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(GZ-11-2015)
Neues von Sabrina
 
Das Kreuz mit dem Bargeld

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Welche Schnapsidee, Bargeld abzuschaffen. Stellen Sie sich die Welt vor, in der wir alle nur mit Karten, Apps und anderem Klimbim bezahlen. Da weiß man doch gar nicht mehr, was man zur Verfügung und was schon ausgegeben hat.“ Mein Chef, der Bürgermeister, verfolgte verdrießlich die vorgezogene Sommerlochdiskussion über die Abschaffung des Bargelds, wie sie von Volkswirtschaftlern angestoßen wurde.

Wenn ich es recht sehe, steht mein Chef im Mainstream, wenn er die Abschaffung des Bargelds ablehnt. Deutsche lieben Bares, für uns die geprägte Freiheit, wie Dostojewski sagte, auch wenn wir uns darüber klar sind, dass es viel mehr „ungeprägtes“ Geld gibt als Münzen oder Scheine. Denn wir sind bei aller Achtung vor Hart- und Papiergeld ja keine Hinterwäldler der Tauschwirtschaft und erledigen doch die meisten Zahlungen per Überweisung, Abbuchungsauftrag, Konto- oder Kreditkarte, also ohne uns beim Zahlen die Finger schmutzig zu machen. Damit ist jetzt nicht gemeint, dass die Verfechter der Abschaffung des Bargelds auch den Kampf gegen Korruption und Schwarzarbeit als Ziel propagieren, da man schmutzige Geschäfte mit dem anonymen Cash einfach besser erledigen kann, als mit prinzipiell nachweisbaren bargeldlosen Transaktionen. Nein, ich meine schlicht, dass Münzen und besonders Noten, die tagtäglich durch mancherlei Hände gehen, einfach dreckig und keimbelastet sind. Setzen Sie sich mal vier Stunden an eine Supermarktkasse und waschen sich dann die Hände – da kommt eine Brühe runter!

Hand aufs Herz – auch die Stadtverwaltung würde es am liebsten sehen, wenn alle Zahlungen nur mehr unbar laufen würden. Klar gibt es noch die Amtskasse, an deren Schalter man die Gebühren für den neuen Ausweis oder Führerschein mit geprägten und gedruckten Euros begleichen kann. Aber summa sumarum, von den Kosten für Sicherheit, Wechselgeld bis hin zum Kassenbestand, ist der Bargeldzirkus teurer als eine Überweisung oder Abbuchung von der GiroCard.

Wissen Sie, warum ich trotzdem gegen die Abschaffung von Bargeld bin? Wie sollen Kinder ohne Bargeld den Umgang mit Geld lernen? Wer erinnert sich nicht an seine Jugend, als der Besuch der Tante todlangweilige Stunden versprach und diese Aussicht nur durch die Erwartung aufgehellt wurde, von ihr einen Fünfer geschenkt zu bekommen. Wer könnte nicht vom verzweifelten Sparen auf ein von den Eltern für unvernünftig gehaltenes Sehnsuchtsobjekt, ein Fahrrad, einen Computer, high-fashionable Sneakers, berichten, vom Hochgefühl, wenn das Geld nach langen Monaten des Rasenmähens, Hunde-Gassi-führens und Babysittens zusammen war und die Scheine, die den Weg zur Erfüllung der Sehnsucht ebneten, endlich komplett in den Händen lagen. Und dann der Moment, als zwar das Objekt der Begierde in unserem Besitz war, sich aber trotzdem ein Gefühl der Leere und des Verlustes breitmachte, weil das viele schöne Geld, die Scheine in verschiedenen Farben, weg waren. So lernten wir den Wert von Geld zu schätzen und die Mühen, die es für seinen Erwerb braucht.

Wie soll all das in einer Welt ohne Bargeld funktionieren? Aktiviert die Tante eine App und überweist fünf Euro auf das Konto der Nichte, wenn diese artig ihren Knicks zelebriert hat? Wird es eine Sparfunktion beim Online-banking geben, die dem Jugendlichen verrät, wie weit oder nahe er seinem Sparziel ist? Kommt ein trauriges Emoji auf den Bildschirm, wenn bezahlt wurde? Kann man es gegen ein wütendes Emoji austauschen, wenn sich das Rad als Schrott erwies oder die Schuhe den Freundinnen nicht den Neid ins Gesicht trieben?

Mein Chef, der Bürgermeister, schüttelte sich bei dem Gedanken an diese schöne neue scheinlose Welt. Nein, Kinder und Jugendliche brauchen Bargeld, das haptische Erlebnis des Entgegennehmens und Ausgebens, um zu lernen, was Geld ist. Punkt. Eine abstrakte Zahl auf einem Bildschirm ist halt etwas ganz anderes, als dieselbe Zahl auf einer Münze oder einem Schein. Zum Schluss ließ er noch den Spötter Kurt Tucholsky aus der analogen Welt zu Wort kommen: „Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da beziehungsweise nicht da - meist nicht da.“

Ihre Sabrina

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