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(GZ-18-2019)
GZ 18 Interview mit Uwe Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke Passau GmbH
 

► GZ-Gespräch mit Uwe Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke Passau GmbH:

 

Kommunale Versorger-Allianz: 450 MHz-Frequenz im Visier

Uwe Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke Passau GmbH: „Kommunale Stadtwerke brauchen für den Notfall sichere Kommunikationsmöglichkeiten.“

Nach langwierigen Verhandlungen um die 5G Frequenzbereiche hat die Bundesnetzagentur in diesem Jahr ein weiteres Vergabeverfahren in Angriff genommen, denn zum 31. Dezember 2020 laufen die Verträge für zwei wichtige Frequenzbereiche im Bereich 450 MHz aus. Wer letztlich das Rennen machen wird, steht noch nicht fest. Für die Energie- und Wasserwirtschaft wäre der Zuschlag freilich eminent wichtig, erläutert Uwe Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke Passau und Mitglied in der Versorger-Allianz 450, im Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung.

Rund 170 Branchenunternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft, darunter überwiegend kommunale Stadtwerke, haben sich deshalb zur Versorger-Allianz 450 zusammengeschlossen. Diese Initiative bewirbt sich mit einem eigenen Modell für die gesamte Branche und fordert die ausschließliche Zuteilung der 450 MHz-Frequenz.

Fokussierung auf Gemeinnützigkeit und Daseinsvorsorge

„Wir wollen ein Modell, an dem sich alle Energieversorger beteiligen können“, betont Uwe Horn für die Unterstützer der Versorger-Allianz 450. Die Gewinnerwartung solle entsprechend der Aspekte Gemeinnützigkeit und Fokussierung auf die Daseinsvorsorge freiwillig begrenzt werden. Darin unterscheide man sich von dem Modell des Konkurrenten 450connect GmbH. Finanziert würde das Netz bei unserem Modell durch das Kapital der Energieversorger und refinanziert durch den Verkauf von Kommunikationsleistungen an Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zu jeweils gleichen, maßvollen und diskriminierungsfreien Konditionen.

Aktuell liegen die Nutzungsrechte für das 450-MHz-Spektrum bis zum 31.12.2020 noch bei der Deutschen Telekom und der 450connect GmbH, einer Tochtergesellschaft des niederländischen Energie- und Telekommunikationsbetreibers Alliander. Während die Deutsche Telekom keinen Bedarf mehr angemeldet hat, will die 450connect GmbH, die seit Jahren in Kooperation mit großen Energieversorgern sukzessive ein überregionales Funknetz zur Steuerung der Stromnetze sowie zu deren schnellen Wiederherstellung nach Stromausfällen aufbaut, das Netz nach erneuter Zuteilung der Frequenznutzungsrechte ab 2021 zügig zu einer nationalen Funknetzplattform für Energieversorger und andere kritische Infrastrukturen ausbauen.

Divergierende Interessen

In Konkurrenz zur Bewerbung der Versorger-Allianz 450 und der 450connect GmbH steht die Bedarfsanmeldung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). Sie beansprucht das 450-MHz-Frequenzspektrum für den Aufbau eines breitbandigen (Daten-)Funknetzes für die BOS und die Bundeswehr in Ergänzung zum bestehenden Digitalfunknetz, das fast ausschließlich der Sprachkommunikation dient. Um eine Lösung der divergierenden Interessenslagen ringen auf der ministeriellen Ebene seither Bundesverkehrs-, Bundeswirtschafts-, Bundesinnen- und Bundesverteidigungsministerium.

Wie Horn betont, führe die mit Wind- und PV-Einspeisung verbundene Volatilität zu immer schwieriger zu beherrschenden Netzsituationen, wodurch die Risiken im Netz stetig steigen. Zudem werde die E-Mobilität enorme Anforderungen an den Netzbetrieb stellen. Die Dezentralität der Energieversorgung führe zur Steuerung einer weitaus größeren Zahl von Anlagen.

Auch die Versorgung in den Krankenhäusern sei ein Thema, ebenso u. a. die Verkehrsleitplanung, die Notfallkommunikation im Falle eines Blackouts der Stromversorgung zum Beispiel durch Cyber-Attacken oder aber auch die Überwachung von Rohrleitungen. 

„Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten werden immer größere Bedeutung gewinnen. Energieversorger brauchen neue Werkzeuge, die für die heutige Zeit passen – auch und gerade im Bereich der Kommunikation“, stellte Horn fest. Für die sichere Umsetzung der Energiewende unter Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit müssten Netze, Lasten, Speicher und Erzeuger zuverlässig beobachtbar und steuerbar sein. Diese Anforderung müsse insbesondere bei großflächigen Stromausfällen erfüllt sein (sog. Schwarzfall).

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, benötigten die Akteure der Energiewirtschaft krisenfeste und flächendeckende Kommunikationstechnologien, mit denen sie Einspeisung und Verbrauch von Strom steuern können.

Wenige Antennenstandorte

Das 450-MHz-Funknetz stelle sowohl die mobile Sprachkommunikation bei Störungen und im Krisenfall als auch die Anbindung und Netzintegration von dezentralen Erzeugungsanlagen, Speichern und Lasten sicher, verbessere zudem die Verfügbarkeit netzdienlicher TK-Dienste im ländlichen Raum und in Gebäuden und biete als Netz für die kritische Infrastruktur Energieversorgung Synergien und Skaleneffekte zur optimalen Nutzung des Frequenzbereichs.

Aufgrund der Frequenzeigenschaften biete ein solches Funknetz die notwendige Gebäudedurchdringung und erfordere zudem verhältnismäßig wenige Antennenstandorte (ca. 1.600) in der Fläche, hob Uwe Horn hervor. Dadurch sei es im Vergleich zu anderen Funknetzen nicht nur technisch besser geeignet, sondern lasse sich auch deutlich einfacher und kostengünstiger errichten und betreiben.

Während Betreibern kritischer Infrastrukturen der Energie-und Wasserwirtschaft bislang keine Frequenzen zugeteilt wurden, verfügten die BOS neben dem TETRA Funk bereits über ein weiteres Spektrum im 700 MHz-Frequenzbereich für die mobile Breitbandkommunikation für Sicherheits- und Rettungskräfte in Deutschland. Die BOS sei mit ihren Frequenzbereichen also gut bedient.

Verschmelzung von BOS- und KRITIS-Funk problematisch

Eine Verschmelzung von BOS- und KRITIS-Funk zu einem einzigen Hybrid-Netz, das der BDBOS vorschwebt, hält die Versorger-Allianz 450 für „riskant“, da z.B. eine Cyber-Attacke auf dieses eine System dann nicht nur zum Ausfall der BOS-, sondern auch der KRITIS-Kommunikation führen könnte.

„Die Nutzung von 450 MHz durch die Energiewirtschaft wäre volkswirtschaftlich am sinnvollsten und kostengünstig, weil bestehende Standorte nur ertüchtigt werden müssten“, führte Horn aus. Bekomme man den Zuschlag und fiele das bestehende BOS-System einmal aus, biete sich zudem die Möglichkeit, die notwendigen Dienste den BOS zur Verfügung zu stellen. „Dieses Modell zur Zusammenarbeit mit BOS hielten wir für die deutlich bessere Lösung“, bekräftigte der Sprecher für die Versorger-Allianz.

„Die Stadtwerke stehen für Daseinsvorsorge, eine sichere Infrastruktur sowie eine sichere Gas,- Wasser- und Stromversorgung“, ergänzte Uwe Horn. Um dies gewährleisten zu können, müsse die Kommunikation, mittels derer die Bereitstellung dieser Dienstleistung erfolgt, unter allen Bedingungen und über einen längeren Zeitraum sichergestellt sein. „Dafür wäre die 450 MHz-Technik genau das richtige Werkzeug.“

DK

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