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(GZ-10-2022)
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► Bayerischer Städtetag Oberbayern:

 

Kommunen als Krisenmanager

 

„Beinfreiheit für schnelles Handeln und finanzielle Spielräume“ bei der Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge forderte Bernd Buckenhofer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags, bei einer Tagung der oberbayerischen Mitglieder in Olching. Nach Auffassung der Bürgermeister mangelt es nicht nur an Personal in den Schulen und Kindertagesstätten, um die vor dem Krieg geflüchteten Kinder betreuen zu können, sondern vor allem an Wohnraum.

„Ein Fundament für das Krisenmanagement ist eine stabile Infrastruktur und die kommunale Daseinsvorsorge. Um ihre Kompetenz zum Tragen kommen zu lassen, müssen die Kommunen angemessen finanziell ausgestattet werden. Gute Lösungen gelingen dann, wenn die kommunale Ebene frühzeitig auf Augenhöhe in staatliche Entscheidungen mit eingebunden ist und im praktischen Vollzug von Lösungen mitgenommen wird“, unterstrich Buckenhofer.

Laut Bayerischem Städtetag kann die Aufnahme der ukrainischen Kriegsflüchtlinge nur im engen Schulterschluss mit dem Bund und dem Freistaat funktionieren. Wegen des Kriegsgeschehens bleibe schwer einzuschätzen, wie viele Menschen nach Bayern kommen. Eine Linderung der ersten Nöte bei der Unterbringung verspreche die enorme Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme in privaten Wohnungen.

Unterbringung

Allerdings stelle sich die Frage, inwieweit die Unterbringung in privaten Haushalten tragfähig ist: Wie lange können die Provisorien auf der Couch, in Gästezimmern oder im Keller in ehrenamtlichen Händen funktionieren? Schnelle Hilfe in ersten privaten Anlaufstationen sei gerade in der Anfangsphase wichtig. Allerdings sei auch Koordination nötig, um vor allem den noch nicht registrierten und in eigener Initiative einreisenden Menschen, die vorübergehend privat unterkommen konnten, eine längerfristige Bleibe zu ermöglichen.

Wie Buckenhofer betonte, bringe der Wechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zum Sozialgesetzbuch SGB II eine weitere Herausforderung bei der Unterbringung der Geflüchteten mit sich. Bei diesem Übergang müsse sichergestellt werden, dass das überwiegend staatlich finanzierte Unterbringungssystem weiter genutzt werden kann. Dies müsse für dezentrale Unterkünfte ebenso wie für Gemeinschaftsunterkünfte gelten.

Erforderlichenfalls seien diese Unterbringungsmöglichkeiten auszubauen. Ein Rückzug des Staates mit dem Verweis auf den privaten Wohnungsmarkt und die Verantwortung der Städte und Gemeinden würde die Kommunen überfordern. Für die Aufnahme und Unterbringung der Geflüchteten seien in erster Linie Bund und Länder verantwortlich. Buckenhofer: „Die Kommunen nehmen ihre Mitverantwortung wahr und helfen dabei, wo sie können. Es darf aber die Verantwortung nicht auf die lokale Ebene abgewälzt werden.“

Eine zentrale Frage sei auch der Zugang zum Arbeitsmarkt, der möglichst unkompliziert erfolgen muss, „denn die Ukrainerinnen, die zu uns kommen, wollen arbeiten“. Das bedeute, dass Mütter Betreuung für ihre Kinder brauchen. Betreuungsschlüssel in Kitas müssten deshalb gelockert und Richtlinien praktikabel gestaltet werden, damit unkompliziert und schnell möglichst viele ukrainische Kinder betreut werden können.

Allerdings ist dies leichter gesagt als getan. Tatsache ist: Es fehlt Erziehungspersonal, die Kapazitäten sind schon jetzt erschöpft und der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung lässt sich in der Praxis nur schwer erfüllen. Ähnliches zeichnet sich an den Schulen ab. Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des Bayerischen Städtetags unerlässlich, dass für eine Übergangszeit mehr Improvisation ermöglicht wird. „Die Gruppenzahlen für Kinderbetreuung müssen vorübergehend in Anbetracht der Notsituation erhöht und Betreuungsschlüssel angepasst werden.“

Zu überlegen sei auch, inwieweit ukrainische Kräfte zum Beispiel auch für Kinderbetreuung eingesetzt werden könnten. Hier wäre mehr Flexibilität hilfreich. So sei auch zu klären, welche Standards bei der Jugendhilfe gelten. Hier seien Freiräume erforderlich. „Solange nichts verbindlich geregelt ist, gelten die Standards der Jugendhilfe, die nicht unbedingt für die Belange von unbegleiteten ukrainischen Kindern und Jugendlichen passen. Der Freistaat muss klare Aussagen treffen, welche Standards hier aufgrund der Notsituation gelten“, machte Buckenhofer deutlich.

Ausstattung der Schulen

Ein „erhebliches Unbehagen“ bei der Ausstattung der Schulen und Kindertagesstätten registrierte der gastgebende Olchinger Bürgermeister Andreas Magg. Genauso wie andere Städte und Gemeinden habe Olching Personalprobleme. Dabei wäre es gerade jetzt geboten, ausreichend Fachkräfte in der Verwaltung und in den Bildungseinrichtungen zu haben. Damit mehr Kinder in den Gruppen untergebracht werden können, sollte aus Maggs Sicht der Betreuungsschlüssel verändert werden. Für nicht ausgeschlossen hält es der Rathaus-
chef, dass auch Kitas wegen fehlenden Personals geschlossen werden müssten.

Mit Blick auf das Thema Wohnraum erklärte Magg, dass Städte wie Olching zwar aktuell geförderte Wohnungen bauten, dieser Wohnraum jedoch nicht für Flüchtlinge gedacht gewesen sei. Der Tag sei nicht weit, an dem Einheimische, die teils seit Jahrzehnten auf eine bezahlbare Wohnung warten, Fragen stellen werden, prognostizierte der Bürgermeister.

Auf der Tagungsagenda stand auch die nötige Vereinfachung der zahlreichen staatlichen Förderprogramme für kommunale Vorhaben. Um ein Förderprogramm zu nutzen, müssen Kommunen vielfältige Auflagen erfüllen und dicke Anforderungskataloge bearbeiten – oft begleitet von Gutachten, komplizierten Planungsschritten und einer Fülle an prüfenden Stellen, etwa bei Bezirksregierungen oder Fachbehörden. Komplexe Vorgaben des Vergaberechts, das vielfach eine europaweite Ausschreibung nötig macht, erschweren ebenfalls eine zügige Abwicklung.

Das enge Zeitkorsett und häufig wechselnde Anforderungen hemmen Buckenhofer zufolge die Umsetzung von Programmen: „Kommunen wünschen mehr Kontinuität und Verlässlichkeit von bestehenden Programmen. Hilfreich wäre es, die kommunale Investitionskraft grundlegend mit höheren Pauschalen oder höheren Fördersätzen im kommunalen Finanzausgleich zu stärken, um Schulen, Kindergärten, Kindertagesbetreuung, Radwegebau und Nahverkehr als Daueraufgaben auszubauen. Das sorgt für Planungssicherheit und reduziert komplizierte Förder-Bürokratie.“

DK

 

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