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(GZ-1/2-2018) 
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► Informationsveranstaltung des AKE Kreisverbandes Unterallgäu in Erkheim:

 

Tragende Säule Wasserkraft

 

GZ Wasserkraft

Von links: Die Bürgermeister Christian Seeberger, Erkheim; Franz Morath, Egg a.d. Günz; Bernhard Kerler, Bad Grönenbach; Peter Wachler, Markt Wald; Gastgeberin Dr. Ingrid Fickler zusammen mit den Referenten Prof. Dr. Frank Pöhler, Geschäftsführer Bayerische Elektrizitätswerke GmbH gemeinsam mit Altlandrat Hermann Steinmaßl. RED

Wasserkraft ist eine stetige und planbare Energiequelle. Daher nimmt sie eine besondere Stellung unter den Erneuerbaren ein. Grund genug für den AKE Kreisverband Unterallgäu, sich mit diesem „Juwel im Energiemix“ im Rahmen einer Informationsveranstaltung in Erkheim auseinanderzusetzen. Dazu begrüßte die Kreisvorsitzende des Arbeitskreises Energiewende, Dr. Ingrid Fickler, die hochkompetenten Referenten Prof. Dr. Frank Pöhler, Leiter Wasserkraft der Bayerischen Elektrizitätswerke GmbH, der über „Wasserkraft - mehr als nur Stromerzeugung“ sprach und Dipl.-Ing. Hermann Steinmaßl, Altlandrat, MdL a.D., Landkreis Traunstein, der sich zum Thema „Wasserkraft - DIE Energie unserer Heimat. Wasserkraft braucht Unterstützung und Akzeptanz“ äußerte.

AKE-Kreisvorsitzende Fickler hob in ihrer Begrüßung zunächst die sehr lange Tradition der Wasserkraft hervor. Aktuell stünden über 15 % der deutschen Wasserkraftwerke in Bayern - aus gutem Grund. Schließlich erfülle die Wasserkraft als preiswerteste erneuerbare Energie alle Kriterien der Energiewende: Sie sei kontinuierlich verfügbar und damit grundlastfähig, gut regelbar, speicherfähig, schadstoff- und CO2-frei. Wasserkraft sei die effizienteste Art, regenerative Energie rund um die Uhr, wetterunabhängig und in größerer Menge bereitzustellen. Zudem habe sie als Ausgleich zur schwankenden Einspeisung von Sonnen- und Windstrom das Potenzial, einen Beitrag zur Stabilisierung des Stromversorgungsnetzes und damit zur Versorgungssicherheit zu leisten.

Situation im Landkreis Unterallgäu

Im Landkreis Unterallgäu befinden sich Fickler zufolge rund 140 Wasserkraftwerke, von denen viele durch technische, wasserwirtschaftliche und ökologische Optimierung dazu beitragen, den Anteil der erneuerbaren Energie zu steigern und die CO2-Belastung zu senken. Aus diesem Grund will die Vorsitzende beantragen, dass der Landkreis Unterallgäu nach dem Vorbild des Landkreises Passau eine Beratungsaktion für Betreiber von Kleinwasserkraftwerken initiiert. Ziel ist eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien im Landkreis Unterallgäu sowie die ökologische Verbesserung betroffener Gewässer. Die Beratung soll durch unabhängige Experten wie z. B. technische Büros erfolgen.

Abschließend verwies Ingrid Fickler auf das Landkreis-Pilotprojekt „Energiewende Unterallgäu Nordwest“. Dieses habe sich zum Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromund Wärmeverbrauch innerhalb von fünf Jahren auf über 60 Prozent zu steigern. „Und hierzu gehört eben auch die Weiterentwicklung der Wasserkraft“, so die Kreisvorsitzende.

Wichtigster Eckpfeiler der Energiewende

Prof. Dr. Frank Pöhler, Leiter Wasserkraft der Bayerischen Elektrizitätswerke GmbH, bezeichnete die Wasserkraft im Anschluss als „wichtigsten Eckpfeiler der Energiewende in Bayern“. Dort liegt der Anteil der Wasserkraft an den Erneuerbaren bei immerhin 33 Prozent, während er bundesweit nur 11 Prozent ausmacht. Der Wasserkraftanteil an der gesamten Stromerzeugung beträgt im Freistaat rund 14 Prozent, während er in Deutschland bei lediglich drei Prozent liegt. Mit durchschnittlich 12,5 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr kommen ca. 55 Prozent des in Deutschland produzierten Wasserkraftstroms aus dem Freistaat.

„Tatsache ist: Die Wasserkraft ist für den Energiewende-Erfolg in Bayern unverzichtbar“, hob der BEW-Geschäftsführer hervor. Wasserkraft sei mehr als nur regenerative Stromerzeugung; Strom aus Wasserkraft lasse sich in Pumpspeicher-/Speicher-Kraftwerken sicher und effizient mit Wirkungsgraden über 80 Prozent und wirtschaftlich in großen Mengen speichern. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft als heimischem Energieträger sei CO2- und schadstofffrei, schütze das Klima und schone die Ressourcen.

Stünden Wind und Sonne nicht zur Verfügung, seien zur Bedarfsdeckung sog. Schattenkraftwerke, sprich hochflexible und zuverlässige Kraftwerke zur Ausregelung von Schwankungen erforderlich, erläuterte Pöhler. Hierzu zählten auch Wasserkraftwerke, da etwa 50 Prozent der Wasserkraft grundlastfähig sei. Zudem bedürfe es flexibler Stromspeicher.

Nur die „große“ Wasserkraft mit einer Leistung von mehr als 5 MW sei als Erneuerbare Energiequelle heute wirtschaftlich und ohne Subvention betreibbar. Allerdings stehe sie von verschiedenen Seiten unter Druck, wie Pöhler ausführte. Sinnvolle Ausbaupotenziale seien schwer durchsetzbar und es mangle an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung. Zudem erschwerten und verteuerten immer strengere ökologische Auflagen (Schwellbetrieb, Restwasser…) die Stromerzeugung. Auch erfordere die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Durchgängigkeit für Fische, Schaffung ökologischer Gewässerstrukturen…) Investitionen in Millionenhöhe. Darüber hinaus bringe die Börsenpreis-Situation für Strom die Wasserkraft an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit und Möglichkeiten für Investitionen in den Erhalt der Anlagen seien begrenzt.

Vielfältige Aufgaben für große Wasserkraft

Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt seien die einzigen regenerativen Stromerzeugungsanlagen, die in Deutschland nicht über das EEG subventioniert werden, erläuterte der Geschäftsführer. Die Durchschnittsvergütung aller geförderten EEG-Anlagen habe z. B. im Jahr 2015 rund 13 Cent je Kilowattstunde betragen, während die große Wasserkraft ihren regenerativen Strom nach Marktpreisen verkaufen müsse, der 2016 gerade einmal zwei Cent pro kWh betragen habe. „Der Preisverfall von Strombörse und Emissionsrechten hat die Wasserkrafterzeugung zu diesem Zeitpunkt an die Grenze der Wirtschaftlichkeit gebracht“, betonte Pöhler. Derzeit stabilisiere sich der Terminmarktpreis allerdings wieder – derzeit liegt er bei über 3 Cent pro kWh. „Das ist zwar immer noch grenzwertig, jedoch kommen wir damit einigermaßen über die Runden“, machte Pöhler deutlich.

Dass Wasserkraft freilich nicht nur Stromerzeugung ist, erläuterte er wie folgt: Im Gegensatz zu anderen regenerativen Stromerzeugern muss die große Wasserkraft zusätzlich immense Kosten für Hochwasserschutz, Naturschutz und Fischschutz, Flusssanierung und Grundwasserschutz, Gewässerreinhaltung (rund 200.000 Kubikmeter Treibgut und Abfall fischen die Wasserkraftbetreiber allein in Bayern aus den Flüssen - Rechengutentsorgung), Erhalt der Infrastruktur, Schaffung von Voraussetzung für Naherholung und Tourismus, Unterhalt von Wasserstraßen sowie Wassernutzungsgebühren aufbringen. Viele Leistungen der großen Wasserkraft gehörten untrennbar zum Geschäft und sollen auch nicht entfallen – weder für die Betreiber noch für die Allgemeinheit. Fakt sei aber, dass Zusatzaufgaben bei Wasserkraftbetreibern wie der BEW ca. 30 % der Gesamtkosten verursachen. Zum Erhalt und der Bezahlbarkeit müssten die „Strompreise“ diese Leistungen aber honorieren, da sie sonst nicht finanzierbar sind.

„Rationalisierung ist zwar ein wesentlicher Teil der Strategie der Bayerischen Elektrizitätswerke, aber Sparen ist nicht alles“, fuhr Pöhler fort. Die Strategie der BEW bestehe deshalb aus den drei Säulen Optimierung der Wasserkraft, Nachhaltigkeit der Wasserkraftnutzung und neue Wege der Zusammenarbeit.

Optimierte Wasserkraft

Durch die Optimierung der Wasserkraft sei bei der BEW nachweislich eine deutliche Reduzierung der Gesamtbetriebskosten um 36 % erreicht worden. Die Nachhaltigkeit der Wasserkraftnutzung mit dem Ziel der Vermeidung von Investitionsstau beinhalte zunächst die Fortführung der Modernisierung und Automatisierung von 6 Kraftwerken an der Oberen Donau und 4 Kraftwerken am Unteren Lech sowie die Umsetzung der „Illerstrategie 2020“. Hinzu kommt die Leistungssteigerung durch neue Laufräder am Kraftwerk Meitingen am Lechkanal, wo 3 Maschinen mit neuen Doppel-Francis-Laufrädern eine Erzeugungssteigerung um 14 % ermöglichen.

Maßnahmen zur Hochwassersicherheit (Ertüchtigung und Anpassung von Dämmen und Deichen an DIN 19700 insbesondere am Unteren Lech und an der Donau) stünden ebenso auf der Agenda wie die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, d.h. komplette Herstellung der Durchgängigkeit von Iller, Wertach und Günz (Neubau von Fischwanderhilfen an diesen Flüssen abgeschlossen) und Schaffung von Gewässerstrukturen und Untersuchungen zum Geschiebetransport.

„Als BEW wollen wir Vorbild für die Wasserkraftnutzung der Zukunft sein und auftretende Interessenskonflikte minimieren. Wir möchten mit allen Stakeholdern – also mit Anwohnern, Umwelt- und Fischereiverbänden, mit Kommunen, Fachbehörden und der Wissenschaft – auf Augenhöhe kommunizieren, deren Kompetenz und Engagement nutzen, um gemeinsame Best-Practice-Lösungen zu finden“, hob Prof. Pöhler hervor. Diese Vorgehensweise generiere Vorteile für alle Seiten.

Energiedreieck

„Ziele benötigen Hierarchien“, machte Traunsteins Altlandrat und MdL a.D., Dipl.-Ing. Hermann Steinmaßl deutlich. Beim Aufeinandertreffen von Zielen sei abzuwägen, welchen man den Vorzug gibt. Politik müsse hier Entscheidungen treffen, sonst berufe sich jeder auf ein ihm genehmes Ziel als das wichtigste. Im vielzitierten Energiedreieck gilt aus seiner Sicht folgende Reihung: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit.

Tatsache sei, dass durch den volatilen Strom aus Wind und Sonne die Versorgungssicherheit schlechter geworden ist, bemerkte Steinmaßl. Zudem seien durch den hohen Anteil von EEG und Netzentgelten die Kosten ständig gestiegen. Man habe es hier mit einer Wettbewerbsverzerrung zu tun, die die wirtschaftlichen Energien benachteilige.

Für konzeptionelles Handeln Mit Verweis auf die Nachhaltigkeit wies Steinmaßl darauf hin, dass durch die Abschaltung der Kernkraftwerke der CO2-Ausstoß in Bayern ab 2022 erheblich zunehmen werde, wenn der Strom von der Braunkohle importiert werden muss. „Die Ziele bleiben, die Herausforderungen aber steigen mit dem Abschalten der Kernkraftwerke, dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und dem Einstieg in die Elektromobilität“, hob der Altlandrat hervor. Gefordert sei ein „konzeptionelles und konsequentes Handeln“, das den Zielen inhaltlich wie zeitlich gerecht wird.

Konzepte zur Eindämmung der Strompreise sehen laut einem Gutachten des Bayerischen Wirtschaftsministeriums eine flexible Stromsteuer, die Einführung eines Streckungsfonds, einen Systemwechsel sowie eine verbesserte Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr vor. Der Streckungsfonds sieht vor, die EEG-Umlage auf 6,5 Cent/kWh einzufrieren. Der kreditfinanzierte, staatliche Streckungsfonds soll dann Fehlbeträge finanzieren.

Blick in die Zukunft

Wie Steinmaßl darlegte, „wird das EEG in irgendeiner Form bleiben, aber perspektivisch einen Systemwechsel bekommen“. Zudem sei von einem Bestandsschutz bestehender Anlagen auszugehen. Auch werde die Ausschreibung zur Regel. Zur Diskussion über einen Systemwechsel gehöre auch, „dass man vermutlich wegkommen wird von der Bezahlung der eingespeisten Kilowattstunden“. Stattdessen tendiere die Politik wohl dahin, die installierte Leistung künftig zu vergüten. Für die Wasserkraft wäre dies aus Steinmaßls Sicht freilich „fatal“. Ebenso in der Diskussion sei die Einspeisung nach Börsenpreis, d.h. dem Erzeuger bleibe es überlassen, zu welchem Zeitpunkt er einspeist.

Steinmaßl zufolge „wird man ohne Förderung oder Finanzierung von netzstabilisierenden und netzausgleichenden Faktoren keine zufriedenstellende Lösung bekommen“. Aus seiner Sicht muss geprüft werden, was in einer Region technisch auch über Grenzen hinweg möglich ist. Erst dann sollten - im Gegensatz zum EEG - Gesetze und Marktdesigns entwickelt werden, die eine gewollte Entwicklung unterstützen. Nach Ansicht Steinmaß- ls, der eine „Lobby aus Bayern für die Wasserkraft“ forderte, gilt es, die Stärken der Heimat zu schützen. „Und Wasserkraft ist eine Energie unserer Heimat.“

Gegen Technikfeindlichkeit

„Wir werden die Energiewende nicht schaffen, wenn wir bei der Umsetzung vor Ort Technikfeindlichkeit an den Tag legen und die diversen erneuerbaren Energieträger verteufeln“, fuhr der Altlandrat fort. Die zentrale Frage laute: „Hilft man wirklich den Kindern und Enkeln, wenn man sich jeglicher Entwicklung und Veränderung verweigert?“

Steinmaßls abschließender Appell: „In Zeiten der Energiewende muss es das oberste Gebot sein, Energie, die vor der Haustür vorbeifließt, auch für die Menschen zu nutzen. Wir brauchen alle Energieträger! Es gibt kein Entweder-oder, sondern nur ein und-und-und…“ Welche Energien in den einzelnen Regionen am besten zum Einsatz kommen sollen, solle auch vor Ort entschieden werden.

DK

 

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