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(GZ-3-2020)
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► Bedrohungslage von Kommunalpolitikern:

 

Neues Netzwerk für Kommunen und Polizei

 

Der Innenausschuss des Bayerischen Landtags hat sich mit den Konsequenzen aus der Expertenanhörung zur Bedrohungslage von Kommunalpolitikern befasst und sich mit großer Mehrheit für deren besseren Schutz ausgesprochen.

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker werden zunehmend beleidigt oder sogar körperlich angegriffen. Betroffen sind Menschen, die sich oft ehrenamtlich engagieren. Laut einer Umfrage des Magazins „Kommunal“ haben 40 Prozent aller Rathäuser bundesweit mit Stalking und Drohungen zu kämpfen. Mit der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke hat der Hass eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Im Rahmen der Anhörung im vergangenen November hatten sich Betroffene und externe Fachleute unter anderem für eine zentrale Beratungsstelle, die Sensibilisierung von Polizei und Justiz sowie eine Ausweitung der politischen Bildungsarbeit eingesetzt.

Höhere Strafen

Auf Antrag der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wähler forderte der Ausschuss nun die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für höhere Strafen bei Beleidigungen und Bedrohungen stark zu machen und diese explizit auf Straftaten gegen kommunale Mandatsträger auszuweiten. Bislang stehen nur Bundes- und Landespolitiker unter dem besonderen Schutz des Gesetzes. Außerdem sollen die Beratungsangebote für betroffene Kommunalpolitiker ergänzt werden.

Bayern unterstütze auch die Pläne der Bundesregierung, die Schwelle bei der Strafbarkeit von Hass-Botschaften im Internet zu senken, sagte Innenminister Joachim Herrmann im Interview mit der Augsburger Allgemeinen.

„Wenn Kommunalpolitiker Opfer von übler Nachrede oder Verleumdung werden, sollte man das künftig genauso bestrafen wie bei Landespolitikern und Bundestagsabgeordneten.“ Für eine „falsche Idee“ halte er es aber, wenn sich Politiker bewaffnen. „Für den Schutz von Kommunalpolitikern bleibt die Polizei vor Ort zuständig“, betonte Herrmann.

Werbung fürs Ehrenamt

Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP hatten im Bayerischen Landtag weitergehende Forderungen nach einer umfassenden Studie über das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe, einer zentralen Anlaufstelle für Betroffene sowie mehr politischer Bildung und Aufklärungsmaßnahmen gestellt. Die Landtags-Grünen reichten zudem am 14. Januar 2020 einen Maßnahmenkatalog mit sieben Forderungen für einen effektiveren Schutz von Kommunalpolitikern ein.

Darin fordert die Partei unter anderem eine bessere Ausstattung der Polizei und dass Hassdelikte von der Justiz entschlossener als bisher verfolgt werden. Gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit soll eine Informationskampagne zum Wert des kommunalpolitischen Engagements starten und dazu motivieren, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden. Sie soll Anstand und Respekt im Umgang und mehr Anerkennung für die ehrenamtliche kommunalpolitische Betätigung fördern.

Die Koalitionsabgeordneten lehnten zusätzliche Beratungsangebote als nicht erforderlich ab. Zur Begründung erklärte Max Gibis (CSU), eine Dunkelfeldstudie zur Ermittlung der Zahl nicht gestellter Anzeigen in Fällen von Bedrohungen oder Beleidigungen sei nicht mehr als ein „Stochern im Nebel“ ohne weiteren Erkenntnisgewinn. Eine zentrale Anlaufstelle für die Beratung Betroffener sei nicht nötig, weil es bei Polizei und anderen Behörden bereits zahlreiche Stellen gebe, an die man sich wenden könne.

Politische Bildung sei schon heute in den Lehrplänen aller Schulen verankert, da könne man – mit Ausnahme der neuen Oberstufe an den Gymnasien – „nur noch wenig besser machen“. Joachim Hanisch (Freie Wähler) ergänzte, die Anträge der Opposition wiesen in die richtige Richtung, seien im Detail aber nicht zustimmungsfähig.

Unterstützung durch Experten

Hanisch sieht in einem Präventionsgremium zur Kriminalitätsverhütung den richtigen Ansatz. „Notwendigkeit und Umsetzbarkeit werden jetzt geprüft. Grundlage einer künftig engeren Zusammenarbeit ist, dass sich die Kommunen mit der Polizei vernetzen. Außerdem sollen betroffene Kommunalpolitiker mit Expertenwissen fachlich unterstützt werden“, so Hanisch. Andernfalls zerbrösele die Demokratie in ihrem Fundament – den Städten und Gemeinden.

„Jeder von uns hat einst in der Kommunalpolitik seine ersten Schritte getan. Wir dürfen nicht zulassen, dass Politiker im Ehrenamt nach wenigen Jahren entnervt aufgeben oder gar Kandidaten im Vorfeld das Handtuch werfen, weil ihnen Wutbürger und Extremisten in unzumutbarer Weise zusetzen“, befürchtete Hanisch. Daher machten sich die Freien Wähler dafür stark, auch die Kommunalverwaltungen selbst im Umgang mit Gewalt und Hass besser zu beraten.

Problem: Großes Dunkelfeld

Johannes Becher (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Forderungen von Betroffenen in der Landtagsanhörung. Nötig sei vor allem, das große Dunkelfeld aufzuhellen. „Was angezeigt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs“, berichtete Becher aus Gesprächen mit Kommunalpolitikern. Viele Betroffene würden von einer Anzeige absehen, weil sie den Vorfall nicht öffentlich machen wollten oder wenig Aussicht auf Erfolg sähen. Es dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass sich eine Anzeige nicht lohne. „Um das zu ändern, müssen wir Hemmschwellen abbauen“, ergänzt der innenpolitische Sprecher der Freien Wähler, Wolfgang Haubern.

Klaus Adelt (SPD) erklärte, die Bedrohungslage bei Kommunalpolitikern sei inzwischen „erschütternd“. Die Sprache werde rauer, die Hemmschwelle für verbale und tätliche Übergriffe sinke. Deshalb seien die Vorschläge von CSU und Freie Wähler „zu weichgespült“. „Den Betroffenen muss rasch und effektiv geholfen werden“, betonte Adelt.

Die AfD unterstützte die Zielrichtung aller Anträge „mit Nachdruck“, wie ihr Abgeordneter Richard Graupner sagte. Es brauche eine klare Analyse der Bedrohungslage. Wegen der aus ihrer Sicht zu einseitigen Betonung der Gefährdung aus dem Bereich des politisch rechten Spektrums lehnte die AfD jedoch die Anträge von Grünen und SPD ab.

Alexander Muthmann (FDP) bedauerte das Nein der Koalition zu einer umfassenden Studie. „Was an offiziellen Zahlen vorliegt, zeichnet kein korrektes Bild der tatsächlichen Lage“, hob Muthmann hervor. Effektive Hilfsmaßnahmen erforderten eine verlässliche Datenbasis.

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