Erscheinungs- & Themenplanzurück

(GZ-22-2016)
Neues von Sabrina
 
Lehren ziehen aus der US-Wahl

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Jetzt haben es die Amerikaner doch getan. Sie haben Donald Trump zum Präsidenten gewählt und alle Welt erwartet nun, dass sich das garstige Entlein in einen weißen Schwan verwandelt. Man darf bezweifeln, dass es so eintritt.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hat auf seinem Schreibtisch einen kleinen Stapel mit Zeitungsberichten über die Regierungsbildung in den USA und die ersten programmatischen Festlegungen des 45. Präsidenten.

Nun war der Chef keiner, der einen Sieg Trumps von vorne herein ausgeschlossen hätte. Im Gegenteil, er meinte während der ganzen Kampagne, dass er, würde in Deutschland ein solches Politangebot präsentiert, zum ersten Mal ins Lager der Nichtwähler wechseln würde. Denn beide – Hillary und Donald – wären im Grunde unwählbar. Aber dennoch verstört die Wahl doch etwas.

Gut, Präsident der Vereinigten Staaten ist kein Lehrberuf und es gibt auch keine starre Kompetenzbeschreibung. Man geht halt irgendwie von einem Mindestmaß an formaler Bildung, Erfahrung als Gouverneur, Parlamentarier oder Minister und einigermaßen erkennbaren Umgangsformen aus. Unwillkürlich denkt man an Personen, die Babys küssen, sich bei normalen Hausfrauen zum Kuchen einladen oder im Diner an der Ecke einen Burger essen. Weniger in die Erwartungsrichtung geht ein pöbelnder, lügender, wüst um sich schimpfender Grobian, der sein Vermögen zwar mindestens einmal vor der Pleite gerettet, aber sich eben auch fast in die Pleite gewirtschaftet hat.

Eines ist allerdings richtig: Es ist nicht unser Präsident. Eigentlich könnte es uns aus der Distanz des Atlantischen Ozeans ja egal sein, wen die Bewohner von God’s Own Country für den besten Commander in Chief halten. Aber da gibt es doch trotz 50 Jahren antiamerikanischer Tradition im intellektuellen Diskurs und aller Entfremdung zwischen der alten und der neuen Welt noch eine tiefe sentimentale Anhänglichkeit an die Nation, die unseren Eltern und Großeltern die Demokratie, den Rock’n’Roll und das Cola-Trinken beigebracht hat. Die Wahl Trumps löst so etwas aus, als hätten sich die Eltern nach langer Ehe scheiden lassen und Papa würde mit einer Platinblonden in Minirock und Overknees zum Nachmittagskaffee mit den Enkeln kommen.

Alles an Trump ist uns Europäern fremd. Das großsprecherische Getue, die Ausfälle gegen Frauen und Minderheiten, das Provozieren von Nachbarn und Alliierten. Wir lachen uns innerlich einen Ast, wenn der türkische Präsident Erdogan seine Besucher auf riesige goldene Stühle platziert, die aussehen als habe sie jemand entworfen, der Stil mit Gigantomanie verwechselt. Nun bekommen wir Homestories vom künftigen US-Präsidenten zu sehen und lernen, dass Trump so wohnt, als habe sein Innenarchitekt mit Wahnvorstellungen auf einen Besuch in Versailles reagiert – goldene Aufzugtüren inklusive.

Was geht in den Amerikanern vor, die so einem Mann die Macht anvertrauen? Wie weit sind wir gedanklich weg von einer Wählerschaft, die offensichtlich nicht auf die Kompetenz der Kandidaten blickt, sondern Sehnsucht nach dem starken Mann hat? Wo bleibt der Einfluss der Eliten, wo der Einfluss der Medien, die sich klar gegen Trump ausgesprochen haben? Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir in Europa, in Frankreich, in den Niederladen, aber auch in Deutschland nicht die Fehler wiederholen, die in Amerika gemacht wurden.

Mein Chef, der Bürgermeister, macht sich darüber die größten Sorgen. Die Frage wird sein, ob es gelingt, trotz der Möglichkeiten der Desinformation durch das Internet und trotz der deutschen Neigung, sein demokratisch gewähltes Führungspersonal schlecht zu reden, mit den so genannten kleinen Leuten im Gespräch zu bleiben und ihre Anliegen ernst zu nehmen.

Auf die Verunsicherung durch die Globalisierung, die verstärkte Einwanderung aus anderen Kulturkreisen, den Terrorismus und andere Bedrohungen brauchen wir klare Ansagen und nicht nur Worthülsen. Dazu twittere ich jetzt mal was zum Nachdenken von Franz Josef Strauß: „Man muss einfach reden, aber kompliziert denken – nicht umgekehrt.“

Ihre Sabrina

GemeindeZeitung

Neues von Sabrina

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung