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(GZ-12-2019)
Neues von Sabrina
 

Nachhaltiger Urlaub versus Overtourism

Gestern hat mein Chef gesagt...

Während seines jüngsten Urlaubs hinterließ der Bürgermeister einen ökologischen Fußabdruck von kaum wahrnehmbarer Winzigkeit. Nachhaltiger Urlaub versus Overtourism lautet das Stichwort. Aber nicht nur die Klimafrage zeigt der globalen Reiselust Grenzen auf.

„Ach was hab ich meinen Urlaub bei uns daheim genossen. Radeln, schwimmen, faulenzen, dazu herrliche Ruhe, gutes Essen und kein Raubzug auf die Reisekasse.“ Mein Chef, der Bürgermeister, schwört seit einigen Jahren auf Urlaub in Bayern. Er hat seither von Nord nach Süd, Ost nach West so manchen Geheimtipp ausprobiert, für den er gerne auf den sonnigen Süden und Fernreisen verzichtet.

In den Pfingstferien hat er sich keine 50 Kilometer von unserem Städtchen entfernt eingemietet, das Auto dort zehn Tage stehen lassen und somit einen ökologischen Fußabdruck von fast kaum wahrnehmbarer Winzigkeit hinterlassen. Dabei hat es ihm an nichts gefehlt: Wellnessbereich, See mit bester Badequalität, ausgebautes Radwanderwegenetz und Liegestühle zum Ausgleich des permanenten Schlafdefizits, unter dem ein Kommunalpolitiker nun mal von Berufs wegen leidet.

Kultur wäre übrigens in Form von Kirchen, Klöstern und Schlössern auch geboten, aber dieser Urlaub stand unter dem kulturnihilistischen Motto „Berge von unten, Kirchen von außen, Wirtshäuser von innen“. Schließlich ist es bemerkenswert, was man an Vielfalt und Qualität in heimischen Gastwirtschaften entdecken kann.

Ohne es zu beabsichtigen bedient der Bürgermeister mit seinem Freizeitverhalten zwei Bedürfnisse der Zeit. Er verhält sich klimabewusst und vermeidet overtourism. Denn schließlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn ausgerechnet in Zeiten der Fridays for future und der hysterischen Klimadebatten die Flughäfen immer neue Rekordpassagierzahlen melden und die Autobahnen bei Urlaubsbeginn verstopft sind wie eh und je. Fast hat man den Eindruck, die Schüler, die freitags um 11 Uhr noch meinen, die Erde würde in acht Monaten vor Hitze verglühen und deren Eltern, die vor Rührung ob des selbstlosen Engagements der Kinder nur atemlos in die Fernsehkameras sprechen können, bräuchten auf Fuerteventura, den Malediven oder in Kalifornien einfach mal eine
Pause von der Apokalypse.

Dann ist Fliegen auch o.k., denn Autofahren ist ja jetzt klimamäßig auch nicht der Hit und um es Greta Thunberg gleichzutun, die im Rahmen ihrer Kampagne mit dem Schiff andere Kontinente besuchen will, braucht man zum einen viel Zeit und zum anderen muss man die Auswirkungen der Verfeuerung von Schweröl in Schiffsmotoren auf die Umwelt mental ausklammern können.

Aber nicht nur die Klimafrage zeigt der globalen Reiselust Grenzen auf. Overtourism heißt, dass in bestimmten Gebieten oder Städten einfach mehr Menschen Urlaub machen, als es gut tut. Etwa in Hvar in Kroatien, das bei 4.000 Einwohnern täglich 20.000 Touristen verkraften muss, Hallstadt, das bei 754 Einheimischen über eine Million Gäste im Jahr hat oder Venedig, dessen 200.000 Bewohner 30 Millionen Besucher willkommen heißen können, von denen nicht wenige auf Kreuzfahrtschiffen ankommen, die in der Lagune die ehrwürdigen Bauten der Serenissima wie Wolkenkratzer überragen. Und auch das: Für den Mount Everest werden pro Jahr 380 Aufstiegsgenehmigungen à 45.000 Euro erteilt. Die Folge: Stau am Gipfel.

Und all das wird – Klimaängste hin, wirtschaftliche Sorgen her – in Zukunft eher gravierender, denn nicht nur die Urlaubs-Profis aus Europa, Amerika und Japan wollen die Schönheiten der Welt sehen, sondern zunehmend natürlich auch Chinesen, Indonesier oder Inder, die mit Macht in die globale Besuchsindustrie einsteigen.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist froh darüber, schon einige tolle Ecken in Bayern zu kennen, die weder in Russland, noch in China oder sonst wo auf der Welt als Geheimtipps für good old Germany gehandelt werden. Eine Alternative, wenn man auf Reisen seine Ruhe haben will, wäre wahrscheinlich noch der bald buchbare Aufenthalt auf der ISS-Raumsta-
tion. Aber da hält unseren geselligen Chef nicht nur sein Portemonnaie auf der Erde, sondern auch die Mahnung Christian Friedrich Hebbels:

„Wer nach den Sternen reisen will, der sehe sich nicht nach Gesellschaft um.“

Ihre Sabrina

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