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(GZ-7-2025 - 27. März)
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► KPV-Landesvorstand und Hauptausschuss:

 

Extremismusbekämpfung und Entbürokratisierung im Fokus

 

Die Themen „Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker in Deutschland und Bayern“ sowie „Bürokratieabbau und Deregulierung in den Kommunen“ beherrschten die jüngste (digitale) Sitzung des KPV-Landesvorstands und Hauptausschusses. Hierzu tauschten sich die KPV-Mitglieder unter Leitung des Landesvorsitzenden Stefan Rößle mit Sarah Bitschnau, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus im Bundeskriminalamt, sowie dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Bayerischen Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, Dr. Florian Herrmann, MdL, aus.

Wenn sich ein radikales Aufbegehren gegen politische Entscheidungen nicht nur in legitimem, strafrechtskonformem Protest äußert, sondern in Hass, Hetze und Gewalt umschlägt, ist unser aller Achtsamkeit gefordert. Diesen Kipppunkt frühzeitig zu erkennen und zu verstehen, ist die Voraussetzung für ein vorausschauend-präventives Agieren. In dieser Absicht wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund durch die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus des BKA halbjährlich ein Kommunales Monitoring zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern (KoMo) aufgelegt.

Deutschlandweites Kommunalmonitoring

Laut Sarah Bitschnau, die dieses deutschlandweite Kommunalmonitoring leitet, zeigen aktuelle Umfrageergebnisse des KoMo, dass auf Bundesebene 34 Prozent der befragten Amts- und Mandatsträger Mai und Oktober 2024 Anfeindungen erlebt haben. Die zuletzt erlebten Vorfälle beliefen sich auf verbale/schriftliche Anfeindungen (78 Prozent), Hasspostings im Internet (19 Prozent) und tätliche Übergriffe (3 Prozent). 11 Prozent der zuletzt erlebten Vorfälle wurden zur Anzeige gebracht. Frauen waren signifikant stärker betroffen als Männer (38 Prozent / 28 Prozent ) und hauptamtliche Personen stärker betroffen als ehrenamtliche Personen (39 Prozent / 20 Prozent). Zudem wurden Amtspersonen im städtischen Raum öfter angefeindet als im ländlichen Raum (40 Prozent / 29 Prozent).

Laut der Befunde aus Bayern haben 22 Prozent der Befragten im Zuge der Amtsausübung bereits persönlich erlebt, dass Desinformationen oder KI generierte Deep Fakes über die eigene Person verbreitet wurden. 15 Prozent erlebten dies mehrmals.

Bedrohung für die persönliche Sicherheit

84 Prozent der Befragten sehen durch Desinformation oder KI generierte Deep Fakes eine Bedrohung für die persönliche Sicherheit und politische Karriere im Amtsalltag. 27 Prozent haben ein starkes bis sehr starkes Bedrohungsempfinden. 31 Prozent der Befragten haben an unterschiedlichsten „Orten und Rahmen“ Anfeindungen wie Beleidigung, üble Nachrede/Verleumdung, Bedrohung/Nötigung oder Diskriminierung erlebt.

Dabei haben 22 Prozent den Vorfall ignoriert, 19 Prozent Unterstützung bei Parteifreunden/Kollegen gesucht, 18 Prozent Unterstützung bei Familie und Freunden gesucht, 15 Prozent den Dialog mit dem/der Tatverdächtigen gesucht, 10 Prozent den Vorfall zur Anzeige gebracht, 7 Prozent anderweitig gemeldet, 7 Prozent die Vorfälle erfasst, gesammelt und an Polizei bzw. Justiz weitergegeben und nur 2 Prozent Unterstützung bei einer Beratungsstelle gesucht.

Die Betroffenen fühlten sich Bitschnau zufolge in Bezug auf den zuletzt erlebten Vorfall eher persönlich betroffen/verletzt sowie eher weniger von Sicherheitsbehörden/Justiz geschützt. 84 Prozent berichten von psychischen und/oder physischen Folgen. In 79 Prozent der Fälle waren die Tatverdächtigen des letzten Vorfalls den Betroffenen bekannt. 52 Prozent der Tatverdächtigen sind wiederholt aufgefallen. In 78 Prozent der Fälle handelte es sich um männliche Tatverdächtige, meist zwischen 40 und 59 Jahre alt und in der jeweiligen Kommune ansässig.

Insgesamt halten 75 Prozent der Befragten die Umsetzung weiterer Maßnahmen zum Schutz von kommunalpolitischen Amts- und Mandatspersonen für erforderlich.

Bayern ist Vorreiter beim Bürokratieabbau

Themenwechsel. „Der Freistaat Bayern ist Vorreiter beim Aufgaben-, Standard- und Bürokratieabbau“, unterstrich Staatskanzleichef Florian Herrmann bei seinem Impulsvortrag zum Thema „Bürokratieabbau und Deregulierung in den Kommunen“. Übermäßige Regulierungen und Verwaltungsaufwand schränkten den Handlungsspielraum von Unternehmen und Kommunen erheblich ein. Es sei dringend erforderlich, bestehende Programme zu optimieren, anstatt neue Förderinstrumente zu schaffen, die nur zusätzliche Bürokratie verursachen.

Herrmann stellte klar, dass die Entbürokratisierung Chefsache in der Bayerischen Staatskanzlei und den Ministerien sei und man gemeinsam mit dem Bayerischen Landtag sowie den kommunalen Verbänden weiter und verstärkt daran arbeiten werde. Mit den Bayerischen Modernisierungsgesetzen und dem konsequenten Abbau von Verwaltungsvorschriften, Rechtsverordnungen und Gesetzen habe die Bayerische Staatsregierung bereits gezeigt, „dass sie Entbürokratisierung kann“. So wurde etwa die Anzahl der Verwaltungsvorschriften bis Ende 2024 um 15 Prozent reduziert und ein Moratorium für neue Verwaltungsvorschriften erlassen.

„Der Aufgaben-, Standard- und Bürokratieabbau ist zu einem wesentlichen Faktor für die Sicherung der bayerischen Kommunalfinanzen geworden“, erklärte KPV-Landesvorsitzender Stefan Rößle. Dass auf diesem Gebiet noch mehr möglich ist, daran ließen sowohl Herrmann als auch die KPV-Mitglieder keinen Zweifel. Die Entbürokratisierung sei eine zentrale Daueraufgabe für alle politischen Ebenen und es gebe immer noch zahlreiche bürokratische Hürden, die ein Hemmschuh für die Effektivität der kommunalen Verwaltungen seien.
Die bayerischen Entbürokratisierungsinitiativen müssten zur Folge haben, dass die bayerischen Kommunen in Zukunft handlungsfähiger und effektiver werden, um sich mehr auf ihre zentralen Kernaufgaben vor Ort konzentrieren zu können, hieß es. Die Entbürokratisierung dürfe nicht nur beim Bürger ankommen, sondern müsse auch die Landratsämter und Rathäuser entlasten.

Mit Blick auf die kommunale Finanzlage wurde darauf hingewiesen, dass steigende Zinsumlagen und Bezirksumlagen die Haushalte der Kommunen stark belasteten. Vor allem die steigenden Sozialausgaben stellten eine Herausforderung dar, weshalb es dringend erforderlich sei, Einsparungen vorzunehmen. Kritisch wurde das Bundesteilhabegesetz gesehen, das hohe Kosten verursache und die kommunalen Budgets erheblich beanspruche.

Was die Infrastruktur und deren Finanzierung anbelangt, brachte Bürgermeister Josef Bauer (Parsberg) eine allgemeine Maut ins Gespräch, um zusätzliche Einnahmen für den Straßenbau zu generieren. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur unverzichtbar seien.

In der Debatte um die kommunale Krankenhausfinanzierung wurde die Aussetzung der Krankenhausumlage für zehn Jahre als notwendige Maßnahme zur finanziellen Entlastung der Landkreise begrüßt. Die anhaltenden Defizite vieler kommunaler Kliniken machten eine grundlegende Reform des Krankenhauswesens unumgänglich.

Patient Krankenhaus

Bürgermeister Stefan Schelle (Oberhaching) verwies auf die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung und forderte wieder mehr Gestaltungsspielraum für Städte und Gemeinden. Gleichzeitig wurde über die hohen Kosten des Wohnungsbaus diskutiert. Vorgeschlagen wurden eine Reduzierung der Bauvorschriften und Normen sowie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Wohnungsbauprojekte.
Besonders kritisch betrachten die Kommunalpolitiker der CSU die jährliche Prüfpflicht für Elektrogeräte in öffentlichen Gebäuden. Diese verursache einen erheblichen Verwaltungsaufwand und hohe Kosten für Kommunen, ohne nachweislich zur Erhöhung der Sicherheit beizutragen. Daher wurde die Forderung nach einer Abschaffung oder Lockerung dieser Vorschrift laut.

Ein weiteres wichtiges Thema war die Förderung von Frauen in der Kommunalpolitik. Der kürzlich abgehaltene Frauenkongress wurde als wichtiger Impuls gewertet, um mehr Frauen für eine Kandidatur bei den Kommunalwahlen 2026 zu gewinnen. Eine weitere Veranstaltung zur gezielten Unterstützung von Kandidatinnen ist für Januar 2026 geplant.

Mit Blick auf das mittlerweile geschnürte milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD verabschiedete die KPV abschließend folgende Kernforderungen:

  1. Das Sondervermögen von 500 Mrd. Euro für Infrastruktur, davon 100 Mrd. Euro für die Länder und Kommunen, was voraussichtlich rund 15 Mrd. Euro für den Freistaat Bayern bedeutet, soll schnell und zielgerichtet bei den bayerischen Kommunen ankommen. Neue bürokratische Förderprogramme sollen hierfür möglichst vermieden werden. Vielmehr sollen die Fördersätze bei bestehenden Programmen insbesondere im Bereich Hochbau, Tiefbau und ÖPNV deutlich erhöht werden.
  2. Es wird eine Aussetzung der Krankenhausumlage (kommunaler Anteil für Krankenhausinvestitionen) für zehn Jahre gefordert. Mit einer alleinigen Finanzierung der Krankenhausinvestitionen durch den Freistaat Bayern können die kommunalen Krankenhausträger, die in aller Regel jährlich hohe Defizite ausgleichen müssen, spürbar entlastet werden. Zudem können damit dringend notwendige Modernisierungen und Umstrukturierungen auf dem Weg gebracht werden.
  3. Die Neuverschuldung des Bundes muss im Sinne der Generationengerechtigkeit in einem überschaubaren Zeitraum auch wieder abgebaut werden. Hierzu schlagen wir einen Entschuldungsplan vor, der unbedingt eingehalten werden muss. Mit den Investitionen einhergehen müssen dringend notwendige Sparmaßnahmen. Der Aufgaben-, Standard- und Bürokratieabbau muss auf Bundes- und Landesebene konsequent weiterbetrieben werden, um die finanzielle Leistungsfähigkeit unserer bayerischen Kommunen auch für die Zukunft zu sichern. Dabei müssen die Chancen der Digitalisierung noch stärker genutzt werden.

DK

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