Kommunalverbändezurück

(GZ-8-2016)
Kommunalverbände
► Publikation des Deutschen Städtetag:
 
Urbane Agenda für die Europäische Union
 

Der Deutsche Städtetag hat eine urbane Agenda für die Europäische Union veröffentlicht. Darin werden Perspektiven und Erwartungen der deutschen Städte zur europäischen Politik formuliert. Erste Ansatzpunkte für eine europäische urbane Agenda sollen im Pakt von Amsterdam von Vertretern der EU-Mitgliedstaaten Ende Mai verabschiedet werden.

Der Deutsche Städtetag hat eine urbane Agenda für die Europäische Union veröffentlicht. Darin werden Perspektiven und Erwartungen der deutschen Städte zur europäischen Politik formuliert. Erste Ansatzpunkte für eine europäische urbane Agenda sollen im Pakt von Amsterdam von Vertretern der EU-Mitgliedstaaten Ende Mai verabschiedet werden.

Fast 75 Prozent der Menschen in der EU leben in Städten. Dort werden rund 80 Prozent des europäischen Sozialprodukts generiert. Etwa 70 Prozent der Regelungen, die die Kommunen umsetzen, haben europäischen Ursprung. Laut der Präsidentin des Deutschen Städtetags Evas Lohse „braucht es die Zusammenarbeit aller politischen Ebenen, um die großen europäischen Herausforderungen zu bewältigen“. Damit die Städte handlungsfähig bleiben, müssten auch die kommunalen Realitäten und Möglichkeiten sowie die kommunale Selbstverwaltung von der Europäischen Union und insbesondere in der europäischen Gesetzgebung besser berücksichtigt werden. Die urbane Agenda des Deutschen Städtetages für die europäische Union zeige auf, wie dies aus der Sicht der deutschen Städte zu erreichen ist.

Daseinsvorsorge

Beispiel Daseinsvorsorge: Es gilt, die kommunale Daseinsvorsorge als ein wichtiges Element einer EU mit wettbewerbsfähiger Marktwirtschaft, die den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt fördert, nicht nur in der EU zu sichern, sondern vor dem Hintergrund der Globalisierung auch in den diversen Freihandelsabkommen der EU Geltung zu verschaffen.

TTIP, TiSA und CETA

Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Verhandlungen zu TTIP und der weiteren, derzeit verhandelten Freihandelsabkommen TiSA und CETA, haben die kommunalen Spitzenverbände und der VKU im Oktober 2014 ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Darin sprechen sich die Verbände nachdrücklich für einen umfassenden Schutz der Daseinsvorsorge (z. B. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Öffentlicher Personennahverkehr, Krankenhäuser) aus und lehnen auch Markzugangsverpflichtungen ab. Die derzeit garantierte umfassende Organisationsfreiheit der Kommunen darf nicht durch rein am Wettbewerbsgedanken ausgerichtete Verfahren ersetzt werden.

Die EU muss insbesondere auch die traditionell seitens der Länder und vor allem der Kommunen geleistete Kulturförderung in Form der Unterhaltung von eigenen Einrichtungen (Theater, Museen, Bibliotheken etc.), von Förderungen des zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements und der Durchführung von eigenen Veranstaltungen usw. aus Handelsabkommen ausnehmen. Auch die Besonderheiten der in Deutschland erbrachten Sozial- und Gesundheitsleistungen, beispielsweise durch die freie Wohlfahrtspflege, müssen von Vereinbarungen in Freihandelsabkommen geschützt werden.
Transparenz nötig

Darüber hinaus muss es eine weitgehende Transparenz bei den Verhandlungen und eine kommunale Beteiligung bei den Verhandlungen auf der EU-Ebene geben, ähnlich der kommunalen Beteiligung über den TTIP-Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums auf nationaler Ebene. Abgelehnt werden auch bisher übliche Investitionsschutzklauseln sowie privat-wirtschaftlich geregelte Schiedsgerichte.

Energie: Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sollten laut Deutschem Städtetag im Einklang mit den weiteren Zielen der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und der Umweltverträglichkeit stehen. Das hohe Gut der Versorgungssicherheit muss zu angemessenen Preisen für die Bürger bereitgestellt werden, ohne dabei die öffentlichen Versorgungsstrukturen sowie die Akteursvielfalt auf kommunaler Ebene zu untergraben. Mit der Veröffentlichung des „Rahmens für die Klima- und Energiepolitik 2020-2030“ gehen die Aktivitäten der EU in die richtige Richtung. Die Kommunen wollen die EU-Kommission in diesem Punkt unterstützen und wertvolle Hilfe bei der Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele bieten.

Klimaschutz

Um die Ziele der Förderung des Klimaschutzes und der Erneuerbaren Energien zügig voranzutreiben, bedarf es des beschleunigten Ausbaus der Übertragungs- und Verteilnetze. Der Ausbau von Stromnetzen muss die europäischen und nationalstaatlichen Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien berücksichtigen.

Vor dem Hintergrund des Ausbaus fluktuierender erneuerbarer Energien braucht das Energiesystem ein hohes Maß an Flexibilität, um die schwankende Einspeisung auszugleichen und Systemstabilität zu gewährleisten. Dafür notwendige Technologien sind bereits in Marktreife vorhanden, können sich aber, vor allem in Deutschland, aufgrund des dysfunktionalen Emissionshandels und damit ungenügender finanzieller Basis nicht am Markt halten. Städte und ihre Unternehmen müssen daher in die Situation gebracht werden, den Betrieb neuer, flexibler, hocheffizienter und fossiler Kraftwerke wirtschaftlich durchführen zu können.

Leistungsmarkt

Dafür favorisiert der Deutsche Städtetag einen dezentralen Leistungsmarkt als Kapazitätsmechanismus, der konfliktfrei im integrierten Energiemarkt der EU operiert und Kosteneffizienz, Systemstabilität und Versorgungssicherheit, Beiträge zum Klimaschutz, geringe Flächeninanspruchnahme, regionale Verteilung von Stromerzeugung und Stromnachfrage sowie gesamtwirtschaftliche Kosten und Wertschöpfung in den Fokus nimmt.

Abfallwirtschaft: Um noch bessere und nachhaltigere Impulse für ein regionales Stoffstrommanagement geben zu können, sollte die städtische Entsorgungsverantwortung gestärkt werden. Das Herausbrechen einzelner attraktiver Stoffströme aus der städtischen Entsorgungsverantwortung und deren Zuweisung in einen Wettbewerbsmarkt würde letztlich nur die städtischen Investitions- und Planungsrisiken verschärfen.

Gerade auch in Zeiten zunehmender Ressourcenknappheit und zur Umsetzung der EU-Abfallhierarchie ist die Bereitstellung einer geeigneten Sammel- und Verwertungsinfrastruktur durch die Städte unerlässlich. Das erfordert neben hohen Umweltstandards eine klare und eindeutige Aufgabenzuweisung und damit die Möglichkeit, über stabile Gebühren eine Refinanzierung der bereitgestellten Infrastruktur vornehmen zu können.

Mobilität

Verkehrspolitik: Urbane Mobilität ist Kernbestandteil der städtischen Verkehrs- und Mobilitätsplanung und unterliegt der kommunalen Planungsautonomie. Bei der Fortentwicklung von Instrumenten zur Regelung der urbanen Mobilität ist daher einer zielgerichteten Förderung Vorrang vor regulativen Instrumenten zu geben. Nachhaltige urbane Mobilitätspläne (sustainable urban mobility plans – SUMP) können daher in EU-Förderprojekten vorangetrieben werden, sind mangels Flexibilität und aufgrund der Notwendigkeit von örtlich angepassten Lösungen allerdings den Kommunen nicht als verbindliche und EU-einheitliche Pläne vorzugeben.

Die vorhandenen Regelungen über Zugangsbeschränkungen in Innenstädten – etwa durch sogenannte Umwelt- oder Fußgängerzonen – bedürfen nach Auffassung des Deutschen Städtetags keiner regulativen europäischen Ausgestaltung. Eine Vereinheitlichung ist sinnvoll bei der Kennzeichnung von Fahrzeugen, die hohe Umweltstandards erfüllen (Umweltplakette) sowie für die Erkennbarkeit von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr (Elektroplakette). Die Förderung von Maßnahmen zur Erhöhung des Fuß- und Radverkehrs und der Nutzung des ÖPNV am Modal Split sind zu begrüßen.

Geoinformation

Geoinformationen: Um den verstärkten Einsatz von Geoinformationen als integralen Bestandteil kommunaler Geschäftsprozesse auf kommunaler Ebene zu unterstützen, wären spezielle Förderprogramme der Europäischen Union äußerst hilfreich, insbesondere auch um die damit einhergehenden notwendigen technischen Herausforderungen zu bewältigen. Auf diese Weise würde auch die vielfach in Politik und Verwaltungsspitze noch fehlende Unterstützung des Einsatzes von Geoinformationen in den Kommunen gesteigert werden können. Wenn der EU-Kommission an brauchbaren Geoinformationen gelegen ist, muss sie ernsthaft die Frage beantworten, welchen Mehrwert beispielsweise die Bereitstellung von geschätzten zwei Millionen Bauleitplänen aus Deutschland auf europäischer Ebene darstellt. Insbesondere das Thema „INSPIRE und Bauleitpläne“ erhitzt die Gemüter aufgrund der Unklarheit bezüglich der konkreten, bundesweit uneinheitlichen Anforderungen an die Kommunen.

Migration und Integration: Die deutschen Städte stehen zu ihrer Verantwortung, Menschen aus Krisengebieten aus humanitären Gründen aufzunehmen. Die Städte fühlen sich dem Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte und der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet. Nicht zu verkennen sind jedoch die erheblichen Belastungen, die durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen entstehen: Rund 1,1 Millionen Menschen kamen im vergangenen Jahr nach Deutschland. Der Deutsche Städtetag erwartet, dass die Bundesregierung alles unternimmt, eine Reduzierung der Zuwanderung nach Deutschland zu erreichen. Zudem müssen Bund und Länder die Integration der Menschen mit einer Bleibeperspektive intensiv unterstützen.

Die EU muss sich für eine einheitliche Politik einsetzen, die das Ziel hat, Fluchtursachen zu bekämpfen und die Bedingungen für Flüchtlinge in den Nachbarländern der Hauptherkunftsländer merklich zu verbessern. Auch die Einrichtung von Registrierungszentren an den EU-Außengrenzen in Italien und Griechenland muss entschlossen fortgesetzt werden. Eine funktionierende EU-weite Verteilungsregelung ist hierfür Voraussetzung.

Soziale Sicherung

Bei zukünftigen Beitrittsverhandlungen zur EU muss ein besonderes Augenmerk auf die sozialen Sicherungssysteme und die Achtung der Menschenrechte gelegt werden. Hier hält es der Deutsche Städtetag für geboten, dass auch die EU sich weiter verstärkt dafür einsetzt, dass es in diesen Ländern zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation der Betroffenen kommt. Erst wenn die Missstände in diesen Staaten so wirksam behoben wurden, dass keine Fluchtgründe mehr bestehen beziehungsweise gute Lebensperspektiven vor Ort herrschen, kann ein Beitritt zur EU erfolgen. Anderenfalls würde es zu einer verschärften Binnenmigration kommen.

Bankenunion

Bankenunion und Sparkassen: Als Lehre aus der Bankenkrise und als Lehre aus der Eurokrise wird derzeit auf europäischer Ebene eine Bankenunion geschaffen. Dabei gilt der Grundsatz Haftung und Verantwortlichkeit dort anzusiedeln, wo auch die Zuständigkeit für die Entscheidungen ist. Damit soll das Risiko, dass die Steuerzahler erneut in die Haftung eintreten müssen, weitgehend ausgeschlossen werden. Dieser Ansatz wird begrüßt.

Zur Berücksichtigung der kommunal getragenen Sparkassen im Rahmen der Neuregelungen zur Bankenunion unterstreicht der Deutsche Städtetag: „Deutsche Sparkassen haben gerade durch ihre Kooperation in den Verbundgruppen erheblich zur Stabilisierung des Bankenmarktes sowie zur schnellen Erholung der deutschen Wirtschaft nach der Finanzmarktkrise beitragen. Das Regionalprinzip der deutschen Sparkassen ist nicht nur zur Begrenzung systemischer Risiken, sondern auch zur Förderung der regionalen Wirtschaft ein bewährtes und effektives Instrument.“

In der im Wesentlichen auf private Großbanken ausgerichteten derzeitigen Ausgestaltung der Vereinbarungen zur Bankenunion werden Institute mit regionalem Schwerpunkt, wie die Sparkassen, unverhältnismäßig belastet und dadurch in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Regional ausgerichtete Kreditinstitute haben durch ihre Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen einen wesentlichen Anteil an Stabilisierungserfolgen und Wirtschaftswachstum in Europa. Deutschland, wo vor allem Sparkassen diese Aufgabe erfüllen, zeichnet sich durch einen besonders stabilen Mittelstand und einen sehr guten Zugang zu Finanzdienstleistungen aus. Diese Besonderheiten sind bei der weiteren Ausgestaltung der Bankenunion zu berücksichtigen und zu würdigen. Dezentrale Strukturen sind ein wesentliches Element um Krisen zu bewältigen.

Kulturdienstleistungen

Kulturpolitik: Kulturdienstleistungen sind zwar auch handelbare Ware, aber gleichzeitig öffentliche Güter, die von den Gebietskörperschaften unbeschränkt bereitzustellen sind. Auf internationaler Ebene werden derzeit Verhandlungen geführt, den Markt für sogenannte kulturelle Dienstleistungen zu liberalisieren. Aktuell stehen Verhandlungen zwischen den USA und der EU zum Abschluss eines allgemeinen Freihandelsabkommens an. Die EU sollte bei diesen Verhandlungen die Position einnehmen, dass die traditionell seitens der Länder und vor allem der Kommunen geleistete Kulturförderung in Form der Unterhaltung von eigenen Einrichtungen (Theater, Museen, Bibliotheken etc.), von Förderungen des zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements und der Durchführung von eigenen Veranstaltungen nicht vom Handelsabkommen umfasst sein soll. Aus kommunaler Sicht gilt dies insbesondere für die Kultur als Bestandteil kommunaler Daseinsvorsorge.

Für Künstlerinnen und Künstler, aber auch für die kulturell interessierte Zivilgesellschaft bestehen nach wie vor erhebliche Hürden, mangelnde Transparenz und Unübersichtlichkeit hinsichtlich der Verfügbarkeit von europäischen Förderprogrammen. Die Bürokratie ist erheblich. Die Regularien zum neuen EU-Kulturförderprogramm 2014 bis 2020 beseitigen diese Hindernisse nicht, denn institutionelle Förderungen werden zugunsten von Projektförderungen gekürzt. Es entsteht mehr Bürokratie.

Die nationalen Kontaktstellen der Kulturförderung sind unterfinanziert und können ihr breites Informations- und Beratungsangebot nicht ausbauen, sondern müssen es sogar einschränken. Notwendig wäre aber eine Erweiterung der Leistungen der Kontaktstellen in Richtung Erstberatung zur Kulturförderung in Strukturfonds, gegebenenfalls auch weiteren Programmen, die Kulturbezüge haben.

DK

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