Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2020)
gz deutscher landkreistag

► Deutscher Landkreistag in Fürstenfeldbruck:

 

Keine Entfremdung von Stadt und Land

 

Mobilitätsangebote in der Fläche, die Finanzlage der kreisangehörigen Gemeinden sowie eine mögliche Übernahme kommunaler Altschulden in einzelnen Bundesländern standen auf der Agenda der 300. Präsidialsitzung des Deutschen Landkreistags im Landratsamt Fürstenfeldbruck.

Das Präsidium des Deutschen Landkreistags. Bild: Landratsamt Fürstenfeldbruck
Das Präsidium des Deutschen Landkreistags. Bild: Landratsamt Fürstenfeldbruck

Laut DLT-Präsident Reinhard Sager„begrüßen wir, dass die Verkehrspolitik des Bundes neben der Ausrichtung auf den Klimaschutz erkennbar auch einen stärkeren Fokus auf die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in der Fläche legt. Die Streichung der Beschränkung auf Verdichtungsräume und die intensivere Förderung von Maßnahmen der Schienenelektrifizierung im GVFG-Bundesprogramm sowie die Erhöhung der Regionalisierungsmittel sind der richtige Weg.“ Nun komme es entscheidend auf die Länder an. „Von ihnen erwarten wir den vollen Abruf der Mittel und keinen Ersatz eigener Gelder“, forderte Sager.

Förderung der Mobilität

Durch die Öffnung des GVFG-Bundesprogramms sei eine nachhaltige Unterstützung der Mobilität in den Landkreisen möglich. „Die Erstreckung der Förderung auf die Fläche ist eine wirkliche Weiterentwicklung, die wir sehr begrüßen.

Ländliche Räume fördern

Die Streichung der Beschränkung auf Verdichtungsräume wird einen Beitrag zur weiteren Verbesserung der Attraktivität ländlicher Räume leisten und regionale Strecken besser als bislang unterstützen“, so die Einschätzung des DLT-Präsidenten. So sei etwa neu in den Förderkatalog aufgenommen worden (zunächst befristet bis 2030), die Grunderneuerung und Modernisierung im Bereich des schienengebundenen ÖPNV sowie von Bahnhöfen und Haltestellen zu unterstützen. Neu aufgenommen werden soll zudem die Elektrifizierung und Reaktivierung von Schienenstrecken und der Bau und Ausbau von Tank- und Ladeinfrastrukturen für alternative Antriebe. Hier wie dort ist eine gesenkte Förderschwelle von 10 Mio. Euro vorgesehen.

Zielgerichteter Einsatz der Gelder

Mit Blick auf die Erhöhung der Regionalisierungsmittel muss aus Sagers Sicht noch sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Gelder ausschließlich der Verbesserung der Verkehrsangebote zur Verfügung stehen und nicht in die Trassenentgelte gehen. „Wir haben schon zu Beginn des völlig überhastet eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens darauf aufmerksam gemacht, dass dazu eine gesetzliche Änderung nötig ist, und sind froh, dass der Bundesrat diese Forderung aufgegriffen hat“, erklärte Sager. Die zusätzlich vom Bund bereitgestellten Mittel müssten unbedingt vollumfänlich ausgeschöpft werden, damit die Fläche einen Nutzen davon habe. Hier stünden nun insbesondere die Länder in der Pflicht.

Generell sprach sich der DLT-Präsident für eine neue Verkehrspolitik aus, die ausgewogen Stadt und Land in den Blick nehme und sich am Maßstab gleichwertiger Lebensverhältnisse orientiere. „Die erforderliche Mobilitätswende spielt sich in der Stadt und auf dem Land ab. Die Vision einer autofreien Kommune konzentriert sich allerdings bislang fast ausschließlich auf die Großstädte. Elektrofahrzeuge und andere alternative Antriebe können aber vor allem in der Fläche ein wichtiger Lösungsbaustein sein.

Soll Elektromobilität oder die Wasserstofftechnik breite Akzeptanz finden, muss entsprechende Infrastruktur mit Unterstützung von Bund und Ländern noch weiter und verstärkt flächendeckend ausgebaut werden. Auch autonome Fahrzeugkonzepte sollten vorrangig in der Fläche erprobt werden“, unterstrich Sager.

Kreisumlage nach bestem Wissen und Gewissen

Mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung zur Kreisumlage und der damit im Zusammenhang stehenden Finanzlage der kreisangehörigen Gemeinden meinte der Landkreistagschef:

„Nach dem klarstellenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai letzten Jahres ist zu hoffen, dass sich die Diskussion an dieser Stelle beruhigt und die völlig überzogene ‚Erfindung‘ von Verfahrenspflichten der Landkreise bei der Kreisumlagefestsetzung rasch ein Ende findet. Die Festsetzung der Kreisumlage durch die Kreistage erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen.“ Die Verfahrensanforderungen könnten die Landkreise selbst gestalten.

Die Durchführung eines formalisierten Anhörungsverfahrens sei laut Bundesverwaltungsgericht gerade nicht zwingend geboten. Sager zeigte sich erfreut, dass dies vom OVG Saarlouis bereits in einem ersten Revisionsverfahren nach der Richtigstellung durch das Bundesverwaltungsgericht konsequent berücksichtigt worden sei.

Festlegung durch den Landesgesetzgeber

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Mai 2019 entschieden, dass kreisangehörige Gemeinden vor Festlegung der Höhe des Kreisumlagesatzes nicht förmlich angehört werden müssen. Es lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen, auf welche Weise der Finanzbedarf der von der Kreisumlage betroffenen Gemeinden zu berücksichtigen sei. Daher obliege die Festlegung des betreffenden Prozederes vorrangig dem Landesgesetzgeber. Gebe es derartige Regelungen nicht, müssten die Landkreise entsprechende Verfahrensregelungen treffen.

Im Jahr zuvor hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren zur Kreisumlage im Landkreis Forchheim ebenfalls ein formales Anhörungsverfahren nicht für notwendig erachtet, um den Finanzbedarf der Gemeinden zu ermitteln.

Gedeihliches Miteinander von Kreisen und Gemeinden

Sager sprach sich vor diesem Hintergrund für ein gedeihliches Miteinander zwischen Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden aus: „Landkreise und Gemeinden sind eine kommunale Familie, in der überörtliche Aufgaben wie die Vorhaltung von Krankenhäusern, Gymnasien und Berufsschulen, Kreisstraßen, des ÖPNV oder die Abfallentsorgung im Interesse und zum Nutzen der Gemeinden von den verwaltungsstärkeren Landkreisen verantwortet werden. Deshalb gilt es, verantwortungsvoll miteinander umzugehen, wobei uns das geltende Recht den Rahmen dazu liefert.“

Wesentlich sei, aus der Rechtsprechung keine neuen Unsicherheiten oder Missverständnisse abzuleiten, sondern sie zu sehen wie sie sei: eine befriedende Auslegung des geltenden Rechts: „Die Landkreise haben keinerlei Interesse an Konfrontation und Konflikten im kommunalen Raum“, so Sager.

Erneut hat sich der Kommunalverband klar gegen eine mögliche Übernahme kommunaler Altschulden in einzelnen Bundesländern durch den Bund positioniert und stattdessen mehr Zukunftsinvestitionen in gleichwertige Lebensverhältnisse gefordert. Präsident Landrat Reinhard Sager:

„Die Bedingungen für eine Altschuldenübernahme sind überhaupt nicht erfüllt. Keines der betroffenen Länder hat sich in den vergangenen Monaten zu seiner Alleinverantwortung für die finanzielle Lage seiner Kommunen bekannt und dargestellt, wie es eine künftige Unterfinanzierung seiner Kommunen unterbinden werde. Es geht zudem bei der Gleichwertigkeit vor allem darum, nach vorne gerichtet etwas für die ländlichen, aber auch für die strukturschwachen Räume zu tun und dadurch das Land zusammenzuhalten sowie einer fortschreitenden Entfremdung von ländlichen und städtischen Räumen entgegenzuwirken. Das rückwärtsgewandte Abtragen kommunaler Altschulden im Ruhrgebiet, in Rheinland-Pfalz und dem Saarland durch den Bund wäre kein zukunftsweisender Beitrag zur Erreichung dieses Ziels. Der Bund sollte nicht die falschen Prioritäten setzen und durch unsolidarisches Verhalten die Ziele der Gleichwertigkeitsdebatte in ihr Gegenteil verkehren.“

Zukunftsorientierung für gleichwertige Lebensverhältnisse

Statt der Altschuldenfrage solle der Bund besser zukunftsorientierte Maßnahmen im Rahmen gleichwertiger Lebensverhältnisse finanzieren, bekräftigte er: „Wir brauchen dringend eine wirksamere Struktur- und eine bessere Förderpolitik. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Mittel für einen besseren und schnelleren Breitband- und Mobilfunkausbau sowie die Verkehrswende, da in diesen Bereichen mit Blick auf den Standort Deutschland und damit Wohlstand und Zukunft unseres Landes kraftvoll investiert werden muss.“ Gerade aus Sicht der ländlichen Räume sei dies von großer Bedeutung, die den weit überwiegenden Teil Deutschlands ausmachten.

Mit Blick auf die finanzielle Ausstattung von Landkreisen, Städten und Gemeinden wies Sager darauf hin, dass der Deutsche Landkreistag etwa einen Rechtsstreit um den kommunalen Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz begleitet, über den das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. „Es geht um die Stadt Pirmasens und den Landkreis Kaiserslautern, die beide mehr Geld vom Land fordern, hergeleitet aus der Gewährleistung des Grundgesetzes im Hinblick auf eine angemessene kommunale Finanzausstattung durch das jeweilige Land“, erläuterte er. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 Gemeinden und Landkreisen ein Klagerecht eröffnet, wenn das Schutzniveau der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach den Landesverfassungen hinter dem des Grundgesetzes zurückbleibe.

Das Land bleibt in der Pflicht

Das Gericht erhalte daher eine weitere Gelegenheit zur Feststellung, dass sich das jeweilige Land nicht aus der finanziellen Verantwortung für seine Kommunen herauswinden könne. „Und genau das meinen wir ebenso in der Frage der Altschulden: Auch hier müssen die Länder für Fehler der Vergangenheit einstehen und die aufgelaufene kommunale Verschuldung gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden abtragen. Das gebietet bereits der gesunde Menschenverstand. Ein Engagement des Bundes wäre deplatziert“, bemerkte der DLT-Präsident.

DK

GemeindeZeitung

Kommunalverbände

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung