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(GZ-14-2020)
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► Schutzkonzept für Kommunalpolitiker:

 

Gemeinsam gegen Hasskriminalität

 

Mit Online-Meldeverfahren, festen Ansprechpartnern und nachdrücklicher Strafverfolgung will Bayerns Justiz effektiver gegen Hetze im Netz und Gewalt gegen Kommunalpolitiker vorgehen. Auch die Polizei hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt, das auch Betreuung anbietet. Das Konzept soll deutlich machen: Wer Kommunalpolitiker mit Worten oder Taten angreift, muss mit Konsequenzen rechnen. SPD und Grüne geht das Konzept nicht weit genug. Sie fordern eine zentrale Anlaufstelle, stärkere Demokratiebildung und eine virtuelle Polizeiwache.

Die Zahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in Bayern steigt seit Jahren. Waren es knapp 200 Fälle im Jahr 2017, wurden im vergangenen Jahr laut Innenministerium 272 angezeigt. Bis Ende Mai dieses Jahres gab es bereits 158 gemeldete einschlägige Straftaten. „Die Staatsregierung unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um Angriffe auf Amts- und Mandatsträger konsequent zu bekämpfen und Betroffene bestmöglich zu unterstützen“, sagte Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung des Schutzkonzeptes. Es soll eine klare Botschaft im Kampf gegen Hass und Hetze darstellen.

„Immer wieder schlagen auch Amts- und Mandatsträgern Beleidigungen und Bedrohungen entgegen, in Einzelfällen wird aus Worten Gewalt“, erklärte Justizminister Georg Eisenreich. Gerade auf der kommunalen Ebene sind immer mehr Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit, für politische Ämter zu kandidieren. „Das nehmen wir alsBayerische Staatsregierung nicht hin. Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und -politiker sind auch Angriffe auf unsere Demokratie. Wir stehen unseren Kommunalpolitikern zur Seite.“

Straftaten zur Anzeige bringen

Dazu arbeiten Polizei und Justiz sehr eng und engagiert zusammen. Der Innenminister appellierte an alle Betroffenen, bei entsprechenden Vorfällen unbedingt schnellstmöglich die Polizei einzubinden. „Nur dann können wir eingreifen, Opfer schützen und Täter verfolgen.“ In den vergangenen Monaten haben die Mitarbeiter des Innen- und Justizministeriums Maßnahmen erarbeitet, die sich ergänzen und miteinander vernetzt sind. Ziel ist, gemeinsam konsequent gegen Hass und Hetze vorzugehen.

Maßnahmen der Justiz

Bayerns Justizminister hat die Kommunalen Spitzenverbände Anfang des Jahres zu einem Runden Tisch in das Justizministerium eingeladen, bei dem Maßnahmen zum Schutz von Kommunalpolitikern erörtert wurden. Das gemeinsame Schutzkonzept der Staatsregierung sieht im Bereich der Justiz vor:

1. Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten:

Bislang mussten Kommunalpolitiker Anzeigen schriftlich formulieren und Datenträger beifügen. Künftig können sie Straftaten oder Prüfbitten online an die Justiz melden. Geprüft werden sie von Bayerns Hate-Speech-Beauftragtem, Oberstaatsanwalt Klaus Dieter Hartleb. Minister Eisenreich: „Mit einem Online-Verfahren wollen wir Mandatsträgern künftig erleichtern, Strafanzeige zu stellen.“

2. Feste Ansprechpartner

Insbesondere für „analog“ begangene Straftaten gibt es bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften feste Ansprechpartner, an die sich Kommunalpolitiker wenden können.

3. Nachdrückliche Strafverfolgung:

Verweisungen auf den Privatklageweg kommen in aller Regel nicht in Betracht, die Staatsanwälte übernehmen!

4. Modernisierung:

Eisenreich macht sich zudem für eine umfassende Modernisierung des 150 Jahre alten Beleidigungsstrafrechts stark: Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sollen in schwerwiegenderen Fällen härter bestraft werden können. Auch die Arbeit der Strafverfolger muss nach dem Willen des Justizministers erleichtert werden: „Wir können die Urheber von Straftaten nur effektiv verfolgen und bestrafen, wenn wir sie identifizieren können. Auskunftsersuchen unserer Behörden müssen daher von den Betreibern sozialer Netzwerke ohne Wenn und Aber beantwortet werden.“

Maßnahmen der Polizei

Laut Innenminister Herrmann hat die Bayerische Polizei ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit folgenden Kernpunkten entwickelt:

1. Betreuung durch Experten:

Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger werden von besonders geschulten Experten des Polizeilichen Staatsschutzes bearbeitet. Miteingebunden sind Cybercrime-Spezialisten zur
Sicherung digitaler Spuren.

2. Strafbare Inhalte löschen:

Die Bayerische Polizei wird Plattformbetreiber systematisch auffordern, strafbare Inhalte zu löschen. Soweit eine fristgerechte Löschung nicht erfolgt, ist eine Meldung an das Bundesamt für Justiz vorgesehen, das über die Verhängung empfindlicher Bußgelder entscheiden wird.

3. Schutzmaßnahmen:

Bei einer konkreten Gefährdung prüft die Bayerische Polizei in einem jeden Einzelfall sehr sorgfältig notwendige Personen- und Objektschutzmaßnahmen.

4. Beratung:

Experten der Kriminalpolizei bieten individuelle Beratungen an, beispielsweise zu Schutzvorkehrungen für Wohnung und Büro.

5. Weiterführende Angebote:

Die „Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer“ stehen allen Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite, beispielsweise bei der Vermittlung weiterführender Angebote wie einer psychologischen Unterstützung.

6. Infomaterial:

Darüber hinaus gibt es umfangreiches Infomaterial wie den Flyer „Hate Speech“, die Broschüre „Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern“ sowie eine Handlungsempfehlung für Verantwortliche von behördlichen Social-Media-Kanälen.

Besonders wichtig ist dem Innenminister, dass die Sicherheitsbehörden auch im Internet Straftaten und Hetze wirksam bekämpfen können: „Insbesondere der Zugriff auf IP-Adressen ist unverzichtbar, um Täter aufzuspüren und Taten zu verhindern.“ Eine praxisgerechte Vorratsdatenspeicherung sei deshalb unverzichtbar.

SPD: „Keine neuen Ideen“

Namens der SPD-Landtagsfraktion vermisst deren kommunalpolitischer Sprecher Klaus Adelt neue Ideen. Er fordert eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene und die wissenschaftliche Auarbeitung der Problematik. Seine Partei habe im Bundestag längst einen besseren strafrechtlichen Schutz der Kommunalpolitiker durchgesetzt.

Grüne: „Zu wenig Einfluss“

Die Grünen kritisieren, dass die Einflussbereiche von Polizei und Justiz sind zu eng begrenzt seien, um dem Phänomen Hasskriminalität allumfassend begegnen zu können. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, sieht in dem Maßnahmenpaket „einen ersten guten Anfang, aber noch nicht die große Lösung“.

Sie forderte neben den angekündigten repressiven Maßnahmen auch verstärkte Anstrengungen bei der Demokratiebildung, spezielle Maßnahmen zum Schutz politisch engagierter Frauen vor oft sexualisierter Gewalt und eine Aufklärungs- und Informationskampagne über den gesellschaftlichen Wert kommunalpolitischen Engagements.

Trend zur Verrohung

Der kommunalpolitische Sprecher der Grünen, Johannes Becher, sieht in den aktuell vorgestellten Zahlen von Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträger „einen erschreckenden Trend zur gesellschaftlichen Verrohung, der aus dem anonymen Internet jetzt auch ins kommunale Lebensumfeld überschwappt“. Aus seiner Sicht sind die polizeilich bekannten Fälle jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Er forderte deshalb eine Dunkelfeldstudie als Grundlage für weitere Maßnahmen im Kampf gegen Hass und Hetze.

Virtuelle Polizeiwache

Die für Kommunalpolitiker neu geschaffene Möglichkeit, online Anzeige bei Hasskriminalität zu erstatten, wollen die Grünen auf alle Bürgerinnen und Bürger ausdehnen durch die Einrichtung einer virtuellen Polizeiwache.

„Wer per Tastatur und Mausklick droht und beleidigt, muss auch per Tastatur und Mausklick belangt werden können. Wir brauchen endlich Waffengleichheit zwischen den Betroffenen und den Tätern und Täterinnen“, sagte Schulze.

  

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