Kommunalverbändezurück

(GZ-6-2019)
gz bayerischer gemeindetag

► 3. Bürgermeisterinnenkongress in Starnberg:

 

Frauen führen Kommunen

 

Wie lässt sich der Anteil weiblicher Politiker erhöhen? Dieser Frage gingen 80 Bürgermeisterinnen aus ganz Bayern bei einer Tagung des Bayerischen Gemeindetags in Starnberg unter dem Motto „Frauen führen Kommunen“ nach. Informationsaustausch und Networking standen dabei im Vordergrund.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner gemeinsam mit Bayerns Bürgermeisterinnen. Bildarchiv Bayerischer Landtag – Foto: Rolf Poss
Landtagspräsidentin Ilse Aigner gemeinsam mit Bayerns Bürgermeisterinnen. Bildarchiv Bayerischer Landtag – Foto: Rolf Poss

„Seit der Einführung des Frauenstimmrechts sind nun 100 Jahre vergangen. Gleichwohl gibt
es immer noch demokratische Defizite“, führte Gemeindetags-Direktorin Cornelia Hesse in ihrer Begrüßung aus. Die Politik werde nach wie vor von Männern dominiert. Der Frauenanteil im Bundestag liege seit den Wahlen 2017 bei rund 30 Prozent und sei damit um sechs Prozent niedriger als in der Wahlperiode davor. Im Europäischen Parlament beträgt die Quote 36 Prozent. Der Bayerische Landtag wartet dagegen mit einem Frauenanteil von knapp 27 Prozent auf.

Weit entfernt von Parität

„Von einer Parität bei der Verteilung der Mandate in den Parlamenten sind wir noch weit entfernt“, bemerkte Hesse. Gerade in Kommunalparlamenten seien Frauen unterrepräsentiert. Der Frauenanteil im Bürgermeisteramt liege bei rund 9 Prozent, im Jahr 1996 waren es noch 2,2 Prozent. „Wenn das so weitergeht, sind wir 2050 bei knapp der Hälfte angelangt“, bemerkte Hesse und motivierte die anwesenden Rathauschefinnen, weitere Frauen zur Mitwirkung zu animieren.

Basis der Demokratie in den Kommunalparlamenten

„Die Demokratie hat ihre Basis gerade in den Kommunalparlamenten. Dort ist außerdem das Lebensumfeld der Menschen ganz unmittelbar betroffen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Frauen dort ihre persönlichen Erfahrungen, Sichtweisen und Kompetenzen einbringen“, betonte Carolina Trautner, die als Staatssekretärin im bayerischen Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales mit Ministerin Kerstin Schreyer die einzige weibliche Doppelspitze bildet.

Parteien müssen auf die Frauen zugehen

Trautner zufolge müssen die Parteien auf die potenziellen Mandatsträgerinnen zugehen und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Wenn Positionen frei werden, sei gezielt nach qualifizierten Frauen Ausschau zu halten – gerade bei attraktiven Ämtern wie „Oberbürgermeisterin“ oder „Landrätin“. „Deshalb haben wir den Auftrag, die vielseitigen und spannenden Seiten eines politischen Amtes gezielt an Frauen zu kommunizieren. Das Berufsbild ‚Bürgermeisterin‘ muss als realistisches, politisches und berufliches Ziel in den Köpfen der Frauen ankommen.“

Außerdem würden geeignete familienpolitische Rahmenbedingungen benötigt, die Frauen dazu motivieren, sich für ein politisches Amt zu entscheiden, fuhr Trautner fort. Denn gerade für Frauen bedeute das „in die Politik gehen“, oft einen dreifachen Spagat zwischen Beruf, Familie und politischem Mandat. Es gelte, Sorge dafür zu tragen, dass sie für diesen Balanceakt die notwendigen Freiräume bekommen.

Klar sei aber auch, dass die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Engagement nur mit den Männern gemeinsam funktioniert, machte die Staatssekretärin deutlich. Deshalb dürfe Familie nicht als rein weibliche Aufgabe gesehen werden. „Und zwar genauso wenig, wie Politik als reine Männerdomäne gelten sollte!“
„Wir Frauen sind aber auch selbst gefordert“, hob Trautner hervor. Manche Frauen neigten dazu, Chancen verstreichen zu lassen, weil sie an sich selbst zweifeln und den Vortritt doch lieber jemand anderem überlassen. „Wenn ich gefragt werde, was ich Frauen für ihre politische Karriere raten würde, kann ich nur antworten: Traut Euch was! Zeigt Eure Stärken!“

Diversity-Initiative

Laut Claudia Scheerer, Leiterin Unternehmenskommunikation Konzern Versicherungskammer, „müssen wir uns nicht nur auf den demografischen Wandel, sondern auch auf die Veränderungsgeschwindigkeit durch die Digitalisierung einstellen“. Deshalb fördere der Kommunalversicherer heute nicht mehr nur Frauen, sondern habe eine Diversity-Initiative ins Leben gerufen, bei der es darum geht, unterschiedliche Kompetenzen zu fördern, den veränderten Anforderungen an die Arbeitswelt gerecht zu werden und diese mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens in Einklang zu bringen. Wichtig dabei sei: „Unser Programm basiert auf freiwilligem Engagement. Die einzelnen Maßnahmen werden eigeninitiativ und selbstorganisiert von Arbeitsgruppen vorangetrieben. Ein kleines zentrales Team bündelt diese immer wieder. Die Gruppen werden zudem von Paten aus dem Konzernvorstand unterstützt.“

Ideenvielfalt

Verschiedene Erfahrungen, Talente, Herkünfte – all dies bringe eine hohe Ideenvielfalt, die der Konzern, der bereits heute rund 100 Berufe umfasst, aktiv fördern wolle. Die Mitarbeiter seien überwiegend in Vollzeit tätig, die Teilzeitquote nehme aber zu. Die Belegschaft bestehe etwa hälftig aus den Babyboomern und aus jungen Nachwuchskräften, die sich eine Welt ohne Internet gar nicht ausmalen können. 51 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.

Aus der 2012 gegründeten Fraueninitiative sind Scheerer zufolge viele gute Dinge entstanden, z.B. ein Job-Sharing Modell, das früher nicht denkbar gewesen sei. „Mit dem Modell haben sich zwei Frauen eine Führungsstelle geteilt und das klappt prima. Wir werben sehr dafür, dass sich das Modell weiter verbreitet“, so die Leiterin Unternehmenskommunikation.

Auf die Fraueninitiative zurück zu führen sei auch das stärkere Vorantreiben von „Arbeiten im Home Office“, „was in vielen Unternehmen bereits deutlich stärker verbreitet ist, bei uns nun aber auch zunehmend – und nicht nur von Frauen – in Anspruch genommen wird“. Zudem habe der Konzern Versicherungskammer es geschafft, den Anteil der weiblichen Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren zu erhöhen.

Entsprechend entwickelte die Diversity-Arbeitsgruppe ein Konzept für das Symposium „Frauen und Karriere – wir zeigen wie!“, das den Teilnehmerinnen – Frauen im Alter von 20 bis 35 Jahren – zeigt, dass die Verbindung Karriere und Familie funktioniert. Neben einer Podiumsdiskussion mit Kollegen und Kolleginnen gibt es Infostände, bei dem die Besucherinnen ihre eigenen Fragen stellen und sich über Angebote im Konzern informieren können. Ziel ist es, an-
deren Frauen Mut zu machen.

Austausch zwischen den Generationen

Eine weitere Arbeitsgruppe der Diversity-Initiative hat sich mit dem Themenfeld „Generationen“ befasst. Um den Austausch zwischen den Generationen zu fördern, wurden im Jahr 2016 Generationen-Tandems, bestehend aus einem jungen und einem erfahrenen Mitarbeiter, installiert. Bei regelmäßigen Treffen geben die Erfahrenen das Wissen aus ihrem jahrelangen Berufsleben weiter. Im Gegenzug können die Jungen beispielsweise neue Herangehensweisen oder technisches Know-how vermitteln.

Eine Weiterentwicklung der Generationen-Tandems ist das Reverse-Mentoring. Dort wird die klassische Rolle umgedreht und Vorstände und Führungskräfte lernen von den Auszubildenden. Das Konzept findet gerade in Zeiten der Digitalisierung immer mehr Anklang. Denn Führungskräfte können von der jungen Generation erfahren, wie sie die digitale Welt heute erleben und sich in Zukunft vorstellen.

Scheerers Fazit: „Wir sind klein gestartet mit rund 15 Frauen. Bis heute haben sich bereits über 1.000 Personen aus allen Hierarchie-Ebenen beteiligt und es sind 12 neue Konzepte für unser Haus entstanden. Und es geht munter weiter – soeben ist die nächste Runde mit Freiwilligen gestartet – diesmal rund um das Thema Musterbrecher.“

Sachorientierte Diskussionskultur

Was sich in der (Kommunal-) Politik ändern müsste, damit Frauen sich mehr beteiligen, erforscht Barbara Thiessen, Professorin an der Hochschule Landshut, in dem Projekt „Demokratie – Partizipation – Vielfalt. Frauen in der Kommunalpolitik im ländlichen Raum (FRIDA)“. Thiessen stellte fest, dass das Interesse an Politik bei Männern und Frauen zunächst gleich hoch sei. Allerdings würden frauenspezifische Themen in der männerdominierten Politik oftmals als im Vergleich unwichtig erachtet. Straßenbau sei wichtig, soziale Themen weniger.

Darüber hinaus seien Frauen eher an einer sachorientierten Diskussionskultur interessiert. Persönliche Angriffe und sexistischer Umgang, wie teilweise in Kommunalparlamenten vorzufinden, hätten eine abschreckende Wirkung. Zudem übernähmen Frauen gerade in ländlicheren Gegenden oft mehr Verantwortung in der Familie. Gemeinderatssitzungen am Abend seien damit schlecht in Einklang zu bringen.

Parteien müssen sich ändern

Die ernüchternde Bilanz auf Kommunalebene belegte Landtagspräsidentin Ilse Aigner mit folgenden Zahlen: In Bayern sind nur drei von 25 Oberbürgermeistern Frauen, bei den Landräten sogar nur vier von 71. Insgesamt stellen Bayerns Frauen – bei großen regionalen Unterschieden – im Schnitt nur etwa 25 Prozent der Vertreter in den kommunalen Vertretungsorganen. Dabei zeichne sich allerdings ein klarer Trend ab: Je größer die Stadt, umso höher der Frauenanteil.

„Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Parteien – zumindest ein Stück weit“, unterstrich Aigner. Um Maßnahmen für eine höhere Repräsentanz von Frauen in der bayerischen Volksvertretung auszuloten, hat die Präsidentin zu einer fraktionsübergreifenden Runde der frauenpolitischen Sprecherinnen in den Bayerischen Landtag eingeladen. Seit vielen Jahren arbeitet nach Aigners Worten auch die Frauen-Union der CSU daran, mehr Frauen in Verantwortung zu bringen – zum Beispiel mit einem Mentoring-Programm. Erfahrene Politikerinnen begleiten dabei politische Einsteigerinnen auf ihrem Weg.

Eine mögliche Gesetzesänderung für die gleiche Anzahl von Frauen und Männern im Parlament war Aigner zufolge Thema eines Treffens von Parlamentarierinnen der Union, SPD, FDP, Grünen und Linken im Bundestag. Gegen diese Gesetzesänderung gibt es freilich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die die Landtagspräsidentin teilt. Nicht ohne Grund sei eine entsprechende Popularklage in Bayern bereits abgewiesen worden. Der Gesetzgeber, so der Bayerische Verfassungsgerichtshof, sei nicht dazu verpflichtet, der bestehenden Unterrepräsentanz von Frauen im Landtag und in kommunalen Vertretungsorganen entgegenzuwirken. „Verfassungsrechtlich ist das also höchst problematisch“, machte Aigner deutlich.

Zauberwort Vernetzung

Abschließend plädierte sie dafür, die öffentliche Aufmerksamkeit für eine höhere politische Repräsentanz von Frauen wachzuhalten und sich zu vernetzen, wo immer es möglich ist. Wichtig seien ein bundesweiter und länderübergreifender Austausch und der Anstoß neuer Initiativen. Dabei sei klar: „Mehr Repräsentanz von Frauen in der Politik lässt sich nur gemeinsam mit den Männern machen.“

DK

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