Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-18-2016)
gz kommentatorin gabriele bauer
 
► Gabriele Bauer, stv. KPV-Landesvorsitzende, Oberbürgermeisterin Stadt Rosenheim:
 
Stadtentwicklung: Konzeptionelle Chancen und Risiken

Liebe Leserinnen und Leser,

die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum war das zentrale Thema bei der Vollversammlung des Bayerischen Städtetags in Memmingen. Das Problem: Die staatliche Wohnungsbaupolitik ist nicht stringent von diesem Ziel her gedacht. Sie wird gebremst durch vielerlei technische, ökologische, planerische, steuer- und finanzpolitische Restriktionen. Daraus resultiert eine in sich widersprüchliche Politik. Staatliche Wohnungsbaupolitik konterkariert sich selbst.

Drei Beispiele: Nach Zahlen der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ sind seit dem Jahr 2000 die Bauwerkskosten – haupt-sächlich bedingt durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) – um 36 Prozent gestiegen. Allein durch die EnEV 2016 werden weitere 7 Prozent draufgepackt. Dazu kommen kostentreibende Anforderungen wie Barrierefreiheit, Brand- und Schallschutz. Wer glaubt, kostengünstiger Wohnraum (Mieten von 6 bis 8 Euro/ qm) sei mit solchen Regulierungen zu schaffen, sollte einen Grundkurs in Immobilienwirtschaft belegen.

Zur Baulandmobilisierung und als Strategie gegen Bodenversiegelung wird Nachverdichtung propagiert. Wegen der hohen Immobilienpreise in den Innenstädten können sich aber nur Besserverdienende diese Form der Baulandentwicklung noch leisten. Gebot der Stunde wäre die Schaffung neuen Baurechts in Stadtrandlagen oder auf Brachflächen. Das aber ruft einen komplexen Umwelt-, Arten- und Naturschutz auf den Plan. Die Frage sei erlaubt, ob es Ergebnis einer angemessenen Abwägung sein kann, wenn wegen einer kleinen Kröten-Population die Schaffung von 100 Wohnungen um ein Jahr verzögert wird oder die Umsiedlung von 1.000 Eidechsen sechsstellige ökologische Ausgleichsinvestitionen erfordert.

Die neue Immobilienkredit-Richtlinie bewirkt, dass Durchschnittsverdiener und Rentner ein Eigenheim oder dessen Renovierung nicht mehr finanzieren können – u.a. weil, anders als z.B. in Österreich, der Wert einer Immobilie nicht mit angesetzt werden darf. Ein bürokratischer Knieschuss, der ohne Not dringend notwendige private Investitionen in den Wohnungsbau hemmt.

Wenn die Bundes- und Landespolitik sich nicht wieder auf die ordnungspolitischen Wurzeln der Wohnungsbaupolitik besinnt, bleiben alle Versuche, die Bautätigkeit anzukurbeln, Stückwerk. Aus guten Gründen war in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, als die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft noch hoch gehalten wurden, Wohnungsbaupolitik immer auch Eigentumspolitik. Dieser Aspekt ist mit den zahlreichen Wohnungsbauprogrammen, die sich an Staat und Kommunen selbst adressieren, weitgehend aus dem Blickfeld geraten.

Wer glaubt, primär der Staat könne den Wohnungsmangel in Deutschland lösen, wird scheitern. Es braucht private Investoren. Sie wurden durch die Abschaffung von Eigenheimzulage und Baukindergeld sowie der degressiven Abschreibung, durch viele kleine steuerrechtliche Verschlechterungen und durch das Mietrecht von Investitionen in den Wohnungsmarkt nachhaltig abgeschreckt. Das rächt sich jetzt. Diese investitionsfeindlichen Regulierungen wieder zurückzunehmen muss der eigentliche Dreh- und Angelpunkt einer zielorientierten Wohnungsbaupolitik sein. Nur so werden eine nachhaltige Ausweitung des Wohnraumangebots und die Erhöhung der im europäischen Vergleich erheblich unterdurchschnittlichen Wohneigentumsquote in Deutschland gelingen.

Ihre Gabriele Bauer, stv. KPV-Landesvorsitzende, Oberbürgermeisterin Stadt Rosenheim

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