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(GZ-1/2-2020)
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► Künftigen Strombedarf decken:

 

Mehr Akzeptanz für die Energiewende!

Woher kommt der Strom, wenn die bayerischen Atomkraftwerke vom Netz gehen? Braucht der Freistaat als Ersatz neue Gaskraftwerke? Nach der Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zur Energiepolitik in Bayern erörterte eine Expertenrunde im Energieausschuss diese Fragen. Ihr Appell an die Politik: die Bürger von der Energiewende überzeugen und für mehr Akzeptanz sorgen.

Im Jahr 2022 geht das letzte bayerische Atomkraftwerk vom Netz. Wie der Strombedarf künftig in Bayern gedeckt werden kann, darüber diskutierten Fachleute von Stadtwerken, Verbänden und Netzbetreibern im Bayerischen Landtag. Die Experten gaben zudem Auskunft, ob durch den Ausstieg aus der Kohle sowie der Kernenergie eine Stromlücke entstehen könnte.

Gaskraftwerke als Reserve unverzichtbar

Die Stromversorgung in Bayern soll sowohl sicher, als auch bezahlbar sein. Dabei führe an einem Ausbau der erneuerbaren Energien kein Weg vorbei – so lautete die übereinstimmende Einschätzung der Spezialisten. „Der Ausbau von Fotovoltaik und Windenergie ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll“, sagte Dr. Florian Bieberbach. Der Vorsitzende der Geschäftsführung bei den Münchner Stadtwerken forderte, die Leitungsnetze auszubauen.

Stromverbrauch und -erzeugung sind in Deutschland derzeit unterschiedlich verteilt: Während im Süden mehr verbraucht wird, wird im Norden mehr erzeugt. Leitungen zum Ausgleich dazwischen fehlen jedoch. Um einen drohenden Stromausfall für wenige hundert Stunden im Jahr zu verhindern, seien Gaskraftwerke als Reserve nötig. „Als Alternative zum Netzausbau sind Gaskraftwerke allerdings nicht sinnvoll, das rechnet sich nicht“, so Bieberbach. Lediglich ergänzend, als Reserve-Kraftwerke zur Deckung der Residuallast seien sie eine Option.

Die Residuallast ist eine Art Restbedarf, also die Differenz zwischen der eingespeisten Leistung aus nicht regelbaren Energiequellen wie Wind oder Fotovoltaik und der Leistung, die tatsächlich benötigt wird. Das kommt vor allem bei der „kalten, dunklen Flaute“ zum Tragen, einer Wetterlage mit Nebel – wie sie häufig im Winter auftritt – , die den Gewinn erneuerbarer Energien erschwert.

Zu lange Genehmigungsverfahren

Einigkeit bestand in der Prognose darüber, dass der Strombedarf künftig steigen wird. Besondere Aufmerksamkeit richtete sich auf die Versorgungssicherheit im Winter 2022/23. Nach Angaben der Experten wird die Kapazitätslücke in Bayern ab 2023, nach dem Ausstieg aus Kohle und Atomkraft, zwischen 1.200 und 4.000 Megawatt liegen. Die Fachleute wiesen allerdings daraufhin, dass neue Gaskraftwerke nicht umgehend zur Verfügung stehen. Neben der Dauer des Genehmigungsverfahrens wurde scharfe Kritik laut an der Praxis der Ausschreibungen für neue Anlagen zu Systemstabilisierung, die wirtschaftlich nicht vertretbar seien. „Wir stehen unter Zeitdruck“, erklärte Lothar Schreiber Geschäftsführer von ENGIE Kraftwerk Zolling.

Lösung: Stromimporte

Für stromintensive Unternehmen seien wettbewerbsfähige Strompreise ein wichtiger Faktor. Darauf machte Dr. Erk Thorsten Heyen von Wacker Chemie aufmerksam. Der Senior Vice President des Chemiekonzerns monierte zudem, es gebe zu geringe Windkraftkapazitäten. Heyen appellierte an die Politik, den Blick nicht auf Bayern zu verengen, sondern die Versorgungsfrage überregional zu betrachten und in eine europäische Sichtweise zu integrieren. Schützenhilfe erhielt er von Christof Timpe vom Freiburger Ökoinstitut. „Energiewirtschaftlich ist es sinnvoll, sich vom Gedanken an eine autarke bayerische Stromerzeugung zu verabschieden“, sagte Timpe. Demnach seien vermehrte Stromimporte ein Teil der Lösung.

Versorgung sicher?

Ein Stromnetzausbau sei bis 2023 nicht zu schaffen, so die Einschätzung von Dr. Norbert Azuma-Dicke vom Branchenverband Zukunft Erdgas. Das Freiburger Ökoinstitut sieht dagegen die Versorgung gesichert. Im Auftrag der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte das Institut ein Gutachten erstellt, wonach neue Gaskraftwerke nicht nötig seien, wenn die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ausgebaut und das Stromübertragungsnetz verstärkt werden würde.

„Weichen stellen“

Von einer Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien riet Timpe vom Ökoinstitut wegen hoher Umwandlungsverluste ab. Der Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie lasse sich nach Ansicht der Experten nicht mehr zurückdrehen. Planungen zu Rück- und Abbau seien dazu schon viel zu weit vorangeschritten. Aufgabe der Politik müsse es also sein, die Energiewende der Öffentlichkeit überzeugend zu erklären und für Akzeptanz zu sorgen, so die Experten. Jetzt müssten die Weichen gestellt werden.

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