Kommunale Praxiszurück

(GZ-19-2019)
gz kommunale praxis

► Nachhaltige Entwicklung nötig:

 

Mehr Vertrauen in Krankenhäuser

 

Notfallzentren, eine Verbesserung der Pflegesituation für Patienten und Personal sowie eine bürgernahe Grundversorgung – über diese Themen diskutierte Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) mit Pressevertretern in München. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen und der Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern liefern dabei geeignete Ansätze, damit Bayerns Krankenhauslandschaft sich nachhaltig und zukunftsversprechend entwickelt.

Hätte Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) die Chance, eine Forderung an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu formulieren, die der Minister noch in diesem Jahr umsetzen müsste, er wüsste sofort, wie sein Appell an den Minister lauten würde. „Eines der größten Probleme in der Gesundheitsversorgung ist die Misstrauenskultur, die den Krankenhäusern aktuell entgegengebracht wird. Die Vorwürfe lauten beispielsweise mangelnde Hygiene oder zu wenig Personaleinstellungen.

Die Konsequenz ist, dass immer mehr Kontrollinstrumente und Sanktionen eingeführt werden. Doch Vertrauensentzug raubt dem Personal die Motivation“, kritisierte Hasenbein. Auch eine fahrlässige Vereinfachung in der Diskussion um die aktuellen Probleme in der Krankenhausversorgung seien ein Problem. „Die Schwierigkeiten reichen vom Fachkräftemangel bis zu existenziellen Problemen, doch als Lösungsvorschläge bekommen die Krankenhäuser nur weitere Belastungen und Bürokratie auferlegt“, sagte Hasenbein.

Als Beispiel nannte er die Diskussion um die Frage, wie viele Krankenhäuser in Zukunft noch notwendig seien. „Selbsternannte Experten“ würden sich mit immer niedrigeren Zahlen überbieten, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Mit abwegigen Thesen wie 60 Krankenhäuser seien für Bayern ausreichend und der pauschalen Aussage, kleine Krankenhäuser würden schlechte Qualität liefern, leistet man keinen Beitrag zur Problemlösung, sondern zur Verunsicherung der Patienten“, sagte Hasenbein.

Kleine unter Druck

Für ihn liegt die Lösung im Strukturwandel. Besonders in den für die Grundversorgung notwenigen kleinen Krankenhäusern bestehe ein Missverhältnis zwischen den umfangreichen Vorhaltekosten und dem vergleichsweise niedrigen Patientenaufkommen. Um dem Anreiz entgegenzuwirken, die Wirtschaftlichkeit durch möglichst hohe Behandlungszahlen zu verbessern, sei eine auskömmliche Finanzierung unabdingbar. Die in einem abgestuften Versorgungsnetz bedarfsnotwendigen Kliniken müssen identifiziert und dann so finanziert werden, dass sie den stetig steigenden Anforderungen auch in Zukunft gerecht werden können. Die Unterfinanzierung der Betriebskosten sowie die mangelnde Investitionskostenfinanzierung durch die Bundesländer würden laut Hasenbein bislang wesentlich dazu beitragen, dass sich insbesondere Grundversorger gezwungen sehen, zusätzliche Leistungsbereiche zu erschließen.

Lösung: Nutzungskonzept

Bei der Krankenhausplanung könnte der Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern in Bayern einen geeigneten Ansatz liefern: Die Krankenhausträger sollen dabei unterstützt werden, für jeden Standort ein passendes Nutzungskonzept zu entwickeln. An zukunftssicheren Umstrukturierungen werde sich der Freistaat aktiv beteiligen, heißt es darin. Das angekündigte Förderprogramm für kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum soll unter der Prämisse stehen, dass der Träger ein nachhaltiges Strukturkonzept vorlegt. Ein solch gezielter Förderansatz kann durchaus geeignet sein, mit einer vorausschauenden Planung neue bedarfsgerechte Wege in der Krankenhausversorgung zu eröffnen.

„Wir müssen bei der Planung jede Region individuell unter die Lupe nehmen um festzustellen, wie eine bürgernahe Grundversorgung sichergestellt werden kann“, sagte Hasenbein.

Zusammenarbeit mit Kommunen

Entscheidend sei dabei die Zusammenarbeit mit den Kommunen. „Die Kommunen müssen in das Nutzungskonzept mit einbezogen werden. Sie sind oft selbst der Krankenhausträger und können die demographische Entwicklung und Verkehrsinfrastruktur der Region bei der Planung mitberücksichtigen.“ Gerade im Flächenland Bayern sei ein Netz aus Grundversorgung und spezialisierten Kompetenzzentren notwendig. Je nach Region müsse ein Krankenhaus mehr stationäre oder ambulante Versorgung anbieten. Dabei bedeute eine Schließung nicht unbedingt eine Verschlechterung für die Versorgung. „Eine Bündelung der Kompetenz an einem Ort muss aber mit den Bürgern diskutiert werden, damit sie Strukturentscheidungen nicht nur als Nachteil wahrnehmen“, sagte der Vertreter der bayerischen Kliniken.

Notfallversorgung in der Region

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) legte Mitte Juli 2019 einen „Diskussionsentwurf“ für ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung vor. Als zentrale, jederzeit zugängliche Anlaufstellen soll an geeigneten Krankenhäusern ein Integriertes Notfallzentrum (INZ) etabliert werden. So manches kleine Krankenhaus in Bayern könnte daher in Zukunft eine attraktive Rolle als regionales Gesundheitszentrum mit ambulanter Versorgung und Leistungen in Pflege und Rehabilitation einnehmen. In dem Entwurf zur Reform der Notfallversorgung des Bundesgesundheitsministers sieht die BKG einige positive Ansätze.

Die ambulante Notfallversorgung in INZ zu bündeln sowie den Sicherstellungsauftrag beim Bundesland, befürwortete Hasenbein. Entscheidend für eine gute Patientenversorgung sei eine funktionierende Kooperation von Klinik und niedergelassenen Ärzten vor Ort. Zusätzliche Bürokratie mit INZ als eigenständige Betriebe im Betrieb Krankenhaus seien hingegen schädlich.

„Wir brauchen eine deutlich stärkere Betreuung der niedergelassenen Ärzte in der Region und Kooperationsverträge mit ihnen“, forderte Hasenbein. Bei der Frage, welche Krankenhäuser als INZ ausgewiesen werden, müsse man sich auf die Krankenhäuser mit einer stationären Notfallversorgung stützen. Aktuell sind das in Bayern 130 der insgesamt 360 Krankenhäuser – ob das ausreiche sei aber fraglich.

Keine Wertschätzung

Beim Thema Fachkräftemangel in der Pflege mache sich laut Hasenbein Ernüchterung in den Krankenhäusern breit. „Klangvolle Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers einer vollen Finanzierung von Tarifsteigerungen und zusätzlichen Stellen in der Pflege gibt es reichlich, die Mitarbeiter in den Krankenhäusern warten aber immer noch darauf, dass die Verbesserungen bei ihnen ankommen“, monierte er.

Mit der Verordnung über Pflegepersonaluntergrenzen bürde man den Pflegekräften zudem eine immense Bürokratie auf und die Patienten hätten davon keinen Nutzen. Im Gegenteil, nachdem Ausnahmen in Notfallsituationen nicht zulässig sind und mit Sanktionen bestraft werden, führt dies immer öfter zu Schließungen von Intensivbetten und Patientenabweisungen.Hasenbein sprach noch ein weiteres Problem in der Pflegesituation an: mangelnde Wertschätzung für den Beruf. „Der Verdienst und die Ausbildung sind oft nicht der ausschlaggebende Punkt, sondern zu wenig Verantwortung und Ansehen für die geleistete Arbeit. Wir brauchen ein neues Berufsbild für die Pflege!“, sagte Hasenbein.

Die BKG forderte deshalb eine gesetzliche Initiative noch in diesem Jahr. Grundlage müsse der Vorschlag von Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG), der Gewerkschaft ver.di und des Deutschen Pflegerats über ein System der Personalbedarfsermittlung in der Pflege sein.

Historische Konstellation

Diese „schon fast historische“ Konstellation, dass Krankenhausträger, Arbeitnehmer und die Vertreter der Pflege einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten, dürfe der Gesundheitsminister nicht ignorieren“, sagte Hasenbein.

Vom Bund forderte er abschließend ein Programm, den Pflegebedarf abhängig von der Region zu ermitteln und auf dieser Basis die Grundversorgung zu finanzieren. An die Länder appellierte er in die Diskussion um den Strukturwandel einzutreten sowie den Mut zu haben, auch unpolitische Entscheidungen zu treffen.

Anja Schuchardt

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung