Kommunalverbändezurück

(GZ-5-2025 - 27. Februar)
gz-kommunalverbaende

► Forderungen des Bayerischen Bezirketags für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags:

 

Mut zur Veränderung – Mut zu Reformen

 

Um auch in Zukunft für möglichst alle unterstützungsbedürftigen Menschen ein gleichermaßen angemessenes wie finanzierbares Angebot vorhalten zu können, ist aus Sicht des Bayerischen Bezirketags ein „mutiges und kluges Nachsteuern des Bundesgesetzgebers“ unabdingbar. Anlässlich der Bundestagswahl hat der Verband deshalb Forderungen zur Fortentwicklung einer inklusiven, die Teilhabe aller Menschen gleichermaßen ermöglichenden Gesellschaft, zur Sicherung einer zukunftsfähigen und menschenwürdigen Pflege sowie zur Sicherstellung einer auch künftig leistungsfähigen und effizienten öffentlichen Verwaltung erarbeitet.

Stichwort Eingliederungshilfe: Die Ausgaben dafür stiegen allein im Jahr 2023 um 9,4 Prozent auf bundesweit 25,4 Milliarden Euro netto. Der Finanzierungsanteil des Bundes blieb hingegen unverändert, so dass die Kostenbelastung für die Träger der Eingliederungshilfe weiterhin stetig ansteigt. Hier müssten Bundestag und Bundesregierung schnell für eine finanzielle Entlastung sorgen und eine vollständige und dynamische Kompensation gewährleisten, so der Bezirketag.

Keine Mittel für systemfremde Leistungen

Darüber hinaus müsse erreicht werden, dass über die Eingliederungshilfe keine „systemfremden Leistungen“ – beispielsweise Pflegeleistungen oder existenzsichernde Leistungen – mehr finanziert werden. Andernfalls sei die Versorgungssituation für die Menschen mit Behinderung in der bisherigen Form künftig nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Nicht zuletzt in Anbetracht des Arbeits- und Fachkräftemangels müssten zudem der Vollzug der Hilfen entbürokratisiert und die gesetzlichen Standards der Leistungsgewährung auf ihre Effizienz hin überprüft und bedarfsangemessen flexibilisiert werden. Die Steuerungsmöglichkeiten der Träger der Eingliederungshilfe seien zu stärken und das vom Bundesteilhabegesetz (BTHG) vorgesehene Bedarfsermittlungsverfahren sollte vereinfacht sowie bundesweit vereinheitlicht und digitalisiert werden. Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten dürfe nicht schrankenlos gelten, sondern müsse wieder unter einen Mehrkostenvorbehalt gestellt werden, wie er in der Sozialhilfe (SGB XII) und in der Jugendhilfe (SGB VIII) gilt.

Pooling für Schulbegleitung

Darüber hinaus sei es erforderlich, den Nachrang der Leistungen der Eingliederungshilfe vor allem bei den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (Schulbegleitung) wiederherzustellen, so der Verband: „Schulbegleitung ist regelhaft im Pooling zu erbringen und die Schule muss endlich ihrer Verantwortung für eine aus eigener Kraft gewährleistete inklusive Beschulung von jungen Menschen mit Behinderungen gerecht werden.“

Ressourcenintensive Eingriffe des Bundes verhindern

Die vom Bundesgesetzgeber geplante Zuständigkeitsverlagerung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen in die Jugendhilfe sei angesichts der personellen und finanziellen Rahmenbedingungen der kommunalen Jugendhilfe unverantwortlich und dürfe nicht umgesetzt werden. Schon nach dem heute geltenden Recht hätten junge Menschen mit Behinderungen sowohl uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zu Teilhabeleistungen als auch zu den Leistungen der Jugendhilfe. Im Einzelfall bestehende Kooperationsdefizite vor Ort seien kein Grund für derart ressourcenintensive Eingriffe in die Vollzugs- und Organisationshoheit der Bundesländer.
Stichwort Pflege: Nach Angaben des Bayerischen Bezirketags sind die bundesweiten Ausgaben der Hilfe zur Pflege im Jahr 2023 um 27,4 Prozent gestiegen. „Das aktuelle Teilkasko-Modell der Pflegeversicherung führt dazu, dass Kostensteigerungen im Wesentlichen durch die pflegebedürftigen Personen bzw. im Fall der hierdurch immer häufiger ausgelösten Sozialhilfebedürftigkeit durch die Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Eine echte Reform der Pflegeversicherung muss deshalb zu einer spürbaren Entlastung der Selbstzahler wie der Träger der Sozialhilfe führen, beispielsweise durch einen sogenannten Sockel-SpitzeTausch, und durch die neue Bundesregierung schnell auf den Weg gebracht werden.“
Für die bundesgesetzlich geschaffene Möglichkeit, Springerpools oder vergleichbare betriebliche Ausfallkonzepte für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen zu schaffen, fehle bislang die Möglichkeit der Refinanzierung des damit verbundenen Personalmehrbedarfs durch die Pflegekassen. Der Bundesgesetzgeber müsse daher dringend sicherstellen, dass diese Mehrkosten nicht die Pflegebedürftigen selbst bzw. die Sozialhilfeträger belasten.

Unterstützung älterer Menschen

Sozialräumliche Strukturen zur Unterstützung älterer Menschen im (vor-)pflegerischen Bereich müssten geschaffen und auch von der Bundesebene dauerhaft finanziert werden, um häusliche Pflege durch das Ineinandergreifen von familiärer Betreuung und Unterstützung, ergänzenden professionellen Pflegeleistungen und unterstützenden Angeboten durch bürgerschaftlich Engagierte und/oder professionelle Dienstleister zu entlasten. Die gesetzliche Verankerung von Strukturen wie der Community Health Nurse und auch von Lotsenstellen wie der Gemeindeschwester(+) als zentrale Anlaufstelle und Bindeglied zwischen pflegebedürftigen Menschen, Angehörigen und dem Gesundheitssystem wirkten präventiv und stärkten sozialräumliche Strukturen.

„Die kommunale Pflegeplanung sollte gestärkt und bundesgesetzlich verankert werden. Gleichzeitig sind die Pflegekassen zu verpflichten, die Empfehlungen und Zielsetzungen der kommunalen Pflegestrukturplanung vor Abschluss eines Versorgungsvertrages zu beachten“, heißt es weiter. Die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz eingeführte Freistellung unterhaltsverpflichteter Eltern und Kinder von einem Rückgriff des Sozialhilfeträgers auf ihr Einkommen bis zu einem zu versteuernden Jahresbetrag von 100.000 Euro sei auf den Prüfstand zu stellen und die Beweislastumkehr zu Ungunsten der Sozialhilfeträger rückgängig zu machen.

Stichwort Krankenhausversorgung: Die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehene Definition des „Fachkrankenhauses“ soll nach dem Willen des Bezirketags flexibler gestaltet und Ausnahmen durch das jeweilige Bundesland zugelassen werden. In der Rechtsverordnung nach § 135 e Abs. 1 SGB V seien Ausnahmeregelungen und Gestaltungsspielräume für die Länder zu schaffen.

Bei der Neugestaltung der Notfallversorgung müsse den Bedarfen besonders vulnerabler Gruppen wie psychisch erkrankten Menschen oder Kindern und Jugendlichen an den geplanten medizinischen Erstanlaufstellen Rechnung getragen werden. Um eine bedarfsgerechte Versorgung insbesondere für schwer chronisch kranke Menschen aufrecht zu erhalten, müsse in den Fachbereichen Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie die Vorhaltung von Mindestkapazitäten gewährleistet sein. Eine solche Vorhaltung sei ebenso wie die Zuordnung von Ressourcen sinnvoll an den Auftrag regionaler Versorgungsverpflichtung zu binden.

Die steigenden Anforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich erforderten zudem eine grundlegende Stärkung der pflegerischen Berufe. Gefordert wird daher die gesetzliche Verankerung erweiterter Kompetenzen für beruflich und akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen, um eine effizientere, patientenzentrierte Versorgung zu gewährleisten, z. B. durch erweiterte Delegations- und Substitutionsmodelle für den Pflegeberuf als Heilberuf mit eigenen beruflichen Kompetenzen im Leistungsrecht sowie erhöhte Handlungsspielräume in der Prävention und Beratung.

Darüber hinaus wird die neue Bundesregierung aufgefordert, entschlossene Schritte zur Entbürokratisierung und Deregulierung zu unternehmen, um so die Grundlage für eine effizientere und flexiblere Verwaltung zu schaffen und die Handlungsfähigkeit der Kommunen und damit auch der Bezirke zu stärken. Genannt werden u.a. die Überprüfung des Vollzugsaufwands, die Einführung von Pauschalregelungen und Bagatellgrenzen, die Reduzierung von Dokumentations- und Berichtspflichten, realistische (längere) Übergangsfristen zur Implementierung neuer Regelungen mit vorheriger Digitalisierung der Verwaltungsverfahren sowie der Verzicht auf die zusätzliche Verschärfung europarechtlicher Anforderungen.

Hochwertige und sichere digitalen Infrastrukturen

Für eine zukunftsfähige digitale Verwaltung ist nach Auffassung des Kommunalverbands der flächendeckende Zugang zu hochwertigen und sicheren digitalen Infrastrukturen, einschließlich Breitband und 5G-Netzen, unerlässlich. Die technische Basis müsse dabei durch eine einheitliche, datenschutz- und IT-sicherheitskonforme digitale Infrastruktur geschaffen werden.

Eine durchgängige Prozessgestaltung sei für den Erfolg unverzichtbar. Dies bedeute vor allem die konsequente Vermeidung von Medienbrüchen durch eine ganzheitliche Digitalisierung vom Antrag bis zum Bescheid. Der bisherige OZG-Ansatz müsse über reine Online-Anträge hinaus weiterentwickelt werden, begleitet von einer gezielten Förderung der internen Verwaltungsdigitalisierung. IT-Anbieter seien durch verpflichtende offene Schnittstellen in die Pflicht zu nehmen, um einen durchgängigen Datenaustausch zu gewährleisten.
Aus Sicht des Bayerischen Bezirketags müssen die Belange der Kommunen und damit auch der Bezirke als unmittelbare Ansprechpartner vor Ort stärker in die politische Entscheidungsfindung einbezogen werden. Hierzu zählten ein stärkeres Gehör für kommunale Anliegen und die Gewährung von mehr Selbstverantwortung und Entscheidungsfreiheit. „Die Kommunen sind ein Garant für praxisnahe Lösungen, die den lokalen Bedürfnissen gerecht werden. Dafür muss gewährleistet sein, dass den Kommunen die notwendigen Handlungsspielräume verbleiben und ihnen keine zusätzlichen Belastungen auferlegt werden, die sie nicht bewältigen können.“

DK

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