Kommunalverbändezurück

(GZ-8-2018)
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► BVerfG-Urteil:

 

Aktuelle Grundsteuer ist verfassungswidrig

 
Kommunale Spitzenverbände plädieren für zügige und rechtssichere Reform

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Grundsteuer in ihrer derzeitigen Form für verfassungswidrig erklärt. Begründung: Die bisherige Bewertung führe zu gravierenden Ungleichbehandlungen der Immobilienbesitzer. Allerdings hat das Gericht eine Übergangsfrist bis Ende 2024 gewährt, wobei die entsprechenden Regelungen des Bewertungsgesetzes bis Ende 2019 reformiert werden müssen. In dieser Zeit sind neue gesetzliche Grundlagen für die Besteuerung von Grund und Boden zu schaffen, eine neue Hauptfeststellung durchzuführen und diese zur Basis der Grundsteuer-Erhebung durch die Städte und Gemeinden zu machen, die vor Ort den Hebesatz festlegen.

In einer ersten Stellungnahme unterstrich der Geschäftsführer des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Franz Dirnberger, die Bedeutung der Grundsteuer für die bayerischen Kommunen: „Die Gemeinden können auf die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht verzichten.“ Die Grundsteuer ist die zweitwichtigste kommunale Steuer mit eigenem Hebesatzrecht. Ihr Aufkommen liegt in Bayern bei rund 1,84 Mrd. Euro pro Jahr. Dirnberger zufolge „dürfen diese Finanzmittel nicht ausfallen, auch nicht zeitweise. Denn das würde bedeuten, dass die kommunale Selbstverwaltung in vielen Gemeinden zum Stillstand kommt.“

Gesetzgeberische Konsequenzen

Der Kommunalverband erwartet von Bund und Ländern, dass sie zügig die aus dieser Entscheidung folgenden gesetzgeberischen Konsequenzen ziehen. Laut Dirnberger muss die Grundsteuer so bald wie möglich eine neue rechtssichere und nachvollziehbare Grundlage erhalten. Das Bundesverfassungsgericht überlässt die Entscheidung über ein konkretes Reformmodell dem Gesetzgeber. Dieser hat allerdings die wesentlichen Entscheidungsgründe bei der anstehenden gesetzlichen Neuregelung zu berücksichtigen.

„Die Grundsteuer muss nun endlich auf eine neue gerechte und rechtssichere Grundlage gestellt werden“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg. „Die Einnahmen von jährlich rund 14 Milliarden Euro bilden für Städte und Gemeinden die Grundlage für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben. Ohne diese Gelder wird das Zusammenleben vor Ort und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger gefährdet.“

„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kommt für uns nicht gänzlich unerwartet. Nicht umsonst haben wir bereits seit vielen Jahren eine Reform angemahnt und den Gesetzgeber immer wieder aufgefordert, diese wichtige Steuer auf eine neue Grundlage zu stellen. Es ist anzuerkennen, dass das Bundesverfassungsgericht den besonderen administrativen Aufwand einer neuen Wertermittlung gewürdigt und eine Fortgeltung von fünf Jahren nach Neuregelung festgelegt hat“, so Landsberg. Ein neues Grundsteuermodell müsse nun rasch beschlossen und eingeführt werden, aber auch rechtssicher sein.

Appell an die Bundesregierung

„Jahrelang haben die Kommunen eine Reform gefordert, jetzt werden Bund und Länder vom Verfassungsgericht dazu verpflichtet. Die Städte appellieren dringend an die Bundesregierung und die Länder, die gewährte knappe Frist zu nutzen. Sie müssen sehr zügig eine neue gesetzliche Grundlage für die Grundsteuer schaffen und danach alle Grundstücke neu bewerten. Nur so können die jährlich 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen der Kommunen gesichert werden“, stellte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, fest.

Gesetzliche Grundlage schaffen

Bund und Länder müssten jetzt umgehend die gesetzliche Grundlage schaffen, damit die Länder möglichst schnell mit der Neubewertung aller rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland beginnen können. Nur so könne noch erreicht werden, die Grundsteuer durchgängig zu erheben und vorübergehende riesige Steuerausfälle für die Kommunen zu vermeiden. Die Länder hätten bisher geschätzt, dass diese Reform sechs bis zehn Jahre braucht.

„Wir erwarten, dass die Länder in den Finanzämtern in großem Umfang zusätzliches Personal und Sachmittel bereitstellen, um die Arbeit fristgerecht zu schaffen“, bemerkte Dedy. „Und wir brauchen von Bund und Ländern eine Zusage, dass den Kommunen notfalls alle – auch nur vorübergehenden – Grundsteuer-Ausfälle vollständig ersetzt werden. Schließlich liegt es jetzt allein in der Verantwortung von Bund und Ländern, ob die längst überfällige Reform doch noch fristgerecht umgesetzt werden kann.“

Bundesrats-Modell

Der Deutsche Städtetag sieht eine geeignete Grundlage für eine Reform der Grundsteuer im Bundesrats-Modell aus dem Herbst 2016. Dieses Modell ließe sich nach Einschätzung kommunaler Steuerexperten zügig umsetzen, weil hierfür bereits ein ausgereifter Gesetzentwurf sowie detaillierte Maßnahmenpläne vorliegen. Folgen Bund und Länder diesem Vorschlag, würden unbebaute Grundstücke mit dem jeweiligen Bodenrichtwert bewertet. Bei bebauten Grundstücken käme der Wert des Gebäudes hinzu.

Maßvoll vom Hebesatzrecht Gebrauch machen

Dedy zufolge werden die Kommunen auch nach einer Reform auf dieser Basis maßvoll von ihrem Hebesatzrecht Gebrauch machen. Mit dem Modell des Bundesrates und den damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten von Land und Kommunen lasse sich die Aufkommensneutralität sicherstellen.

„Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Grundsteuer nun zügig reformiert werden muss. Wir sind zu viele Jahre in diesem Thema nicht vorangekommen. Was wir erreichen müssen, ist ein gerechteres System der Grundstücksbewertung. Die Modelle dazu liegen auf dem Tisch. Es ist Zeit für Entscheidungen und nicht für erneute Grundsatzdiskussionen“, hob der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, hervor. Insofern seien die vorhandenen Alternativen anhand des Urteils auf ihre sachliche, zeitliche und politische Umsetzbarkeit zu prüfen. Grundlage sollte das Modell des Bundesrates sein, das sowohl die Vorgaben der Finanzministerkonferenz als auch kommunale Erwartungen erfülle.

Im Zuge einer Neuregelung der Grundsteuer müsse zunächst die Neubewertung der rund 35 Mio. Grundstücke und land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erfolgen. Bei unbebauten Grundstücken würde nach dem Modell des Bundesrates auf die Bodenrichtwerte abgestellt. Bei bebauten Grundstücken werde zusätzlich noch der Wert des Gebäudes erfasst, wobei die Art des Gebäudes und das Baujahr berücksichtigt würden. „Das wäre insgesamt gesehen gerecht und führte mit kommunalindividuellen Hebesätzen zu richtigen Ergebnissen. Ein Effekt wäre hierbei natürlich, dass Eigentümer unterbewerteter Immobilien nicht geschont werden würden, umgekehrt aber auch, dass für bislang überbewertete Immobilien weniger zu zahlen sein würde“, urteilte Henneke.

Mit dem Modell und den darin enthaltenen erweiterten Gestaltungs- und Differenzierungsmöglichkeiten von Land und Kommunen ließen sich die meisten der politisch nicht gewollten Belastungssituationen korrigieren bzw. zumindest deutlich entschärfen. Dies gelte sowohl für Belastungsunterschiede innerhalb einer Kommune als auch zwischen Kommunen sowie ebenso für die Wirkungen der reformierten Grundsteuer im reformierten Länderfinanzausgleich.

Eine einfache, faire und regionalisierte Grundsteuer

„Wir wollen eine einfache, faire und regionalisierte Grundsteuer. Bayern tritt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor für eine Einfach-Grundsteuer ein, die für Bürger und Unternehmen transparent und unmittelbar nachvollziehbar ist“, stellte Bayerns Finanzminister Albert Füracker fest. Die Grundsteuer soll ausschließlich nach physikalischen Größen, nämlich Grundstücksgröße und Geschoßfläche, ermittelt werden. Diese Größen seien nicht streitanfällig und vermieden in Zeiten steigender Immobilienpreise eine Steuererhöhung durch die Hintertür, betonte der Minister.

Laut Füracker sollen die Finanzämter bis zu einer Neuregelung weiter auf der Grundlage von Steuererklärungen die Bemessungsgrundlagen für die Grundsteuer feststellen, damit die Gemeinden nahtlos die Grundsteuer nach den noch festzulegenden neuen Maßstäben erheben können. Die Grundsteuer soll den Gemeinden unter Wahrung ihrer verfassungsrechtlich garantierten Hebesatzautonomie auch in Zukunft als zuverlässige und planbare Einnahmequelle erhalten bleiben. Dies stärke die kommunale Selbstverwaltung.

Grundsätzliche Reform

Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer erwartet, dass die Entscheidung für eine grundsätzliche Reform genutzt wird: „Die Grundsteuer betrifft jeden: Mieter, Eigenheimbesitzer und Unternehmen. Unser Ziel bei der Reform der Grundsteuer ist es, Mehrbelastungen für Bürger und Betriebe zu vermeiden. Gerade auch die Förderung von bezahlbarem Wohnraum und Eigenheimen für Familien gelingt nur bei einer vernünftigen und vorhersehbaren Grundsteuer.“

Pschierer hob in diesem Zusammenhang die Vorzüge des bayerischen Reformkonzepts hervor: „Eine wertunabhängige Einfach-Grundsteuer wäre die Ideallösung. Unser Konzept wäre einfach und schnell umzusetzen und würde genau die Transparenz und Rechtssicherheit herstellen, die wir brauchen. Wir wollen uns darüber hinaus für die Regionalisierung der Grundsteuer einsetzen. Damit lassen sich Steuererhöhungen in Bayern am sichersten vermeiden.“

DK

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