Kommunale Praxiszurück

(GZ-23-2020)
gz kommunale praxis

► Hate Speech-Beauftragter stellt Bericht vor:

 

Erfolgreich gegen Hetze im Netz

 

Kommunalpolitiker haben bei den einzelnen bayerischen Staatsanwaltschaften direkte Ansprechpartner und können Hetze im Netz online direkt bei den Ermittlungsbehörden melden – denn gerade sie sind die häufigsten Opfer von Hate Speech im Internet. Der Hate Speech-Beauftragte der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, berichtete im Rahmen einer Anhörung im Innenausschuss im Bayerischen Landtag über die Erfolge. Die Strafen sind hoch: Wer vorbestraft ist, den kann ein Hasskommentar direkt ins Gefängnis bringen.

Mittlerweile erhält fast jeder fünfte Amts- oder Mandatsträger in Bayern Todesdrohungen über das Internet. Hartleb ist der zentrale Ansprech- und Koordinierungspartner für die ermittelnden Staatsanwälte und dafür verantwortlich, bayernweit einheitliche Maßstäbe in Bezug auf Hate Speech-Kriminalität zu etablieren. Nach einem Jahr zog er im Innenausschuss des Landtags Bilanz.

Online-Meldeverfahren erfolgreich

Als wirksames Instrument zur Bekämpfung von Hasskriminalität hätte sich das von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und dem Bayerische Justizministerium neu ins Leben gerufene Online-Meldeverfahren erwiesen. Damit können Medienunternehmen in Bayern seit dem Jahr 2019 Hate Speech-verdächtige Inhalte, zum Beispiel auf Facebook, an die Ermittler melden.

Seit diesem Jahr können sich auch politische Mandatsträger unbürokratisch und online direkt an die Ermittlungsbehörden wenden. Als weitere Maßnahme sind bei den nicht-online begangenen Straftaten zudem direkte Ansprechpartner für Kommunalpolitikerinnen und -politiker bei den einzelnen bayerischen Staatsanwaltschaften benannt worden. Diese Ansprechpartner beraten Betroffene, sorgen für eine zügige Ermittlung des Sachverhalts und vermitteln den Kontakt zur Polizei.

Hohe Aufklärungsquote

Minderheiten und Politiker seien die häufigsten Opfer von Hatespeech laut Harleb. Rund 80 Prozent der Hassposts kommen dabei aus dem rechtsextremen Bereich. Ein Großteil der Verfahren betrifft den Tatbestand der Volksverhetzung. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres sind 953 Strafverfahren gegen identifizierte Straftäter eingeleitet worden. 165 Verfahren liefen gegen Unbekannt.

Die Aufklärungsquote bei den Fällen, die über das im Jahr 2019 installierte Online-Meldeverfahren „Justiz und Medien“ zur Anzeige gebracht wurden, lag bei knapp 90 Prozent. Dass Hasskommentare keine Kavaliersdelikte sind, zeigten die verhängten Strafen: Strafen, die bis zu vier Netto-Monatsgehältern hoch sind, wurden verhängt – inklusive Eintragung ins Führungszeugnis.

Spezialisierung der Staatsanwälte

Organisatorisch sieht Hartleb die Justiz in Bayern mittlerweile gut gerüstet. So seien zum Jahreswechsel 2019/20 unterhalb der Stelle des Hate Speech-Beauftragten flächendeckend bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften spezialisierte Sonderdezernate zur Bekämpfung von Netz-Hass gegründet worden.

Für Hartleb ist dabei ein hoher Grad an Spezialisierung der Staatsanwälte „einer der Schlüssel“. Denn die einschlägigen Tatbestände unterlägen nicht nur unbestimmten Rechtsbegriffen, sondern es bedürfe in der Regel auch einer Abwägung der Meinungsfreiheit des Täters mit dem Ehrenschutz des Opfers. All dies erfordere eine hohe Qualifikation der betreffenden Staatsanwälte sowie die Sicherstellung einheitlicher Standards bei der Rechtsauslegung.

Im Sinne einer konsequenten Verfolgung der Täter im Netz müssten darüber hinaus die technischen Fähigkeiten der Staatsanwälte geschult werden, da die Täter oftmals unter Alias-Namen aufträten und gezielt Verschleierungstaktiken anwendeten, um ihre wahre Identität zu verbergen.

Problem: Keinen Zugriff auf Urheberdaten

Die Erfolge der bayerischen Justiz bei der Ermittlung der Verfasser von Hass-Beiträgen dürften jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bisher nur ein Bruchteil der Straftaten überhaupt verfolgbar sei. Nach wie vor gäbe es weite Bereiche im Internet (wie z.B. bestimmte Gaming-Portale), in denen die Staatsanwälte machtlos seien, weil ihnen der Zugriff auf die Daten der Urheber fehlen oder die Hass-Redner sich auf Plattformen bewegten, die Ermittlungen von vornherein unmöglich machen, sagte Hartleb.

Verbesserungsbedarf sieht er zudem bei der Zusammenarbeit mit den sozialen Netzwerken. „Sie reagieren oft gar nicht auf unsere Auskunftsgesuche. Erhebungen der Staatsanwaltschaften haben gezeigt, dass nur jede 20. unserer Auskunftsanfragen bezüglich potenzieller Täter beantwortet wird“.

Besonders problematisch sei es auch, dass in Deutschland keine IP-Adressen – die Adresse eines Computers, mit deren Hilfe der Nutzer eindeutig identifiziert werden kann – gespeichert würden. So würden bestimmte Telemedienunternehmen sogar ausdrücklich damit werben, dass Internet-Adressen über sie nicht nachverfolgt werden könnten. „Zumindest eine gewisse Speicherverpflichtung wird man da einführen müssen“, appellierte Hartleb an die Politik.

Parteien nehmen Bund in die Pflicht

Ob und welche Maßnahmen ausgeweitet werden sollen, war in der anschließenden Debatte im Ausschuss umstritten. CSU und Freie Wähler plädierten für eine längerfristige Speicherung von Verkehrsdaten. So betonte Alfred Grob (CSU), dass gerade die Social-Media Konzerne auch in den USA stärker in die Pflicht genommen werden müssten
und zur längeren Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden sollten. Joachim Hanisch (Freie Wähler) ergänzte, dass auch über präventive Maßnahmen gegen Hate Speech sowie eine stärkere „Waffengleichheit“ zwischen Tätern und Opfern nachgedacht werden müsse.

Einigkeit bestand in der Diskussion darin, dass der Freistaat Bayern nur einen Teil der Lösung gegen Hetze im Netz liefern könne. So seien die Bundesländer zwar für Strafverfolgungsbehörden, also Staatsanwälte und Polizei zuständig, viele der rechtlichen Vorgaben, etwa Änderungen im Strafgesetzbuch oder Impulse für europarechtliche Vorgaben, müssten jedoch durch die Bundesregierung angestoßen werden.

Über die Initiative

Das bayerische Justizministerium und die BLM haben die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ im Oktober 2019 ins Leben gerufen. Seitdem können sich Medienunternehmen in einem einfachen und effizienten Online-Verfahren mit einer Prüfbitte oder Strafanzeige an die Justiz wenden – etwa wegen volksverhetzender Kommentare und anderer strafbarer Inhalte wie Bedrohungen oder Beleidigungen auf den von ihnen betriebenen Plattformen.

Seit Juni 2020 ist der Hate-Speech-Beauftragte der bayerischen Justiz Ansprechpartner. Bereits 112 Medienunternehmen unterstützen die Initiative aktuell mit ihrem Logo; 78 davon beteiligen sich aktiv an dem Projekt und haben sich bereits bei der Staatsanwaltschaft in Sachen strafrechtliche Relevanz von Hate-Speech sowie Übermittlung von Prüfbitten schulen lassen.

Weitere Informationen: www.konsequent-gegen-hass.de/

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung