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(GZ-7-2021)
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► ORH-Jahresbericht 2021:

 

Gefülltes Corona-Portemonnaie wirksam nutzen

 

Auch für das Haushaltsjahr 2019 bestätigt der Bayerische Oberste Rechnungshof der Staatsregierung eine insgesamt geordnete Haushalts- und Wirtschaftsführung. Wie ORH-Präsident Christoph Hillenbrand bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021 ausführte, „hat der Landtag mit einem Finanzierungsrahmen von 78 Milliarden Euro im Jahr 2020 der Staatsregierung das Portemonnaie im Ländervergleich am besten gefüllt, um die immensen negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie schnell abmildern zu können. Der ORH hält die dafür genutzte Ausnahme von der Schuldenbremse auch 2021 für vertretbar. Freilich dürfen mit den neuen Krediten nur durch die Corona-Krise veranlasste Ausgaben finanziert werden.“

Hillenbrand zufolge belasten diese Schulden dann kommende Haushalte und Generationen noch auf Jahrzehnte. Schon deshalb müssten die kreditfinanzierten Ausgaben transparent, zielgerichtet und wirksam eingesetzt werden. Dies nehme der ORH bei Corona-Soforthilfen und -programmen bereits unter die Lupe.

Nach Angaben des ORH kann die Staatsregierung zur Bewältigung der Corona-Pandemie im Staatshaushalt neue Schulden von bis zu 20 Milliarden Euro aufnehmen; ergänzend sei außerhalb des Haushalts das Sondervermögen BayernFonds mit Kreditermächtigungen von ebenfalls bis zu 20 Milliarden Euro ausgestattet. Rechne man die im Staatshaushalt und im BayernFonds jeweils geschaffenen Bürgschaftsrahmen und Gewährleistungsermächtigungen von zusammen 38 Milliarden Euro dazu, betrug 2020 der finanzielle Corona-Handlungsspielraum der Staatsregierung beachtliche 78 Milliarden Euro. Hiervon wurden bis Ende 2020 rund 10 Prozent in Anspruch genommen. 2021 werden voraussichtlich noch mehr als 70 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Ausnahme von der Schuldenbremse

Der Bayerische Oberste Rechnungshof erkennt an, dass die Corona-Pandemie als Naturkatastrophe auch 2021 eine Ausnahme von der in der Bayerischen Verfassung verankerten Schuldenbremse zulässt. Allerdings weist er mit Nachdruck darauf hin, dass es zwischen der Nettokreditaufnahme und der Notlage einen begründeten und nachvollziehbaren Veranlassungszusammenhang geben muss.

Nicht überzeugt ist der ORH, dass die im Entwurf zum Haushaltsgesetz 2021 enthaltenen 400 Millionen Euro für die Hightech Agenda Bayern Plus unmittelbar mit der Not der COVID-19-Pandemie begründet werden können. Die dafür vorgesehenen 400 Millionen Euro ergänzten und beschleunigten nämlich das schon 2019 beschlossene Sonderprogramm.

Massive Belastung auf Jahrzehnte

Da die kommenden Haushalte aus Sicht des ORH durch die jetzt aufgenommenen Schulden über mehrere Jahrzehnte hinweg massiv belastet werden, hält er es für geboten, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Nettokreditaufnahme möglichst gering zu halten. Wirtschaftliches und sparsames Handeln sowie eine Priorisierung der Ausgaben dürften gerade in der Notsituation nicht vernachlässigt werden. Schnelle und unbürokratische Hilfe sei bei solchen Krisen wichtig, genauso wichtig sei aber, dass die Hilfen in der richtigen Höhe und an die richtigen Empfänger gehen.

2019 fielen die Einnahmen des Freistaates dank der damals kontinuierlich steigenden Steuereinnahmen erneut höher aus als die Ausgaben. Zum neunten Mal in Folge schloss Bayerns Staatshaushalt mit einem positiven Finanzierungssaldo ab. Die Haushaltssicherungsrücklage stieg auf 10,3 Milliarden Euro an. Der ORH merkt an, dass die Ausgaben 2019 im Vergleich zu den Einnahmen weitaus stärker gestiegen sind und die Steigerungsrate erneut deutlich über 3 Prozent lag. Der Schuldenabbau von 50 Millionen Euro erschien ihm als eher gering angesichts der prosperierenden Einnahmen und der noch immer nicht vollständig zur Schuldentilgung verwendeten Kapitalrückzahlungen der BayernLB aus den Jahren 2016 und 2017.

15 Prüfungsergebnisse

Mit dem aktuellen Jahresbericht hat der ORH unter anderem 15 Prüfungsergebnisse vorgelegt. Mit diesen wird sich der Landtag im Einzelnen beschäftigen und dazu ggf. beschließen, welche Maßnahmen die Staatsregierung einleiten soll.

Mängel im Vollzug des Waffenrechts hat der Rechnungshof bei den zuständigen Landratsämtern und kreisfreien Gemeinden festgestellt. Sie würden den an sie gestellten Anforderungen, etwa bei Kontrollen oder Dokumentation, nicht immer gerecht, heißt es. Nicht alle dafür eingesetzten Beschäftigten verfügten über die nötigen Fachkenntnisse im Umgang mit Waffen und Munition. Die zuständigen Aufsichtsbehörden hätten zudem keine aktuellen Informationen zum dafür erforderlichen Personal, obwohl das wesentliche Voraussetzung eines korrekten Vollzugs ist, moniert der ORH nach einer Prüfung des sensiblen Themenfelds: „Das Waffenrecht hält schließlich Gefahren von der Allgemeinheit ab und sollte deshalb strikt umgesetzt werden.“

Sehr hohe Fehlerquote

Ein weiterer Kritikpunkt: Geschätzt 12 Millionen Euro Steuern entgehen dem Freistaat pro Jahr, weil den Finanzämtern bei der Einkommensteuer immer noch zu viele Fehler bei der Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen unterlaufen.

Das Steuerausfallrisiko liegt nach Einschätzung des ORH sogar noch um jährlich 42 Millionen Euro höher. Schon 2012 hatte der ORH eine sehr hohe Fehlerquote festgestellt, die sich nun nach den Ergebnissen einer neuen Prüfung sogar auf 55 % erhöht hat. Die vom Finanzministerium längst versprochene Verbesserung der Bearbeitungsqualität sei nicht eingetreten. Jetzt hält es der ORH für dringlich, konkrete Maßnahmen in Angriff zu nehmen, um die Situation nachhaltig zu verbessern: Die Prüfung der Unterhaltsleistungen brauche erheblich mehr Zuwendung der Steuerverwaltung.

Nicht zum ersten Mal ging der ORH der Frage nach, ob die Regierungen bei der Förderung kommunaler Hochbauten ausreichend prüfen, wie die Kommunen die staatlichen Zuweisungen verwenden. Es geht dabei um jährlich über eine halbe Milliarde Euro staatlicher Haushaltsmittel. Der ORH untersuchte nun 498 kommunale Projekte aus ganz Bayern mit einem Fördervolumen von 312 Millionen Euro. Und wie schon öfter in der Vergangenheit, stellte er auch diesmal zahlreiche Mängel fest. Obwohl sich sogar der Landtag bereits mehrfach mit dem Problem befasst hatte, konnte der ORH immer noch keine durchgreifenden Verbesserungen feststellen. Nach seiner Auffassung ist deshalb der zweckentsprechende und wirtschaftliche Einsatz der Haushaltsmittel nicht sichergestellt.

Mit 96 Millionen Euro förderte der Freistaat zwischen 2012 und 2019 öffentliche touristische Infrastruktureinrichtungen von Kommunen. Dadurch sollte die Tourismusinfrastruktur attraktiver und qualitativ besser sowie der Erholungswert und letztlich die Wirtschaftskraft gesteigert werden. Doch bei keiner der geprüften Maßnahmen konnte nach Angaben des Bayerischen Obersten Rechnungshofs nachgewiesen werden, dass sich die Tourismusinfrastruktur tatsächlich verbessert hat.

Förderprogramme stehen nicht auf den Prüfstand

Parameter, an denen hätte bestimmt werden können, ob der Förderzweck erreicht wurde, hätten durchgängig gefehlt. Sogar Verbesserungen der Barrierefreiheit seien nicht konsequent eingefordert worden. „Dazu passt, dass selbst die Wirksamkeit des Förderprogramms bislang noch nie auf den Prüfstand gestellt wurde, obwohl der Staat damit die touristische Infrastruktur bereits seit den 1970er Jahren fördert. Dabei empfiehlt sich eine solche Evaluation schon vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit zusammenhängenden ökologischen Auswirkungen auf den Tourismus.“ Darüber hinaus kritisiert der ORH auch zahlreiche Fehler bei der Abwicklung des Förderprogramms.

„Auch 15 Jahre nach dem Start der Verwaltungsreform V21 lassen damit fest beabsichtigte Vereinfachungen und Einsparungen bei der Projektförderung im kommunalen Straßenbau weiter auf sich warten. Gerade die Bündelung der Förderverfahren ist bislang erst bei einer Regierung vollständig erreicht“, moniert der ORH überdies.

Er hält es für überfällig, die Reform der Projektförderung nun endlich komplett durchzuziehen, um die erwartete Dividende wirklich erzielen zu können. Außerdem sei es längst an der Zeit, nach 50 Jahren und milliardenschweren Zuwendungen an die Kommunen - zwischen 2000 und 2020 flossen über 3 Milliarden Euro -, den Erfolg dieses Förderprogramms zu evaluieren.

Die durchgängig hohe Nachfrage der Kommunen nach den Fördermitteln ist aus Sicht des ORH noch kein Nachweis dafür, dass diese auch zielgerichtet, wirksam und wirtschaftlich eingesetzt werden.

Herrmann kritisiert Prüfbericht

In einer ersten Reaktion hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Kritik des ORH an den bayerischen Waffenbehörden zurückgewiesen: „Sie leisten hervorragende Arbeit beim Vollzug des Waffenrechts. Sie arbeiten effizient und tragen engagiert dazu bei, dass Bayern eine Spitzenposition im Bereich der Sicherheit und Ordnung im Ländervergleich einnimmt.“

Herrmann sieht insbesondere erhebliche Schwachstellen bei der Erstellung des Prüfberichts:

„Die Analyse des ORH ist methodisch sehr fragwürdig, denn der Bericht beruht auf einer stichprobenartigen Prüfung mittels Fragebogen bei lediglich einem Drittel der Waffenbehörden.“

Ein sonst üblicher Einblick in die Akten habe nicht stattgefunden. Die Abfrage sei in die erste Hochphase der Corona-Pandemie im März/April 2020 gefallen. „In dieser Zeit mussten die Kreisverwaltungsbehörden ganz andere Prioritäten setzen“, machte der Minister deutlich.

Der Fokus der Staatsregierung liege in der Bekämpfung des „problematischen“ Waffenbesitzes. „Hier nimmt Bayern bundesweit eine Vorreiterrolle ein“, so Herrmann. Die Zahl der mit legalen Waffen in Bayern begangenen Straftaten sei äußerst gering. Die Anzahl der Straftaten mit erlaubnispflichtigen und legalen Waffen sei im Berichtszeitraum deutlich zurückgegangen: Von 61 Straftaten im Jahr 2016 über 65 im Jahr 2017 und 36 im Jahr 2018 auf nur noch 17 Straftaten im Jahr 2019.

Mit Blick auf die Beschäftigtensituation stellte Herrmann klar: „Wie in anderen Aufgabenbereichen auch, beispielsweise beim Umwelt-, Jagd- Ausländer- oder Baurecht, fällt es in den Verantwortungsbereich und die Organisationshoheit jedes Landrats oder jedes Oberbürgermeisters, über den Einsatz des Personals selbst zu bestimmen. Wir haben hier keinerlei Weisungsbefugnis.“

DK

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