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(GZ-12-2017)
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► Georg Loy / VERBUND-Innkraftwerke GmbH: 
 
Das Eckpunktepapier in Bayern und dessen positive Wirkung
für die Umwelt am Inn
 

Loy Georg

Georg Loy, VERBUND-Innenkraftwerke GmbH

Der Freistaat Bayern hat 2006 mit den großen bayerischen Wasserkraftunternehmen eine Eckpunktevereinbarung für eine nachhaltige Wasserkraftnutzung an staatlichen Gewässern geschlossen. Mit dem Eckpunktepapier sollen die Belange der Wasserwirtschaft, des Naturschutzes sowie der bayerischen Klima- und Energiepolitik beim Betrieb der Wasserkraftwerke in Bayern umgesetzt werden, erläuterte Projektleiter Georg Loy. Den Wasserkraftbetreibern obliegt dabei die Erarbeitung eines ökologischen Durchgängigkeitskonzepts und die Ermittlung des Ausbaupotenzials.

Die Herstellung der Fischdurchgängigkeit, Gewässerstrukturmaßnahmen sowie die Grundlagenforschung zur Fischpopulation finden ihre Finanzierung zu 100 % durch den VERBUND als Zusage zu Vereinbarungen mit dem Freistaat Bayern, die den Rahmen und Umsetzungszeiträume festlegt und damit auch die gesetzlichen Forderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umsetzt.

Die VERBUND Innkraftwerke GmbH betreibt 14 Laufwasserkraftwerke am bayerischen Inn mit einer Turbinenleistung von 317 Megawatt. Die jährliche Erzeugung beträgt rund 1,9 Milliarden Kilowattstunden, das entspricht dem Bedarf von rund 500.000 Haushalten. In Betrieb und Instandhaltung werden 15 bis 20 Mio. Euro pro Jahr investiert. An den Grenzstrecken des Inn und der Donau finden sich 8 Wasserkraftwerke, die von der Grenzkraftwerke GmbH betrieben werden. Hier belaufen sich die jährlichen Kosten auf 9 bis 14 Mio. Euro.

Wasserkraftwerk Töging: Aktueller Status

Mit Blick auf den Status aktueller Projekte verwies Loy zunächst auf die geplante Modernisierung des Wasserkraftwerks Töging (Inbetriebnahme 1924), das einen Neubau des Krafthauses in Töging bzw. der Wehranlage in Jettenbach vorsieht. Durch eine Stauzielerhöhung von 70 cm beim Wehr Jettenbach und eine Erhöhung der Ausbauwassermenge um bis zu 70 m³/s sowie dem Einbau von drei Kaplanturbinen ist eine zusätzliche jährliche Stromerzeugung von 120 GWh möglich. Die Dämme und Deiche im Stauraum und die Abdichtung im Innkanal werden daher entsprechend angepasst. Nach Loys Einschätzung ist eine Realisierung des Projekts „auch aufgrund der Aufwertung des Bestandes hoch“.

Zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei dagegen eine Einschätzung zu den geplanten Projekten an der Grenzstrecke der Unteren Salzach. Gleiches gilt für den Energiespeicher Riedl, der sich im Genehmigungsverfahren befindet. Grund seien die aktuellen politischen Rahmenbedingungen. Sowohl beim Freilassinger Becken als auch beim Tittmoninger Becken stehe eine Kombination aus flussbaulicher Sanierung und Energienutzung im Fokus. Dadurch sei eine zusätzliche Stromerzeugung von jeweils 90 GWh/a (davon 45 GWh/a bayerischer Anteil) realistisch.

Nicht gegeben ist die Wirtschaftlichkeit von Stauzielerhöhungen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung an den bestehenden Kraftwerken am bayerischen Inn bzw. am Grenz-Inn. Gleiches gilt für das Triebwerk Teufelsbruck.

Mögliche Mehrerzeugung 

Loy zufolge ist am bayerischen Inn und an der Grenzstrecke der Salzach (bayerischer 50 %-Anteil) eine Mehrerzeugung von rund jährlich 310 GWh an Laufwasserkraft bis 2021 möglich. Dies entspricht 30 % des Ausbauzieles von zusätzlichen 1.000 GWh pro Jahr gemäß dem Zielwert für die Wasserkraft im Rahmen des bayerischen Energiedialogs. Zusätzlich könnte der Energiespeicher Riedl mit einer Leistung von 300 MW den geplanten Ausbau der Energieträger Wind und Sonne unterstützen.

Umfangreiche ökologische Verbesserungen 

Die VERBUND Innkraftwerke GmbH setzt im Rahmen ihrer Aufgaben als Wasserkraftbetreiber umfangreiche ökologische Verbesserungen in den Staugebieten an den Kraftwerksstandorten am Inn um. „Was für das ungeschulte Auge wie ein unberührtes Naturparadies aussieht, ließ bei den durchgeführten ökologischen Untersuchungen zur Entwicklung von Maßnahmen deutliche Defizite für Fischarten, Watvögel und Pflanzen der Ufer- und Schlammfluren erkennen“, informierte Loy. Dies war der Startpunkt für ein umfangreiches Maßnahmenpaket, um die Lage insgesamt zu verbessern. Die daraus resultierenden Renaturierungsarbeiten am Inn umfassen unter anderem Entlandungen, Anbindungen von Altwässern und auch neuen Uferund Altwasserstrukturen, die Schaffung von Brutinseln für seltene Vögel und von Laichplätzen für Fische und Amphibien sowie die ökologische Durchgängigkeit (Fischwanderhilfen).

Mit Strukturen in der Aue und im Gewässer werden direkt die relevanten Arten gefördert und der Erhalt und Schutz der Fischpopulation erreicht. Das Ökosystem Flussaue profitiert durch Prozesse, Funktion und Veränderung. „Durch Gewässerstrukturen für alle Altersstadien fördern wir die Arten direkt und reduzieren die Notwendigkeit der auf- und abwärtsgerichteten Wanderung. Neben der Fischpopulation profitiert das Gesamt- ökosystem Flussaue durch Rohbodenstandorte, Nahrung (Prädatoren), Auenanbindung und laufende Veränderungen in einem sonst monotonem System. Auch die reine Mehrung der Biomasse durch Ubiquisten fördert seltene Arten durch reduzierten Fraßdruck“, so Loy

Nach seinen Ausführungen hat der Inn keine Langdistanzwanderer wie Lachs und Aal. Die Innfische suchen die Lebensraumbedingungen auf, die diese im Jahresverlauf für ihr Überleben, aber auch für die Fortpflanzung benötigen. Das Erreichen von Laichplätzen, Jungfisch– und Nahrungshabitaten und verschiedenste Lebensraumansprüche sowie Hochwasserund Wintereinstände sind wesentlich.

Konzepte hierzu sind die Verbindung von Unterwasser nach Oberwasser, (Genaustausch und Kompensationswanderung - besonders Jungfischstadien nach dem ersten Lebensjahr), die Vernetzung mit Seitengewässern und das Anbieten von Lebensraumkomponenten für alle Lebensstadien, das Anbieten von Lebensraum im Fischpassgerinne und schließlich die Auffindbarkeit durch Gewässerstrukturen nahe an Wanderkorridor und Strömung.

DWA Merkblatt zur Durchgängigkeit

Im DWA Merkblatt zur Durchgängigkeit wird Loy zufolge das Augenmerk auf Parameter zur Durchwanderbarkeit und des Ortes der Auffindbarkeit inklusive der sogenannten Leitströmung gerichtet. Natürliche oder naturnahe Gewässer erfüllen fast nie diese Kriterien. Bei großen Flüssen mit Ausbaugraden größer als 200 m³/s ist eine Leitströmung messbar auf den Nahbereich des Einstiegs des Fischpasses beschränkt. Die Turbulenzballen und Fließtiefen im Unterwasser der Wasserkraftanlage gewährleisten nur sehr eingeschränkt die Erreichbarkeit im Bereich der Turbinenauslässe für alle Größenklassen und Arten. Jede Wasserkraftanlage mit den jeweiligen geometrischen Randbedingungen erfordert demzufolge speziell angepasste Lösungen.

Die Auffindbarkeit wird durch vorgelagerte Gewässerstrukturen und Rückzugsbereiche erhöht. Die Strömung des Fischpasses ist in diesem Bereich klar wahrnehmbar. Im Fischpass - wie bereits u. a. in Feldkirchen, Gars, Teufelsbruck, Stammham und Perach geschehen - sind möglichst viele Gewässerstrukturen herzustellen, die im Hauptfluss nicht mehr vorhanden sind und somit ein Mangelhabitat darstellen. Diese können so als Lieferhabitat, aber auch als wesentliche Lebensraumkomponente dienen.

Auenwald, Damm, Bäche und Wiesenflä- chen sind die Lebensräume vieler Arten nahe dem Inn und dem Kraftwerk EringFrauenstein. Diese Gebiete sollen weitestgehend geschützt bleiben, um so die Lebensqualität für den Tierbestand zu optimieren. Projektziele sind die umfassende Wiederherstellung der flussauf gerichteten Durchgängigkeit am Innkraftwerk, die Stärkung der Fischpopulationendurch Lebensraummaßnahmen sowie die Entwicklung dynamischer Fluss- und Auenlebensräume. Hierzu soll eine dynamisch dotierte Fischaufstiegsanlage mit gewässertypischem Fließgewässercharakter errichtet und die ausgedeichte Eringer dynamisiert und vernetzt werden. Zudem ist eine Stauwurzelstrukturierung im Unterwasser mit Insel-Nebenarmsystem, Flachufern und Altarmstrukturen geplant.

Das Bauvorhaben soll voraussichtlich im Herbst 2017 starten und dauert vermutlich rund eineinhalb Jahre.

Loys Fazit: „Jeder am Gewässer muss seiner Aufgabe und Verantwortung zur Erreichung der EU-WRRL-Ziele nachkommen. Für den Raum ist ein Optimum, aber auch eine Priorisierung zu finden. Die Eckpunktevereinbarung hat wesentlich zur Herstellung der Durchgängigkeit und zu Renaturierungsanstrengungen geführt. Habitat- und Gewässerstrukturen sind aus unserer Sicht wesentlich für den Erhalt des Systems. Der Erhalt der Flussaue mit den vielschichtigen Lebensräumen wird derzeit nicht in der EU–Wasserrahmenrichtlinie in ihrer Funktion gewürdigt.“  

RED

 

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