Um die im Zusammenhang mit dem Coronavirus geltenden Regeln einhalten zu können, fand die konstituierende Landkreisversammlung nicht wie ursprünglich geplant zweitägig in der Stadthalle Erding, sondern eintägig in der Therme Erding statt.
Corona als größte Herausforderung
Wie Gastgeber Landrat Martin Bayerstorfer erklärte, hätten zuvörderst die Landkreise den Infektionsschutz umgesetzt. Ohne die Landratsämter wäre die rasche Eindämmung nicht möglich gewesen. Corona bezeichnete er als die „größte Herausforderung seit Jahrzehnten – schwieriger zu bewältigen als die Flüchtlingskrise“. Erdings Oberbürgermeister Max Gotz dankte den Landkreisen für ihr Krisenmanagement; es sei schnell und richtig gehandelt worden. Auch habe die Pandemie gezeigt, wie wichtig die Vereine für die Gesellschaft sind.
Aufgrund der enormen, durch Corona ausgelösten kommunalen Herausforderungen, wurden die Ausführungen des Bayerischen Staatsministers des Innern, für Sport und Integration, Joachim Herrmann, MdL, mit besonderer Spannung erwartet.
Tragende Rolle der Kommunen
Zunächst hob er die tragende Rolle der Kommunen, darunter insbesondere auch der Landkreise, bei der Bewältigung der Corona-Krise hervor: „Ein starkes Bayern braucht starke Kommunen und umgekehrt. Das gilt jetzt, im erstmalig seit der Nachkriegszeit geltenden bayernweiten Katastrophenfall seit 16. März 2020, mehr denn je. Nur gemeinsam mit solidarischem Handeln können wir diese schwierige Situation meistern. Ich bedanke mich insbesondere bei den Führungsgruppen Katastrophenschutz für den unermüdlichen Einsatz rund um die Uhr.“
Oberstes Ziel: Schutz der Gesundheit
Oberstes Ziel blieben weiterhin der Schutz der Gesundheit und die Stabilität des Gesundheitssystems in Bayern. Gerade in dieser Pandemiesituation habe sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Verwaltung für das Gemeinwesen ist, erklärte Herrmann. Die Staatsregierung habe daher die Landratsämter durch den kurzfristigen Einsatz von insgesamt 3.800 Mitarbeitern aus allen Ressorts mit nachgeordneten Bereichen massiv mit Personal verstärkt.
Herausragendes Engagement der Verwaltungen
Die Leistungen der Kommunen in Corona-Zeiten zeigten sich laut Minister vor allem bei der Durchführung der Gemeinde- und Landkreiswahlen am 15. März sowie der Stichwahlen am 29. März: „Insbesondere die Durchführung der Stichwahlen als reine Briefwahlen wäre ohne das herausragende Engagement der Verwaltungen in den betroffenen Gemeinden und Landkreisen gar nicht leistbar gewesen. Die zahlreichen Aufgaben, die die Landratsämter erledigen müssen, erfordern auch weiterhin eine entsprechende Personalausstattung.“
Für die Jahre seit 2019 bis 2022 sei ein Zuwachs in vier Stufen zu je 70 Stellen um insgesamt 280 Stellen vorgesehen. In enger Abstimmung mit dem Bayerischen Landkreistag könne damit auf Bedarfe an Fachpersonal insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Veterinärdienst und dem öffentlichen Gesundheitsdienst reagiert werden.
Kommunaler Finanzausgleich erneut auf Rekordniveau
Finanziell sollen die Kommunen Herrmann zufolge weiterhin gut auf eigenen Beinen stehen können. Noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Staatsregierung beschlossen, die Leistungen des kommunalen Finanzausgleichs 2020 auf ein erneutes Rekordniveau zu erhöhen.
„Mit rund 10,29 Milliarden Euro knacken wir erstmals die zehn Milliarden Euro-Schwelle und haben ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 316 Millionen“, stellte der Kommunalminister fest. Erfreulich sei, dass die kommunalen Steuereinnahmen im Freistaat 2019 – ausgehend von einem Rekordniveau in 2018 – nochmals um 2,4 Prozent auf rund 20,5 Milliarden Euro gestiegen sind.
Klar positionierte sich Herrmann zum Gesetzentwurf des Bundes für eine Reform der Notfallversorgung: „Für den in meinen Zuständigkeitsbereich fallenden Rettungsdienst betone ich: Für die Rettungsdienste sind die Länder und nicht der Bund zuständig! Und dieser im Grundgesetz verankerten Zuständigkeit wird der Gesetzentwurf des Bundes nicht gerecht.“
Bayerische Rettungsstrukturen erhalten
Der Minister kritisierte scharf, dass der Gemeinsame Bundesauschuss bezogen auf den Rettungsdienst künftig weitreichende Befugnisse erhalten soll. „Ich werde mich im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen, dass die in Bayern vorhandenen und bewährten Rettungsstrukturen auf jeden Fall erhalten bleiben“, unterstrich Herrmann. Die Struktur der bayerischen leistungsstarken Krankenhäuser, insbesondere auch der kommunalen, habe sich in der Corona-Krise einmal mehr bewährt.
Nach seiner Wiederwahl wies Landkreistagspräsident Bernreiter darauf hin, dass sich die bayerischen Landkreise als Folge der Corona-Krise heuer auf Steuereinbußen in Milliardenhöhe einstellen. Allein bei den Gewerbesteuereinnahmen gehe es voraussichtlich um Einbrüche von rund 20 bis 25 Prozent. Zudem rechne das Finanzministerium mit Steuerausfällen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, die sich 2021 bei den Leistungen aus dem Finanzausgleich auch in den Kommunen bemerkbar machen werden. Damit fehlten den Kommunen voraussichtlich rund 700 Millionen Euro.
Vorschläge der Landkreise zum Bürokratieabbau
Laut Bernreiter wird in Zukunft die Kernfrage sein, „was man sich alles leisten will und was man sich alles leisten kann“. Bereits in wirtschaftlich guten Jahren seien regelmäßig neue Rekordwerte bei den Sozialausgaben verzeichnet worden. So seien etwa die Kosten für Kinder- und Jugendhilfe von 300 Millionen Euro im Jahr 1990 auf aktuell zwei Milliarden Euro gestiegen. Vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit sehr hohe Standards etabliert wurden, etwa mit dem Angehörigenentlastungsgesetz, stelle sich die Frage, „wo auch jeder Einzelne selbst wieder mehr tun muss“, bemerkte der Präsident. Schließlich seien zugleich steigende Ausgaben zu erwarten. Mehr Menschen werden Anspruch auf Hartz IV haben. Die Landkreise hätten vor der Krise knapp 100 Vorschläge unterbreitet, wie Bürokratie abgebaut und dadurch Einsparungen vorgenommen werden könnten.
Wirtschaft entscheidend für kommunale Steuereinnahmen
Bernreiter rief alle Verantwortlichen dazu auf, sich der Wirklichkeit zu stellen und die kommunale Handlungsweise danach auszurichten. Der Slogan „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts!“, gelte heute mehr denn je. Für den Verbandschef ist die bayerische Wirtschaft der Dreh- und Angelpunkt der kommunalen Steuereinnahmen und damit kommunaler Investitionen.
Wichtiger denn je seien der gesellschaftliche Zusammenhalt und der soziale Friede. Auch gelte es, eine weitere Landflucht zu verhindern, die Infrastruktur auszubauen und die Digitalisierung – gerade auch in der Verwaltung – voranzutreiben. Immer noch seien 70 Prozent der Verwaltungsverfahren schriftlich und mit persönlichem Erscheinen verknüpft.
Was den flächendeckenden Erhalt der medizinischen Grund- und Regelversorgung anbelangt, scheint sich die Stimmung derzeit zu Gunsten der Kreiskrankenhäuser zu drehen. Der jahrelange Ruf aus Berlin nach lediglich 50 Häusern für Bayern (aktuell 372) ist vorerst verstummt. Auch die ursprünglich geplante Reform der Notfallversorgung mit empfindlichen Eingriffen in die Entscheidungsstrukturen vor Ort sowie die Pflegepersonaluntergrenzen, die teilweise zu abgemeldeten Stationen und aus dem Urlaub zurückgerufenen Pflegekräften geführt haben, scheinen noch einmal auf den Prüfstand zu kommen. Auf diese Weise könnte Corona zur Blaupause für die Flächenversorgung und die Bettenkapazitäten werden. Bernreiter glaubt dies allerdings erst, „wenn es im Gesetzblatt steht“.
Für die Zukunft gut gerüstet
Trotz Corona-Krise fühlen sich Bayerns Landräte für die Zukunft gut gerüstet. Neben der Mitwirkung an einem stabilen Verlauf der Pandemie fokussieren sie ihre Kräfte deswegen vor allem auf Megathemen, wie das Ankurbeln der Wirtschaft unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte und die Weiterentwicklung dessen, was sie unter dem Stichwort „Heimat 2030“ bereits in der zurückliegenden Kommunalwahlperiode angesto-
ßen und aufgebaut haben.
DK