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(GZ-14-2017)
Neues von Sabrina
 
Lifehacks im Internet

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Gibt es das eigentlich noch, eine Sammlung alter Hausrezepte, wie wir sie alle früher von unseren Eltern und Großeltern bekommen haben oder die in den großen Hausbüchern und den Anleitungen für Hausfrauen so liebevoll gesammelt wurden?“ 

Mein Chef, der Bürgermeister, hat den alten Eheratgeber von zu Hause mitgebracht, den seine Mutter zur Hochzeit überreicht bekam. Wahrscheinlich von der um das leibliche Wohl ihres Sohnes besorgten Schwiegermutter. Er hatte das mitleiweile zum Zeitzeugnis gewordene Buch beim Stöbern auf dem Dachboden entdeckt.

Allein die Frage war ja so etwas von vordigital! Ich klärte ihn auf, dass man heutzutage Lifehacks im Internet sucht, die in erstaunlicher Vielfalt Tipps und Tricks für nahezu jede Lebenslage bereithalten. Allein wer nach Linderung für die drei schlimmsten Plagen der Menschheit sucht (die Weinflasche ohne Korkenzieher, die Bierflasche ohne Öffner und das Bierfass ohne Hahn) wird auf unzähligen Seiten fündig – von praktikabel bis abgedreht, von ernstgemeint bis zum Veräppeln. Da findet man physikalisch wohl kompetente, aber lebensferne Geister, die empfehlen, eine Weinflasche so lange zu erhitzen, bis der Korken rausschießt, Aber auch Pfiffikusse, vor denen man den Hut ziehen muss. Die stecken die Weinflasche in einen Schuh und schlagen so lange horizontal an eine Mauer, bis der Korken sich ausreichend gelockert hat.

Lifehacks bereichern so die bunte Infowelt des Internets um ganz wichtige Fassetten. Sie stehen neben Tutorials, die so wichtige Fragen wie das effektive Flechten von Zöpfen (unglaublich entspannend und inspirierend, wenn man mal bei einer längeren Arbeit in ein frustrierendes Motivationsloch fällt), umweltfreundliches Schminken oder die Frage aller Fragen „Welche Farben kann man diese Saison gut kombinieren?“ dem geneigten Publikum nahe bringen.

Für unentschlossene oder uninspirierte Verbraucher gibt es dann noch die so genannten Hauls, in denen ganz „normale“ Leute ihren Wocheneinkauf in einem bestimmten Laden vorstellen, die Preise verraten und dann vom Spülstein über den Franzbranntwein bis zur Kohletablette mehr oder weniger passende und informative Kommentare zu den Produkten abgeben.

Natürlich sind solche Angebote mittlerweile genau auf die Zielgruppen zugeschnitten. Vorbei die Zeiten, da Tutorials oder Hacks nur von nervigen, hibbeligen Jugendlichen mit sich hysterisch überschlagender Stimme produziert wurden. Heutzutage kommt auch der reifere Ratsuchende, der Do-It-Yourself-Freak oder der umweltbewusste Verbraucher auf seine Kosten, der wissen möchte, welche Alternativen zum Wegwerfen es etwa für Plastikflaschen, Dosen oder T-Shirts gibt oder wie man ökologische Fingerfarben selbst herstellt. Auch Spartenangebote gibt es, wie Party Hacks, Travel Hacks oder Food Hacks.

Mein absoluter Liebling zur Zeit: Die PrepMeal-Ratgeber. Ich kenne das noch aus meinem Elternhaus. Da hat meine Mutter, wenn sie etwa über ein verlängertes Wochenende eine Freundin besuchte, meinem in traditionellen Rollenmustern aufgewachsenen Vater für jeden Tag etwas zu essen hergerichtet, das er nur warmmachen musste. Später, als sich die Fähigkeiten meines Dad zu Sorgearbeit weiter entwickelten, bereitete sie Speisen vor und fror sie im Tiefkühlschrank ein. Das ganze nannte sich Vorkochen. Heute ist daraus die Prep-Meal-Welle geworden und ganze Legionen von Frauen und Männern tauschen sich darüber aus, wie man am besten schmackhafte Mahlzeiten haltbar für den späteren Verzehr vorbereitet. Meine Mutter würde platzen vor Lachen.

Meinem Chef, dem Bürgermeister, steht aber endgültig der Mund offen, als ich ihm verrate, dass für die letzten analogen Wesen die besten Tipps aus den (meist kostenfreien) Hacks jetzt auch sukzessive in Buchform erscheinen. Ganze Serien gibt es bereits käuflich zu erwerben. Da sage noch mal einer, aus dem Aphorismus der Marie von Ebner-Eschenbach könnte man keine Geschäftsidee entwickeln: „Wenn jeder dem Anderen helfen wollte, wäre allen geholfen.“

Ihre Sabrina

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