(GZ-23-2021) |
► Creative Bureaucracy Festival: |
Jugend entscheidet - von der Straße ins Rathaus |
Nicht nur ein Forum für die besten Ideen für die Verwaltung, sondern inzwischen auch ein Motor, um diese Ideen auch umzusetzen, ist das Creative Bureaucracy Festival. Das größte internationale Festival für Verwaltungsinnovation wurde in diesem Jahr erneut digital von der Falling Walls Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung aus Berlin, veranstaltet, und zählte über 18.000 Besucher aus 94 Ländern.
In rund 150 englisch- und deutschsprachigen digitalen Beiträgen mit rund 400 Speakern diskutierten die Teilnehmer an fünf Tagen über die Herausforderungen und Perspektiven für den öffentlichen Sektor. In spannenden Sessions wurden zahlreiche aktuelle Themen wie grundlegende Fragen nach dem Anspruch und der Stärke des Staates (z. B. „Humble Government“ oder soziale Nachhaltigkeit) über die Handlungsfähigkeit der Verwaltung in außergewöhnlichen Situationen (z. B. in Bezug auf Krisenresilienz) bis hin zu konkreten Aspekten der aktuellen Arbeit in der Politikumsetzung (z. B. bei der Beschaffung oder Cybersicherheit) erörtert.
Zum ersten Mal auf der Festival-Agenda stand eine Session mit dem Thema „Jugend entscheidet: Von der Straße ins Rathaus“. Dabei ging es um das Projekt „Jugend entscheidet – wir machen mit“ der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die davon überzeugt ist, dass junge Menschen mitreden wollen und ihre Ideen nicht nur ihnen selbst nützen, sondern die Demokratie bereichern.
Das Projekt bringt zwei Gruppen zueinander, die bislang zu wenig Schnittstellen haben: Kommunalpolitiker und Jugendliche. Aktuell wird die junge Generation kaum durch politische Parteien erreicht und häufig fehlt das Verständnis und die Wertschätzung für Kommunalpolitik. Mit „Jugend entscheidet“ soll das geändert werden: Kommunalpolitiker delegieren reale Entscheidungen an Jugendliche, eingebunden in einen professionell moderierten Prozess. So erfahren Jugendliche, dass sie politisch wirksam sein können, wenn sie sich aktiv beteiligen. Gleichzeitig lernen Kommunalpolitiker die Bedarfe von Jugendlichen besser kennen.
Die Hertie-Stiftung begleitet deswegen in diesem Jahr zehn Kommunen aus ganz Deutschland, darunter die bayerischen Kommunen Bad Hindelang und Neu-Ulm, dabei, eine konkrete lokalpolitische Entscheidung an Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren abzugeben und Jugendbeteiligung vor Ort zu verankern. Insgesamt hatten sich 115 Städte für das Projekt beworben.
Junge Menschen und Kommunen können ihre Städte und Dörfer fit für die Zukunft machen. Dafür braucht es mutige Bürgermeister, die bereit sind, sich auf junge Perspektiven einzulassen, aber auch innovative Verwaltungen, die sich trauen, neue Wege zu gehen. Wie Bad Hindelangs Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel betont, „müssen die Jugendlichen unserer Gemeinde viele Konsequenzen der Entscheidungen tragen, die wir auch für sie treffen. Daher möchten wir mit ihnen gemeinsam ein Konzept für die Zukunft entwickeln. Wir suchen nach Wegen, wie wir es schaffen, die Jugend in Projekte wie ‚Unser Bad Hindelang 2030‘, aber auch in laufende kommunalpolitische Themen einzubinden. Für unsere gelebte Demokratie ist es wichtig, dass bereits Jugendliche sich intensiv mit der Komplexität der Gesellschaft befassen und erkennen, dass jeder Einzelne durch seine Stimme mitgestalten kann, aber dass jede Entscheidung auch mit Konsequenzen verbunden ist. Daher hoffen wir, dass durch eine Beteiligung der Jugend auf Gemeindeebene Demokratie als unmittelbarer Prozess erlebbar und das Verständnis für den Mitmenschen und dessen Bedürfnisse gestärkt wird.“
Die Jugendlichen, so Rödel, sollen die Möglichkeit bekommen, Traditionen und Werte modern zu interpretieren und ihre Sichtweisen einzubringen. „Nur so können wir uns weiterentwickeln und die Dinge, die hier wirklich schön sind, auch erhalten.“
Auch Neu-Ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger sieht in dem Modellprojekt eine große Chance für die Stadt und die Jugendlichen: „Wir erhoffen uns von ‚Jugend entscheidet‘ neue Impulse und neue Perspektiven auf Aspekte, an die Erwachsene vielleicht gar nicht denken.“ „Als junge Stadt passt ‚Jugend entscheidet‘ hervorragend zu uns“, unterstreicht Albsteiger: „2019 haben wir unser 150-jähriges Stadtjubiläum gefeiert. Das Motto war: ‚Wir leben neu.‘ In diesem Zug wollen wir auch das Thema Jugendbeteiligung neu denken. Wir wollen das Demokratieverständnis fördern und junge Menschen in ihrem Engagement für das Gemeinwesen bestärken.“
Für Neu-Ulm ist das Projekt eine Chance für Jugendliche, sich aktiv am Leben und der Entwicklung ihrer Stadt zu beteiligen. Albsteiger zufolge sollen junge Menschen die Erfahrung machen, dass sie die Entwicklung der Stadt konkret beeinflussen, ihre Ideen präsentieren und verwirklichen können. „Hierdurch erhoffen wir uns neue Impulse und neue Perspektiven. Vielleicht auch Hinweise auf Aspekte, an die Erwachsene gar nicht denken.“
Wie Ralph Seiffert, Dezernent für Bildung, Kultur, Sport und Soziales in der Stadtverwaltung Neu-Ulm, im Rahmen der Session „Jugend entscheidet: Von der Straße ins Rathaus“ berichtete, formulierten die Jugendlichen im Rahmen einer eigenen „Stadtratssitzung“ zwölf Anträge zu den Themen Stadtentwicklung, Natur und Umwelt, Freizeitgestaltung und Mobilität, wovon vier (Festival der Kulturen, Pumptrack, Stadtbeleuchtung, Bolzplatz-Sanierung) in die Endrunde kamen. Letztlich müssen sich die Jugendlichen nun für ein Projekt entscheiden, das der Stadtrat in der Folge positiv bescheiden soll und das entsprechend auch umgesetzt wird. Seiffert erhofft sich von „Jugend entscheidet“, noch mehr Werkzeug an die Hand zu bekommen, um den Prozess der Jugendbeteiligung weiter zu steuern.
PS: In der nächsten Projektrunde im Jahr 2022 werden nach Angaben der Hertie-Stiftung 15 Kommunen betreut. Die Ausschreibung hierzu startete am 1. Dezember.
DK
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