Kommunalverbändezurück

(GZ-14-2020)
gz deutscher staedtetag

► Erwartungen an die deutsche EU-Patspräsidentschaft:

 

Positionspapier des Deutschen Städtetags

 

Die deutschen Städte stehen ein für das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ Sie fordern die Bundesregierung auf, dieses Motto mit Leben zu füllen. Im Rahmen einer Präsidiumssitzung beschloss der Deutsche Städtetag deshalb ein Zehn-Punkte-Papier mit Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, das nun veröffentlicht wurde.

1. Die Corona-Krise mit Blick auf die Zukunft gemeinsam bewältigen:

Bisher berücksichtigt das Aufbauprogramm der EU-Kommission die Bedürfnisse der lokalen Ebene explizit nur im Rahmen der REACT EU-Initiative. Dies stellt lediglich eine kurzfristige Lösung für besonders betroffene Kommunen dar. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Städte und kommunale Unternehmen weitere Liquiditätshilfen und Kreditprogramme aus den Aufbauprogrammen tatsächlich in Anspruch nehmen können. Der Deutsche Städtetag ersucht die Bundesregierung, sich für einen direkten Zugang von Kommunen zu europäischen Fördermitteln einzusetzen.

2. Den mehrjährigen Finanzrahmen zügig beschließen:

Die Mitgliedstaaten müssen durch ihre nationalen Beiträge dafür Sorge tragen, dass der EU-Haushalt ausreichend ausgestattet ist, um die vielfältigen und ambitionierten politischen Ziele vor Ort in konkreten Projekten umzusetzen. Die Bundesregierung sollte sich als Vorsitz im Rat daher dafür einsetzen, dass die Direktinvestitionen in europäische Städte verstärkt werden. Der Klima- und der damit einhergehende Strukturwandel müssen vor Ort gemeistert werden. Zugleich muss die Verschärfung sozialer und territorialer Ungleichheiten in Europa verhindert werden.

3. Die EU-Strukturpolitik nachhaltig und langfristig ausgestalten:

Die Einrichtung eines Fonds für einen gerechten Übergang hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft (Just Transition Fund, JTF) wird als sinnvoll bewertet. Der JTF bedarf einer eigenständigen Finanzierung. Dazu muss der EU-Haushalt durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten ausreichend ausgestattet sein. Die Finanzierung darf nicht zu Lasten der Regional- und Strukturpolitik der EU-Förderperiode ab 2021 gehen. Insbesondere wird der in den Vorschlägen enthaltene verpflichtende Einsatz von Mitteln aus der EU-Strukturpolitik zur Ko-Finanzierung abgelehnt.

Das vorgeschlagene Aufbauprogramm Next Generation EU darf nicht die Finanzierung der zukünftigen EU-Kohäsionspolitik und nationaler Fördersysteme, wie das gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Kommunen, in Frage stellen, sondern muss zusätzlich finanziert werden, um Wirkung zu entfalten. Die nun ermöglichte größere Flexibilität beim Einsatz der EU-Strukturfonds sollte konsequent auch langfristig beibehalten werden und somit den konkreten Erfordernissen der Städte schneller anpassbar sein.

4. Die EU digital unabhängig aufstellen:

Digitale Souveränität ist ein notwendiger Baustein eines selbstbestimmten Europas und muss durch geeignete Maßnahmen gesichert und weiterentwickelt werden. Es braucht eine konsistente europäische Datenstrategie, die mit der nationalen Datenstrategie der Bundesrepublik eng zu verzahnen ist. Die praktischen Erfahrungen der Städte müssen hier einfließen.

5. Kommunales Engagement zum Klimaschutz durch den EU Green Deal flankieren:

Der EU Green Deal ist ein wichtiger Impuls, um bis 2050 die Klimaneutralität in Europa zu erreichen. Die geplanten Projekte und Maßnahmen sollten das kommunale Engagement im Klimaschutz sowie bei der Verkehrs- und Energiewende unterstützen. Die Städte erwarten, dass der EU Green Deal mit zusätzlichen Mitteln aus dem EU-Haushalt finanziert wird. Die Finanzierung des EU Green Deals darf nicht zu Lasten der Förderung strukturschwacher Regionen in ganz Europa gehen.

6. Kommunale Investitionen beim Konzept der nachhaltigen Finanzen berücksichtigen:

Die Liquidität der Kommunen ist notwendige Bedingung, wenn es darum geht, auf nationaler und europäischer Ebene die Krise nachhaltig zu bewältigen. Der Deutsche Städtetag begrüßt Pläne für eine europäische oder internationale Mindestbesteuerung. Diese müssen aber auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung weiterhin eine regionale Steuerautonomie zulassen. Zudem muss die verfassungsrechtlich festgeschriebene Gewerbesteuer auch europäisch oder international dauerhaft abgesichert werden.

Wir unterstützen den Ansatz, Nachhaltigkeit verstärkt zu einem wichtigen Thema an den Finanzmärkten zu entwickeln. Es geht darum, finanzielle Risiken aus der Corona-Pandemie, aus Klimawandel, Umweltdegeneration und sozialen Spannungen zu bewältigen. Transparenz und Langfristdenken sind zu stärken.

7. Der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mit neuem Schwung zum Erfolg verhelfen:

Dreh- und Angelpunkt ist ein solidarischer, verlässlicher und dauerhafter Verteilmechanismus für Asylsuchende. Schnelle Asylentscheidungen und deren effektive Umsetzung sind ein wichtiger Faktor, um die Situation in den Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen zu entschärfen. Vorprüfungen von Asylanträgen in den Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit könnten dabei zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen.

Gestärkt werden muss zudem das Grundprinzip, dass Asylsuchende in nur einem Mitgliedstaat einen Antrag stellen können. Flankierend müssen mehr alternative Schutzwege bspw. über Wiederansiedlungsprogramme geschaffen, Fluchtursachen bekämpft und Lebensbedingungen in den Herkunftsstaaten stabilisiert werden, um irregulärer Migration zu begegnen.

8. Das Gemeinwohl als Leitgedanken in der neuen Leipzig Charta verankern:

Die Leipzig-Charta ist seit 2007 die zentrale Grundlage der Stadtentwicklungspolitik in Deutschland. Die Fortschreibung der Leipzig-Charta wird erheblichen Einfluss auf die Stadtentwicklungspolitik in Deutschland und Europa haben. Entsprechend wichtig ist die Berücksichtigung der kommunalen Belange bei der Fortschreibung.

9. Impulse für die Gleichstellungspolitik auf EU-Ebene setzen:

Die Bundesregierung ist im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft aufgefordert, wichtige Impulse in Sachen Gleichstellungspolitik für die EUAgenda der kommenden Jahre zu setzen. Bei der Gleichstellung im Erwerbsleben muss es darum gehen, die Lohnlücke wirksam zu reduzieren.

Es müssen europaweite Standards implementiert werden, die gewährleisten, dass die Pflege und Erziehung von Angehörigen sowie Aufgaben der Haushaltsführung gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden.

Die Bundesregierung muss sich im Kampf gegen Gewalt an Frauen außerdem dafür einsetzen, dass die in der Istanbul-Konvention niedergelegten Verpflichtungen in ganz Europa zum Schutzstandard werden.

10. Die Erfahrungen der Städte für die Konferenz zur Zukunft Europas nutzen:

Die deutschen Städte sind aktiv im Bürgerdialog und zuvorderst in der Europaarbeit unterwegs – sei es über Städtepartnerschaften, Bildungs- und Jugendarbeit oder die Durchführung von EU-geförderten Projekten. Der Deutsche Städtetag fordert die Bundesregierung daher dazu auf, die Beteiligung der kommunalen Ebene über ihre Spitzenverbände bei der Zusammensetzung der Konferenz sicherzustellen.

DK

 

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