Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-11-2016)
Kommentar von Georg Huber
 
► Georg Huber, Landrat des Landkreises Mühldorf am Inn:
 
Integrationsgesetz muss die Menschen vor Ort unterstützen

Liebe Leserinnen und Leser,

Integration per Gesetz – kann das funktionieren? Integration kann natürlich „von oben“ verordnet werden, aber für ein gelingendes Miteinander bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen. Ein Gesetz, das vor allen Dingen die Kommunen, die Menschen vor Ort unterstützt, ist unbedingt begrüßenswert, ja besser gesagt, ist zwingend notwendig.

Denn sie sind es – die Menschen in den Landkreisen, in den kreisfreien Städten und Gemeinden vor Ort, die vor der großen Herausforderung stehen, die neu in Deutschland angekommenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Biographien in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ging es im vergangenen Jahr zunächst in erster Linie um die Organisation und Verwaltung der Erstaufnahme der vielen ankommenden Asylbewerber, rückt nun das gesellschaftliche Miteinander in den Fokus. Damit es ein Miteinander und kein Nebeneinander oder gar Gegeneinander wird, bedarf es gut durchdachter Regularien, die ein Gesetz klar und strukturiert vorgeben muss.

Integration umfasst alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens. Daher darf sich ein Gesetz nicht in Allgemeinplätze verlieren, sondern muss anhand konkreter Lösungsansätze und Handlungsmöglichkeiten die Richtung vorgeben. Dazu gehört auch, dass die Lasten gleichmäßig und gerecht verteilt werden. Die angedachte Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge ist ein wichtiger Baustein, damit keine sozialen Brennpunkte entstehen. Eine konsequente Umsetzung des Königsteiner Schlüssels ist Grundvoraussetzung, um die Bildung von Ghettos zu verhindern. Hier besteht noch Nachbesserungsbedarf, da derzeit noch nicht geklärt ist, wie die Wohnsitzauflage abgewickelt werden soll.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der verpflichtende Zugang zu Integrationskursen. „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“, beschrieb bereits Wilhelm von Humboldt die Bedeutung der Sprache für die Integration. Daher ist die Schaffung der rechtlichen Grundlagen sowohl für die Verpflichtung als auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten bei der Verweigerung dieser Angebote erforderlich. Die bisherigen Eingriffsmöglichkeiten für die Ausländerbehörde waren und sind nicht ausreichend. Eine ähnliche Vorgehensweise muss auch für die Beschäftigung von Asylbewerbern gelten. Die Schaffung zusätzlicher Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln, die sogenannten Flüchtlingsintegra-tionsmaßnahmen (FIM) ist ein erster Schritt. Die Praxis vor Ort zeigt, dass die Arbeiten gerne angenommen werden und eine sinnvolle Beschäftigung der Asylbewerber, die sich noch im Verfahren befinden, ermöglichen. Aber auch hier müssen Sanktionsmöglichkeiten greifen, wenn Arbeit verweigert wird.

Eine weitere wichtige Forderung, die wir vor Ort immer wieder von der Wirtschaft als „Haus-aufgabe“ bekommen, ist die Schaffung von Rechtssicherheit für Ausbildungsbetriebe, um zu verhindern, dass Azubis kurzfristig abgeschoben werden können. Auch die Beschäftigungsverordnung an sich muss auf den Prüfstand. Der befristete Verzicht auf eine Vorrangprüfung könnte die Verfahrensdauer bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis deutlich verkürzen. Entscheidend wird hierbei jedoch sein, wie der Begriff des Agenturbezirks mit „unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote“ auszulegen ist, denn nur dort wird diese Erleichterung durchgesetzt werden.

Summa Summarum kann man sagen, dass ein Integrationsgesetz mit einem entsprechenden Maß an „Fördern und Fordern“ zu begrüßen ist, aber Erfahrungen aus der Praxis miteingearbeitet werden müssen, damit aus dem schwammigen Begriff der Integration ein definierter Rahmen wird. Übrigens ist es bei der Debatte um das neue Gesetz meiner Meinung nach nicht zielführend, über Begrifflichkeiten wie „Leitkultur“ zu streiten. Vielmehr kommt es doch auf den Inhalt des Gesetzes an.

Zu guter Letzt muss auch über das liebe Geld gesprochen werden. Es kann nicht sein, dass die Kommunen mit den hohen Kosten allein gelassen werden. Das geht von der Unterstützung bei den Wohnkosten über Hartz IV bis hin zu den erhöhten Personalkosten. Auch das gilt es noch zu klären. Denn mehr Aufgaben bedeutet mehr Kosten. Bund und Land sind hier weiter gefordert, die Kommunen zu unterstützen. Denn schließlich bieten die Kommunen und der ländliche Raum hervorragende Integrationsperspektiven: überschaubare Strukturen, viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, ein dichtes soziales Netzwerk und gute Erwerbschancen. Dies zu unterstützen und zu honorieren, ist auch Aufgabe des neuen Integrationsgesetzes.

Ihr Georg Huber, Landrat des Landkreises Mühldorf am Inn

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