Aus den Kommunenzurück

(GZ-11-2024 - 6. Juni)
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► Rosenheimer Energiedialoge:

 

Von Wasserkraft bis Wärmedämmung

 

Im Rahmen der Initiative „Rosenheimer Energiedialoge“, einer mehrteiligen Themenreihe der Technischen Hochschule Rosenheim, des Landkreises Rosenheim, dem Klimaschutzmanager der Stadt Kolbermoor, des Rosenheimer Solarfördervereins (Rosolar) sowie dem BUND Naturschutz Rosenheim gemeinsam mit der Energiezukunft Rosenheim (ezro), fanden in jüngster Zeit einige Informationsveranstaltungen zu den Themen Energiewende und Nachhaltigkeit statt.

Unter dem Titel „Kleinwasserkraft – Energie und Ökologie?“ hatte die Initiative nach Westerham eingeladen. Einen spannenden Einblick in dieses Thema vermittelten u.a. Prof. Dr. Markus Aufleger, Leiter des Lehrstuhls Wasserbau der Universität Innsbruck, und Dr. Christoph Rapp, Leiter des Bereichs Wasserkraft der Stadtwerke München (SWM).

Der Ausstieg aus der fossilen Wärme verdopple in etwa den Stromverbrauch, betonte Prof. Aufleger. Wasserkraftanlagen seien hierfür ein wesentlicher Baustein. Gleichwohl seien ökologische Probleme wie Sedimentablagerung, zu geringe Restwassermengen bei Ausleitungsstrecken, stark schwankende Wasserstände bei Speicherung (Schwall und Sunk), und Durchgängigkeit für auf- und absteigende Fische zu lösen. Die ökologisch besonders wichtigen freien Fließstrecken sollten bewahrt werden. Die Uni Innsbruck kümmere sich vor allem um den Schutz beim Abstieg. Lösungen hierfür biete unter anderem der Fish-Protector.

Strom aus Wasserkraft nur Nebenprodukt

Christoph Rapp hob die Stromerzeugung und die CO2-Einsparung durch die Isarkraftwerke in München sowie der Uppenborn- und Leitzachwerke hervor. Die Wasserkraft-Nutzung sei historisch in der Regel ein Nebenprodukt anderer Ziele gewesen wie Gewässer-Sanierung, Grundwasseranhebung, Gewinn von Siedlungs- oder landwirtschaftlichen Flächen, Bewässerung, Hochwasserschutz und Schifffahrt.

Als weitere Vorteile der (SWM-)Wasserkraft nannte Rapp u.a. die lokale Wertschöpfung durch Bau und Unterhalt, eine lange Lebensdauer, Schwarzstartfähigkeit, Netzstabilisierung, Regelenergie, Schaffung von neuen Habitaten sowie Reinigung der Flüsse von Müll.

Wärmedämmung

Im Rahmen der Informationsveranstaltung „Dämmung bringt’s!“ in der TH Rosenheim gab Prof. Dr. Harald Krause (Studiengang Energie- und Gebäudetechnologie) mit seinem Vortrag „Wärmedämmung – der Weg zum Niedrigstenergiehaus“ zunächst einen grundsätzlichen Überblick über das Thema.

Der auch als Energieberater fungierende Experte erinnerte daran, dass Deutschland gemäß dem Klimaschutzgesetz 2021 die Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 erreichen soll. Dazu muss laut verschiedenen Studien der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser um ca. 50 Prozent sinken, 90 Prozent der Gebäude sind bis 2050 thermisch zu sanieren oder neu zu bauen. Geheizt werden soll dann überwiegend mit Wärmepumpen und Fernwärme, beide aus regenerativen Quellen gespeist. Krause gab einige Beispiele für die Dämmung von Bestandsgebäuden: Der Wärmeverlust der 24 cm-Ziegelwand eines Gebäudes aus den 1950er und 60er Jahren lasse sich durch 16 cm Dämmstoff auf 1/10 vermindern. Konstruktiv gelöst werden könne dies beispielsweise durch ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) oder eine Holzständer-Konstruktion mit vorgehängter Fassade. Letzteres sei meist teurer, verbessere aber Flexibilität und Rückbaubarkeit.

Den Wärmeverlust eines typischen Daches mit nur 10 cm Zwischensparrendämmung könne durch volle Ausnutzung der Sparrenhöhe und zusätzlich 10 cm Aufdachdämmung auf ein Drittel verringert werden, fuhr der Professor fort. Bei Fenstern hätten sich die Wärmeverluste durch größere Rahmendicke, Wärmeschutzglas mit drei Scheiben und verbesserte Abstandhalter seit 1995 auf ein Drittel verkleinert.

Die Dämmung habe auch Einfluss auf das Heizsystem: Die Heizlast werde geringer, die niedrigere Vorlauftemperatur steigere die Effizienz einer Wärmepumpe. Daher sollte die Reihenfolge der Schritte zur energetischen Sanierung ebenso bedacht werden, wie die vielfältigen Förderungen für die Maßnahmen, erläuterte Krause. Architekt und Stadtplaner Robert Kellner bot seinerseits interessante Einblicke in die materialökologischen Aspekte der Wärmedämmung. Er stellte klar, wie weit Deutschland von seinen Energiesparzielen für 2030 noch entfernt ist. Dabei gehe es nicht nur um das Einsparen von Energie, gehörten zum nachhaltigen Bauen gemäß dem Leitfaden des Bundesbauministeriums doch drei Säulen, die ausgewogen berücksichtigt werden müssen: Ökonomie, Ökologie und Soziokulturelles, womit menschliche Gesundheit, soziale und kulturelle Werte gemeint seien. Zur Information über Umwelt- und Gesundheitsaspekte bei der Baustoffwahl empfahl Kellner das Portal WECOBIS des Bundesbauministeriums und der Bayerischen Architektenkammer. Bei den Dämmstoffen äußerte sich Kellner kritisch zum expandierten Polystyrol (EPS), das bis 2016 das Flammschutzmittel HBCD enthielt. Dieses reichere sich in Lebewesen an, sei schwer abbaubar und giftig für Wasserorganismen; auch zu dem aktuell verwendeten Ersatzstoff gebe es ablehnende Meinungen. Ein Recycling von gebrauchtem EPS finde kaum statt, die thermische Verwertung „macht nur den Ofen voll“. Problematisch könnten aber auch die bei nachwachsenden organischen Dämmstoffen verwendeten Flammschutzmittel sein.

Rückbau und Wiederverwertung

Vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen gewinnen Kellner zufolge Rückbau und Wiederverwertung an Bedeutung. Insbesondere bei vielen WDVS-Dämmungen sei dies eher Theorie. Auf keinen Fall sollte das Abbruchmaterial Schadstoffe enthalten.

Windkraft

Ebenfalls in der TH Rosenheim befassten sich Experten mit dem Thema „Mehr Windkraft in der Region?!“

Prof. Dr. Frank Buttinger, Leiter des Studiengangs Energie- und Gebäudetechnologie an der TH, verdeutlichte mithilfe aktueller Diagramme wie den Energy-Charts des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) die bedeutende Rolle der Windenergie, insbesondere im Winter, für die Stromerzeugung. Bereits jetzt stammten in Deutschland 55 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien. Um jedoch das im EE-Gesetz für 2040 angestrebte Windleistungsniveau von 160 GW an Land zu erreichen, sei in den kommenden Jahren ein jährlicher Zubau von ca. 7 GW erforderlich.

Basierend auf den Windkarten im Energieatlas Bayern identifizierte Buttinger potenzielle Standorte von Windenergieanlagen entlang der Grenzen des Landkreises Rosenheim. Die Finanzierung von Projekten stellt aus seiner Sicht kein Problem dar, seien doch erst kürzlich für ein Projekt im Hofoldinger Forst beeindruckende sechs Millionen Euro innerhalb von nur zweieinhalb Stunden per Crowdfunding gesammelt worden.

Auf dem Weg zum Projekt stellt laut Maria Burghardt, Leiterin der Beratung Windenergie bei der Energieagentur Ebersberg-München, das Wind-an-Land-Gesetz mit verbindlichen Zielen zur Ausweisung von Vorrangflächen einen wichtigen Rahmen dar. Bis zum Jahr 2027 seien für Bayern und seine Planungsregionen 1,1 und bis 2032 1,8 Prozent der Fläche als Ziel festgelegt. Dies sei deutlich mehr als die in der Region Südostoberbayern im Jahr 2015 ausgewiesenen 0,6 Prozent an Vorrangflächen, die weiterhin Bestand haben. Der Regionale Planungsverband sei mit der Ausweisung betraut, wobei Kommunen im Rahmen ihrer Planungshoheit zusätzliche Flächen festlegen können. Neben bereits genannten Standorten sieht Burghardt weitere potenzielle Gebiete in den Alpen, sofern Probleme wie Naturwald und Erschließung gelöst werden können.

Aus wirtschaftlicher Perspektive würden möglichst große Windkraftanlagen (WKA) geplant, mit Abmessungen von bis zu 199 Metern Nabenhöhe, einem Rotordurchmesser von 175 Metern und einer Leistung von 7,2 MW. Trotz ihrer Größe benötigten WKA dauerhaft im Durchschnitt nur 0,35 Hektar, was für die höchste Flächeneffizienz unter allen EE sorge. Bei Flächensicherung und Auswahl der Projektierer ist aus Burghardts Sicht eine aktive Beteiligung der Kommunen erforderlich, um den Frieden im Ort zu wahren und die lokale Wertschöpfung zu fördern.

Neue Chancen

Stefan Schindler, Projektierer und Planer für WKAs in Deutschland und der Schweiz bei reencon in Stephanskirchen, wies auf weitere positive Wirkungen der Windkraft hin: Die dezentrale Stromerzeugung trage zur Unabhängigkeit von überregionaler EE-Erzeugung und -Transport bei. In Deutschland gebe es bereits 400.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien, was auch den Technologie-Export stärke. Gleichzeitig sinke die Rohstoff-Abhängigkeit von anderen Ländern. Durch Gesetzesänderungen ergäben sich neue Chancen, bekräftigte Schindler: Das Genehmigungsverfahren werde durch die EU-Notfallverordnung, das vom Bund zugestandene „überragende öffentliche Interesse“ sowie die Änderung weiterer Gesetze beschleunigt. Dadurch könne die Entwicklung eines Windenergieprojekts, die bisher vier bis zehn Jahre dauert, auf zwei bis drei Jahre verkürzt werden.

Mit Blick auf die Bürgerbeteiligung als zentralem Erfolgsfaktor unterstrich Schindler die Bedeutung transparenter Kommunikation. Mittlerweile sei gesetzlich geregelt, dass 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugtem Strom an die Standortgemeinde fließen dürfen. Durch eine Flächenpool-Regelung profitierten zudem alle Grundeigentümer im Umfeld der Windkraftanlage.

DK

 

 

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