Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-18-2019)
gz kommentator josef mederer
 

► Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern, Präsident des Bayerischen Bezirketags:

 

Für Bürokratiemonster müssen wir unsere Rücklagen plündern

Liebe Leserinnen und Leser,

die gute Nachricht zuerst: Trotz großer finanzieller Unwägbarkeiten wird der Bezirk Oberbayern die Bezirksumlage aller Voraussicht nach auch 2020 stabil bei 21 Prozentpunkten halten können. Zu diesem Ergebnis kommt die Kämmerei des Bezirks trotz gesetzlicher Änderungen, die zu deutlichen Mehrausgaben in der Eingliederungshilfe und in der Hilfe zur Pflege führen.

Vor wenigen Tagen habe ich die oberbayerischen Landräte und Oberbürgermeister über diese Prognose, die natürlich noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bezirkstags in der Haushaltssitzung im Dezember steht, informiert. Die Zusage, die Umlage stabil zu halten, ist schwer erkämpft. Meine Zielvorgabe an die Kämmerei war ein genehmigungsfreier Haushalt, also ohne Kreditaufnahmen und Verpflichtungsermächtigungen. Das sollte möglich sein, möchte man meinen, bei 10, 8 Prozent Umlagekraftsteigerung in Oberbayern im Jahr 2018, die die Bemessungsgrundlage für den Bezirkshaushalt 2020 ist.

Dennoch gelingt uns die Umlagestabilität nur mit einem kräftigen Griff in unsere Rücklage: Geplant sind 48,8 Millionen Euro Entnahme. Damit vermeiden wir 0,5 Prozentpunkte Umlageerhöhung und plündern deshalb unsere Rücklage, so dass wir nicht mehr weit entfernt vom Mindestbestand sind. Verantwortlich für die Mehrausgaben sind gesetzliche Regelungen, die die Ausgaben der Bezirke dauerhaft stark belasten werden. So regelt das Bundesteilhabegesetz ab 2020 wesentliche Bereiche der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen neu. Was als großer Schritt in die richtige Richtung, nämlich selbstverständliche Teilhabe und Gleichberechtigung, gedacht war, entpuppt sich zunehmend als Bürokratiemonster. Die gesetzlich nun vorgeschriebene Trennung der Fachleistung von den existenzsichernden Leistungen bedeutet beispielsweise, dass zwei getrennte Bescheide berechnet und erlassen werden müssen.

Das Gesetz verursacht trotz äußerst kostenbewusstem Umgang mit Ressourcen einen gigantischen Verwaltungsmehraufwand mit Personalmehrungen bei uns, ohne dass bei den betroffenen Menschen mehr Geld oder Leistung ankommt. Das bedauere ich sehr. Außerdem werden deutlich höhere Freigrenzen für Einkommen und Vermögen eingeführt. Auch das geplante Angehörigen-Entlastungsgesetz bei der Hilfe zur Pflege ist für uns eine schwer kalkulierbare Veränderung. Kinder mit einem Jahreseinkommen bis zu 100.000 Euro sollen nicht mehr für die Pflegekosten ihrer Eltern herangezogen werden.

Dies ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung des Bundes, die dann aber von den Kommunen finanziert werden muss – ohne Kompensation. Was tatsächlich an Mehrkosten auf uns zukommt, ist eine große Unbekannte. Für 2020 kalkulieren wir für beide Bereiche mit einem Plus von rund 74 Millionen Euro. Dazu kommen Personalkostensteigerungen, Fachkräftemangel und nach wie vor eine finanzielle Belastung durch die Kostenerstattungspflicht vor vormals minderjährig unbegleitet eingereisten Jugendlichen, die als junge Erwachsene weiter in der Jugendhilfe betreut werden.

Das weiteren sinken für den Bezirk Oberbayern die Zuweisungen des Freistaats Bayern nach Art. 15 Finanzausgleichgesetz voraussichtlich um rund 40 Millionen Euro. Das sind ernüchternde Zahlen, die zu einem großen Loch in unserem Etat führen. Die Zahlungen nach Art. 15 bringen uns gerade durch die erste Hälfte des Monats Januar. Ab dann finanziert sich der Bezirkshaushalt über die Bezirksumlage. Die gesamte kommunale Familie in Oberbayern wird dadurch stark belastet. Im nächsten Jahr können wir die steigenden Ausgaben mit dem beherzten Griff in unsere Rücklage noch puffern, aber der Sozialetat wird auch 2021 steigen, bei mutmaßlich sinkendem Steueraufkommen.

Ihr Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern, Präsident des Bayerischen Bezirketags

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