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(GZ-19-2018)
Neues von Sabrina
 

Erntedank – ein überholtes Fest?

Gestern hat mein Chef gesagt...

Die Wegwerfmentalität, gerade auch bei Lebensmitteln, nimmt der Bürgermeister zum Anlass, über das Erntedankfest nachzudenken. Jeder Deutsche wirft pro Jahr 55 kg genießbare Lebensmittel weg. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, hofft er auf die Jugend.

„Am Sonntag war Erntedank. War wieder sehr schön, die Kirche prächtig geschmückt, die Feldfrüchte appetitlich arrangiert, die Brote und Kuchen phantasievoll verziert. Aber außer dem harten Kern aus Bauernverband, Trachtlern und treuen Kirchgängern war niemand in der Dankmesse. Sagt den Leuten Erntedank überhaupt noch etwas?“ Mein Chef, der Bürgermeister, sah sich einmal mehr mit dem soziologischen Wandel in unserer Stadt konfrontiert.

Unsere Stadt liegt zwar noch in einem ländlichen Umfeld, aber in einer so genannten Metropolregion. Die Nähe der Großstadt, der Zuzug von dort, aber auch der durch die nivellierende Kraft des Medienkonsums bewirkte Mentalitätswechsel der Einheimischen haben die Bedeutung einst fest im Jahreskalender verankerter Daten und Bräuche doch sehr relativiert.

Dazu kommt die ganz naiv von meinem Neffen gestellte Frage: „Warum soll ich für was danken, das eh da ist?“. Touché. Ein Sommer wie dieser heuer – zu heiß, zu trocken – hätte noch vor drei oder vier Generationen den Menschen echte Sorgenfalten auf die Stirn gelegt. Sorgen vor extrem steigenden Preisen für Lebensmittel, vielleicht sogar vor Versorgungsengpässen in einem strengen, kalten Winter, hätten auch außerhalb von Kriegs- und Nachkriegszeiten vor allem die sogenannten kleinen Leute geplagt. Heutzutage kann man vereinzelt lesen, dass Kartoffeln und Wintergemüse aus heimischer Produktion knapp und teuer werden könnten. Ach was, die Regale sind voll und wird das heimische Produkt teurer, findet sich sicherlich eine Importware, die man zu einem Schnäppchenpreis erwerben kann.

Nein, Lebensmittel haben für uns keinen großen Stellenwert mehr. Wer Leute mit eigenem Garten kennt, hat sicherlich schon die Bitte bekommen, Äpfel oder Zwetschgen abzunehmen, die vielfach angepriesen werden, als handle es sich bei einer guten Ernte um eine Zumutung und nicht um eine Gottesgabe. Ohne mit der Wimper zu zucken, wirft jeder Deutsche pro Jahr 55 Kilogramm Lebensmittel auf den Müll. Wohlgemerkt: Noch genießbare Lebensmittel. Die Birne mit der braunen Stelle wird nicht ausgeschnitten, sondern kommt ganz in den Eimer, das Brot, das etwas hart geworden ist – weg damit. Und wie war es auf den unzähligen Grilleinladungen in diesem Jahrhundertsommer? Fleisch satt und immer zu viel, die Reste verbrutzeln auf dem Grill oder werden noch roh weggeworfen.

Der Preis von Lebensmitteln bietet ja fast keinen Anreiz mehr zu Sparsamkeit. Der Gastgeber, der mehrere tausend Euro in einen Profigrill für den handtuchgroßen Vorgarten investiert hat, holt das Fleisch vom Discounter und freut sich (Achtung Wortwitz) tierisch, wenn er dafür weniger zahlt, als der Bauer vernünftigerweise für die Erzeugung bekommen sollte. Auf dem Münchner Oktoberfest war in diesem Jahr das halbe Wiesnhendl billiger zu haben, als die Maß Bier. Das Nahrungsmittel billiger als das die Mahlzeit begleitende Getränk. Die Welt steht Kopf.

Dabei müsste in Deutschland doch das Paradies an Tierwohl und Nachhaltigkeit angebrochen sein, nachdem bei Umfragen 25 Prozent der Verbraucher angeben, nur oder oft das teurere Biofleisch zu kaufen. Blöd nur, dass Biofleisch gerade mal einen Marktanteil von zwei Prozent hat. Das richtige Bewusstsein wäre also wohl schon da, aber an der Ladenkasse sind die Vorteile von Masthühnern mit Auslauf, Rindern auf der Weide und Schweinen in Ställen mit Außenbereich nicht mehr so wichtig angesichts der Frage, ob für den Sonntagsbraten ein blauer oder doch nur ein roter Schein draufgehen soll.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist selbst Feinschmecker und geht in Sachen Regionalität und Nachhaltigkeit bei Obst, Gemüse und Fleisch mit gutem Beispiel voran. Wie so oft wird es nur über die Jugend gehen, die den Teufelskreis aus billig und Wegwerfmentalität durchbrechen muss. Deshalb unterstützt er entsprechende Schulprojekte, wo immer er kann. Dabei weiß er sich einig mit dem Dichter Christian Morgenstern, der schon vor mehr als hundert Jahren schrieb: „Wehe dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt“.

Ihre Sabrina

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