anbindegebot im LEP sind neue Siedlungsflächen möglichst in Anbindung an Siedlungseinheiten (Wohngebiete, Gewerbegebiete) auszuweisen. Maly: „Die Erweiterung der Ausnahmen vom Anbindegebot auf jegliche Gewerbenutzungen an Autobahnausfahrten entspricht allenfalls Einzelinteressen von wenigen Kommunen, die zufällig an Autobahnen liegen. Jedoch wird der zentrale Ort, der weiter weg von der Autobahnausfahrt gelegen ist, geschwächt. Dies kann eine weitaus größere Zahl umliegender Städte und Gemeinden beeinträchtigen, wenn der Zentrale Ort seine Versorgungs- und Vorhaltefunktion nicht mehr erfüllen kann. Dadurch wird interkommunale Konkurrenz geschärft.“

Zudem sei zu befürchten, dass sich Einzelhandelsnutzungen in diesen Gewerbegebieten nicht rechtssicher ausschließen lassen und in Konkurrenz zum Handel in den Ortskernen treten. „Einzelhandel auf der grünen Wiese gefährdet die Vitalität der Ortszentren. Diese Konkurrenz gefährdet Läden, Bäcker, Metzger oder Handwerksbetriebe im eigenen Ortszentrum oder in benachbarten Ortszentren“, stellte der Städtetagschef fest.

Zwar sei die Definition von Teilräumen mit besonderem Handlungsbedarf grundsätzlich sinnvoll; allerdings mache die Aus-weitung der Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf alleine keine Strukturpolitik. Entscheidend sei, ob die Förderung dieser Teilräume mit Leben erfüllt wird. Hierfür müssten dann auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, „denn je größer die Fläche und die Zahl der Kommunen wird, desto weniger Mittel können jeder einzelnen Kommune zur Verfügung stehen“, betonte Maly und ergänzte: „Die Staatsregierung muss einen besonderen Handlungsbedarf aber auch in wachsenden Regionen anerkennen. Für die Folgen des Wachstumsdrucks, neue Wohnungen zu bauen, Kindergärten, Schulen und Grünflächen zu errichten, muss die Landesplanung Lösungen bereithalten. Wachstum bezieht sich auf Räume und nur selten auf einen einzigen Ort. Dafür müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden.“

Prinzipien der Subsidiarität und Regionalität

Laut Bayerischem Landkreistag „hat das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat die Bedenken der Landkreise im Anhörungsverfahren sehr ernst genommen“. Die Prinzipien der Subsidiarität und Regionalität seien „für die Zukunftsfähigkeit und Handlungsfähigkeit unserer Kom-munen vorrangig“, urteilte Verbandspräsident Landrat Christian Bernreiter (Deggendorf). 

Der Bayerische Landkreistag begrüßt die Aufnahme als Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf, wenn beim Strukturindikator weniger als 90 % des Landesdurchschnitts erreicht wird. Hierdurch hätten mehr Kommunen die Möglichkeit, an die entsprechenden Förderungen der Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf heranzukommen. Es sollte aber auch ein Mehr an Fördermitteln zur Verfügung stehen. Weiterhin gebe es drei zusätzliche Ausnahmetatbestände vom Anbindegebot. Diese stärkten nachdrücklich die Entscheidungs- und Planungshoheit vor Ort.

Zudem erfolgten Planungen und Maßnahmen zum Neubau oder Ersatzneubau von Höchstspannungsfreileitungen energiewirtschaftlich tragfähig und unter besonderer Berücksichtigung der Wohnumfeldqualität der betroffenen Bevölkerung sowie der Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Kommunen (z. B. für Bau-, Gewerbe- und Erholungsgebiete) und der Belange des Orts- und Landschaftsbildes. Dies kommt nach Auffassung des Bayerischen Landkreistags im Besonderen den örtlichen Gegebenheiten vor Ort zu Gute.

DK

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