Kommunalverbändezurück

(GZ-18-2021)
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► VKU-Stadtwerkekongress 2021:

 

Klimaziele brauchen Planungs- und Investitionssicherheit

 

Für die große Mehrheit der Stadtwerke-Chefs und Energieexperten kommunaler Unternehmen sind offene politische Entscheidungen mit Abstand das größte Hindernis für die Energiewende. Dies ergab eine Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) unter seinen Mitgliedsunternehmen zum hybrid ausgerichteten Stadtwerkekongress in Dortmund (siehe unten). So fehlen Planungs- und Investitionssicherheit für kommunale Energieversorger und Netzbetreiber (69 Prozent). Zweitgrößtes Hindernis sind für die knapp 170 Umfrageteilnehmer die Dauer und Anforderungen im Planungs- und Genehmigungsrecht (63 Prozent).

„Die Stadtwerke als Praktiker und Pragmatiker der Energiewende wollen anpacken und die Klimaziele erreichen. Ohne Planungs- und Investitionssicherheit gelingt das aber nicht“, erläuterte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Die Umfrage hat dies als wichtigstes Problem benannt: Wir brauchen endlich klare längerfristige verlässliche Rahmenbedingungen in der Energiepolitik und für die Energiewende.“

Oberste Priorität: CO2-Preis

Liebing benannte auch die drei wichtigsten Themen für die nächste Bundesregierung, die sich aus der Umfrage ergeben: „Oberste Priorität hat eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich sowie der CO2-Preis (56 Prozent). Ein Blick auf die Stromrechnung genügt: Strom aus erneuerbaren Energien muss günstiger werden. So wird sauberer Strom wettbewerbsfähiger gegenüber fossilen Energien und attraktiver für den Einsatz im Verkehr- und Wärmesektor.“ Wichtig sei es zudem, den Menschen beim CO2-Preis kein X für ein U vormachen zu wollen:

„Wenn wir einen drastischen CO2-Preisanstieg ab 2026/2027 (nach der Festpreisphase) verhindern wollen, muss der CO2-Preis früher erhöht werden. Das ist nicht nur für den Klimaschutz wichtig, sondern auch, um eine spätere Kostenexplosion zu verhindern. Außerdem können wir damit die EEG-Umlage abschaffen und Transformationsprojekte gezielt fördern. So erreichen wir auch den notwendigen sozialen Ausgleich“, machte der Hauptgeschäftsführer deutlich.

Daran schließt die zweite Priorität der Stadtwerke-Chefs an. Mehr als die Hälfte fordert neue Anreize für die Wärmewende (53,9 Prozent). „Der Wärmesektor ist unser Klimaschutz-Sorgenkind: geringe Sanierungsquote, unzureichende Förderung“, erklärte Liebing.

„Aber: Auch Sorgenkinder haben Potenzial. Das sollte die nächste Regierung mit einem neuen Ansatz wecken und einen Wärme-Masterplan vorlegen. Für die Versorgung mit klimaneutraler Wärme aus erneuerbaren Energien sollte Politik den Quartiersansatz verankern und die kommunale Wärmeplanung mit einem breiten Strauß unterschiedlicher technologischer Lösungen stärken. Außerdem brauchen wir bessere gesetzliche Rahmenbedingungen und eine umfassende Förderung für den Ausbau der Wärmenetze sowie die Option für den Einsatz von Wasserstoff, mit dem fossiles Erdgas ersetzt werden kann. Das schafft Planungs- und Investitionssicherheit.“

Ruf nach Infrastruktur-Update

Drittes „Eisen“ Infrastruktur-Update: Die Unternehmenslenker fordern laut Umfrage bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau von Infrastrukturen (52 Prozent). Liebing zufolge braucht das oft geforderte 100 Tage-Programm für Erneuerbare Energie ein Infrastruktur-Update als Begleiter. Die nächste Bundesregierung sollte die ersten 100 Tage nutzen, um sowohl ein Erneuerbares Energien-Programm als auch ein Infrastruktur-Update anzuschieben:

Investitionsbremsen lösen, Rechts- und Planungssicherheit schaffen. Die Antwort der nächsten Bundesregierung auf Bidens „Built Back Better“ für die USA müsse „Buddeln und Baggern“ für Deutschland sein. Netzausbau, Digitalisierung der Netze, Investitionen in Speicher, Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger – dies alles erfordere Milliarden für Investitionen. Sie wiederum benötigten Planungs- und Investitionssicherheit. Ohne sie werde der Markthochlauf neuer klimaneutraler Technologien schlicht nicht funktionieren.

Stadtwerke Award

Im Blickpunkt des hybrid ausgerichteten VKU-Stadtwerkekongresses stand auch die interaktive Verleihung des Stadtwerke Award 2021. Unter den drei Preisträgern befinden sich zwei aus Bayern, nämlich die Stadtwerke Schweinfurt GmbH (1. Preis) und die Stadtwerke Bamberg GmbH (Platz 3). Mit ihrem Projekt „Klimaneutrale Wasserversorgung in Mainfranken“ denken die Stadtwerke Schweinfurt das Thema Sektorenkopplung bis zur Wasserversorgung weiter und verbinden es darüber hinaus noch vorbildlich mit digitalen Prozessen. Mit Hilfe dieser innovativen Kombination der Zukunftsthemen Sektorenkopplung, Wasserversorgung und Digitalisierung arbeiten die Stadtwerke Schweinfurt GmbH an der klimafreundlichen Wasserversorgung der fränkischen Trockenplatte. Hierzu errichten die Stadtwerke eine eigene Photovoltaik-Freiflächenanlage und stellen die gesamte Energieversorgung der Wassersparte auf Grünstrom um.

Durch die Verknüpfung von Wasserspeicherreservoirs als Energiespeicher mit der PV-Anlage, einem Batteriespeicher und einem Blockheizkraftwerk soll der Eigenverbrauch weiter optimiert werden. Zudem wird Künstliche Intelligenz eingesetzt, um das komplexe, spartenübergreifende Gesamtsystem zu steuern und Prognosen für Verbrauch und Erzeugung zu verbessern. Die Wasserversorgung soll durch das Projekt „autark“ und damit zu 100 Prozent krisensicher werden. Bereits 2017 hatten die Stadtwerke Schweinfurt den dritten Platz beim Stadtwerke Award gewonnen.

Mit einer innovativen Kombination der Themen Quartierslösungen und Wärmenetze reiht sich die Stadtwerke Bamberg GmbH mit ihrem Projekt „Lagarde 4.0“ in die Liste der Preisträger ein. Auf dem innerstädtischen Konversionsquartier „Lagarde“ entsteht bezahlbarer Wohnraum für rund 1.200 Familien sowie Flächen für Gewerbe, Dienstleistungen, Kultur und soziale Einrichtungen. Die dichte Gebäudestruktur setzt sich aus einem teils denkmalgeschützten Bestand und hocheffizienten Neubauten zusammen. Die nachhaltige Ausrichtung einer Quartierslösung aus Alt- und Neubaubestand ist dabei einzigartig. Mit ihren Verbundpartnern haben die Stadtwerke Bamberg ein Wärmekonzept entwickelt, bei dem über 70 Prozent der Wärme vor Ort aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

DK

 

Umfrageergebnisse im Überblick

1. Welche drei Maßnahmen muss die nächste Bundesregierung ganz oben auf die energiepolitische Agenda setzen, um die neuen und höheren Klimaziele zu erreichen?

  • 56,3 Prozent: Reform der Entgelte und Umlagen/CO2-Preis (stärkere Belastung fossiler Energieträger, Entlastung von Strom und CO2-freien Energieträgern)
  • 53,9 Prozent: Anreize für Wärmewende
  • 52,1 Prozent: bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau von Infrastrukturen
  • 45,5 Prozent: Verbesserungen für den Ausbau erneuerbarer Energien
  • 41,3 Prozent: KWK-Anlagen (z. B. Biomasse, Erdgas/Wasserstoff) für die Versorgungssicherheit weiter fördern
  • 15 Prozent: regional erzeugten Wasserstoff fördern
  • 15 Prozent: effizienterer Umgang mit Energie
  • 7,8 Prozent: Förderung von Tank- und Ladeinfrastruktur und Einsatz alternativer Antriebe

2. Was sind die größten Hindernisse bei der Umsetzung der Energiewende vor Ort?

  • 69,4 Prozent: Fehlende Planungs- und Investitionssicherheit durch ausstehende politische Entscheidungen
  • 63 Prozent: Dauer- und Anforderungen im Planungs- und Genehmigungsrecht
  • 47,5 Prozent: Fehlende finanzielle Investitionsfähigkeit, bspw. fehlendes Eigen- oder Fremdkapital durch geplante Absenkung EK-Zins
  • 28,8 Prozent: Geringe Akzeptanz in der Bevölkerung
  • 22,5 Prozent: Fehlende Fördermittel
  • 19,4 Prozent: Fehlendes Personal im eigenen Unternehmen
  • 10,6 Prozent: Fehlende Tiefbaukapazitäten / Bauträger
  • 8,8 Prozent: Fehlendes Personal in Behörden und Gerichten
  • 2,5 Prozent: Materialmangel, z.B. Baustoffe oder Halbleiter, Grundstoffe usw.
  • 1,9 Prozent: Sonstiges

 

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