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(GZ-21-2019)
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► 51. Landrätetagung in Bad Füssing:

 

Mehr Lebensqualität durch Digitalisierung

 

Bad Füssing als Europas größtes Heilbad war für zwei Tage Veranstaltungsort der 51. Landrätetagung des Bayerischen Landkreistages. Die jährlich stattfindende interne Fachtagung gab den 71 bayerischen Landrätinnen und Landräten erneut die Möglichkeit, sich über Landkreisgrenzen hinweg und fernab des Tagesgeschehens auszutauschen. Im Mittelpunkt standen die Digitalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge und damit die enormen Potenziale für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von Stadt und Land.

V.l.: Dr. Johann Keller, Christian Bernreiter, Judith Gerlach, Franz Meyer, Alois Brundobler. Bild: Bayerischer Landkreistag/Honold
V.l.: Dr. Johann Keller, Christian Bernreiter, Judith Gerlach, Franz Meyer, Alois Brundobler. Bild: Bayerischer Landkreistag/Honold

„Die Digitalisierung kann gute Antworten auf viele kommunale Herausforderungen geben und sie kann – was entscheidend ist – die Lebensqualität in allen Landkreisen verbessern, so dass jedermann profitiert“, so Landkreistagspräsident Christian Bernreiter, Landrat von Deggendorf, bei der Eröffnung. Neben der Bayerischen Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, MdL, die zu den Chancen und Herausforderungen des Digitalstandortes Bayern referierte, standen am 1. Veranstaltungstag die digitale Bildung, die Digitalisierung der Medizin und des ÖPNV im Vordergrund.

Unterstützung für Landkreise und Kommunen

Laut Ministerin Gerlach kann die digitale Verwaltung nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Bayerische Staatsregierung unterstütze daher Landkreise und Kommunen unter anderem mit gut 43 Millionen Euro für das „Digitallabor Bayern“ und das Förderprogramm „Digitales Rathaus“. Auch bei der digitalen Baugenehmigung werde Hand in Hand gearbeitet, erläuterte Gerlach.Bayern habe beim eGovernment den Turbo gezündet und wolle die wichtigsten 54 Verwaltungsleistungen bereits Ende 2020 umgesetzt haben.

Machen statt reden

„Damit sind wir Vorreiter in Deutschland und deutlich schneller als der Bund“, erklärte die Ministerin und ergänzte: „Wir machen, während andere nur reden. Wir haben mit Authega ein Verfahren entwickelt, das sich bei der Online-Steuererklärung über ELSTER bundesweit bewährt hat – anders als die umständliche Lösung mit dem neuen Personalausweis. Wir wollen dieses Verfahren zum Standard in der digitalen Verwaltung machen, auch in den anderen Ländern und beim Bund. Aktuell arbeiten wir daran, dass Anträge auch digital unterschrieben werden können. Dort, wo das Gesetz die Schriftform vorschreibt, wollen wir einen Ersatz in Form einer digitalen Unterschrift.“

Schule digital

„Gemeinsam bringen wir den digitalen Wandel an unseren Schulen in Bayern erfolgreich voran“, hob der Amtschef im Kultusministerium, Herbert Püls, hervor. Er dankte den Landräten für die vertrauensvolle Zusammenarbeit: „Wir stehen im ständigen Dialog mit allen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene, um beispielsweise gemeinsam Lösungsansätze für Konzepte zur Wartung und Pflege der IT-Infrastruktur zu entwickeln.“

Der Freistaat investiere kraftvoll in die IT-Ausstattung der Schulen: So stellt er allen Sachaufwandsträgern 212,5 Millionen Euro zur Verfügung – davon 150 Millionen Euro für die Einrichtung digitaler Klassenzimmer. Hinzu kommen rund 778 Millionen Euro aus dem DigitalPakt Schule des Bundes, von denen über 650 Millionen Euro in schulische Maßnahmen in Bayern fließen. Bei dieser Digitaloffensive spielt auch die Unterstützung und Fortbildung der Lehrkräfte eine entscheidende Rolle:

Digitale Fortbildung

Mit über 200 zusätzlichen Lehrerstellen für digitale Bildung, der „Beratung für digitale Bildung in Bayern“, die Schulen und Aufwandsträger in Fragen der Medienpädagogik und der IT-Ausstattung unterstützt und einer flächenwirksamen Fortbildungsoffensive nimmt Bayern bei der Stärkung der Lehrerkompetenzen in Deutschland einen Spitzenplatz ein. „Keine noch so gute Technik entfaltet ihre Wirkung ohne pädagogisches Einfühlungsvermögen, ohne engagierte und im Umgang mit digitalen Medien fitte Lehrkräfte, die unseren Schülerinnen und Schülern zeigen, wie man diese gewinnbringend und verantwortungsvoll nutzt“, erklärte Püls.

Wie telemedizinische Ansätze die Gesundheitsversorgung verbessern und gleichzeitig auch mögliche Lücken schließen könnten, zeigte Dr. Asarnusch Rashid vom Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen auf. Verschiedene Landkreise arbeiten bereits heute mit dem Zentrum zusammen.

Medizin digital

Anhand einiger Beispiele erläuterte Rashid, wie sich Ärzte per Videokommunikation und Datenaustausch besser austauschen und gegenseitig mit ihrer Expertise unterstützen können. Dabei hob er auch die Bedeutung der Moderation zwischen den Beteiligten hervor, damit eine gemeinsame Vorgehensweise abgestimmt werden kann. Zudem erläuterte er die Potenziale technischer Assistenzsysteme im häuslichen Umfeld, um aufzuzeigen, wie auch die Pflege
digitale Versorgungsmodelle aufbauen kann.

Dr. Rashid empfahl den Landräten, in den einzelnen Regionen den Bedarf an Vernetzung und Digitalisierung mit den Akteuren vor Ort zu prüfen und gerne das ZTM zur Information und Planung bzgl. der Möglichkeiten zur Digitalisierung und Vernetzung hinzuzuziehen. Darüber verwies er auf die Bedeutung der Qualifikation der Fachkräfte für den Umgang mit der Digitalisierung, damit besser verstanden wird, wie sie die Technik in ihren Arbeitsalltag integrieren können. Als Voraussetzung seien die Rahmenbedingungen in der Infrastruktur (u.a. Breitbandanschlüsse, Mobilfunk) zu schaffen. Das ZTM bietet jeder Institution ein unverbindliches Informationsgespräch an, um die Möglichkeiten der Digitalisierung kennenzulernen und die Chancen und Tücken zu besprechen. So kann jeder von dem Erfahrungsschatz des ZTM profitieren.

Mobilitätswende mit Digitalisierung

Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer der MVV Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH, befasste sich seinerseits mit dem Stellenwert der Digitalisierung des ÖPNV bei der Mobilitätswende. Für eine verkehrstechnische Entlastung der Region müssten Takte verkürzt, die Verkehrsträger Tram, Bus, Bahn und andere besser vernetzt und elektronische Tickets noch attraktiver gemacht werden, erklärte Rosenbusch. Seinen Angaben zufolge arbeitet der MVV u.a. an der Erweiterung der Auskunftssysteme wie Ruf-Taxi-Buchungen oder automatische Fahrgastzählsysteme, um feststellen zu können, wo im Fahrplan bei vollen Bussen nachgelegt werden muss. Wie ein erfolgreicher digitaler Kommunalwahlkampf in 2020 aussehen könnte, zeigte sodann Martin Fuchs, Politikberater und Blogger aus Hamburg, auf.

Mit einem neuen Projekt des von Landrat Josef Niedermaier, Landkreis Bad-Tölz Wolfratshausen, geleiteten Bayerischen Innovationsrings startete Tag 2 des Landrätetreffens. Das Projekt wurde in einer ersten Phase gemeinsam mit T-Systems und sieben Pilotlandkreisen umgesetzt. In verschiedenen Workshops wurden wesentliche Herausforderungen der Landkreise in den Handlungsfeldern Gesundheit und Soziales, Innovation und Mittelstand 4.0, #5G Dabei, Wohnen und Arbeiten, Mobilität und Verkehr, Grundversorgung und Zusammenhalt sowie Digitales Bauen und darauf aufbauend Perspektiven für zukünftige Lösungen entwickelt. Die Landräte analysierten intensiv die Ergebnisse des Workshops und wählten aus den zwölf identifizierten Handlungsfeldern diejenigen aus, die gemeinsam auf den Weg gebracht werden sollen.

Elektronische Unterschrift

„Nur wenn Amtssachen vollständig elektronisch eingereicht und digital unterschrieben werden können, bleibt Unternehmen und Bürgern der Weg zum Amt erspart“, stellte Landkreistagschef Bernreiter fest. Während in der „Papierwelt“ die eigenhändige Unterschrift kein großes Problem darstellt und jeder unterschreiben kann, gebe es in der digitalen Welt immer noch erhebliche Hürden. Denn der Gesetzgeber lasse nur ganz bestimmte technische Verfahren zu, mit denen die eigenhändige Unterschrift elektronisch ersetzt werden kann. Im Fachjargon werde das Schriftformersatz genannt. Derzeit seien dies der neue Personalausweis und De-Mail.

Das Problem bei beiden Verfahren ist Bernreiter zufolge, dass sie auch Jahre nach ihrer Einführung noch weit davon entfernt sind, von einer breiten Mehrheit genutzt bzw. akzeptiert zu werden. Nach dem aktuellen eGovernment Monitor 2019 der Initiative D21 und fortiss – Forschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme und Services – haben bislang erst 6 Prozent der Befragten die Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises schon einmal genutzt. Schriftformerfordernisse stellen damit eine wesentliche Hürde für die digitale Verwaltung dar. Alleine im Verwaltungsrecht des Bundes wurden Anfang 2014 knapp 3.000 Schriftformerfordernisse identifiziert, wovon nur 20 Prozent als verzichtbar eingestuft worden sind.

„In der heutigen Welt fehlt es überall an Zeit. Wir brauchen für die digitale Unterschrift daher Lösungen, die von einer breiten Mehrheit auch akzeptiert und genutzt werden. Das in Steuerangelegenheiten bewährte ELSTER-Verfahren könnte es möglich machen“, fuhr der Präsident fort.

Rechtsgrundlagen schaffen

Der Bund müsse endlich die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen. „Unsere Verwaltungsleistungen sollen von unseren Unternehmen und Bürgern auch elektronisch abgewickelt werden können. Deswegen sollen auch neue Rechtsvorschriften gleich so gestaltet werden, dass sie online machbar sind. Aus diesem Grund fordern wir einen wirksamen E-Gov-TÜV, der neue Hürden für die digitale Verwaltung von vorneherein verhindert“, machte Bernreiter deutlich.

Auch die Bayerische Staatsregierung sei für die bayerischen Landrätinnen und Landräte ein entscheidender Partner, um die Digitalisierung der Verwaltung auf die Überholspur zu bringen. Der Verbandschef nannte exemplarisch die „digitale Baugenehmigung“ (gemeinsam mit dem Bauministerium) oder auch das Gemeinschaftsprojekt „digitaler Werkzeugkasten“ (gemeinsam mit dem Digitalministerium).

Unterstützung des Freistaats notwendig

„Wir sind die ersten Anlaufstellen der Bürger, wenn sie ein neues Auto zulassen oder einen Bauantrag stellen wollen. Das bedeutet aber auch, dass wir die Hauptlasten der digitalen Verwaltung schultern. Hier brauchen wir auch in Zukunft die Unterstützung der Staatsregierung. Die Herkulesaufgabe der Digitalisierung unserer Verwaltungen können wir nur mit tatkräftiger Unterstützung des Freistaats bewältigen“, stellte Bernreiter klar.

Als nach wie vor hemmend auf dem Weg zur Digitalisierung erachtet der Präsident „fehlendes Breitband und lückenhaften Mobilfunk“: „Bei allem, was die Digitalisierung für unser aller Leben leisten könnte, müssen wir uns nichts vormachen. Die (digitale) Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hat eine Voraussetzung. Das ist die Infrastruktur. Im bayerischen Koalitionsvertrag steht, dass alle Haushalte in Bayern bis 2025 gigabitfähig sein sollen. In der Praxis sieht es aber nach wie vor etwas anders aus.“

Laut Bernreiter geben die Telekommunikationsunternehmen trotz der guten Breitbandförderprogramme des Freistaats Bayern in Orten mit wenigen Haushalten zum Teil gar keine Angebote mehr ab. Der flächendeckende Breitbandausbau im Hochtechnologieland Deutschland scheitere nicht am Geld, sondern am mangelnden Ausbauwillen der Unternehmen.

„Der ländliche Raum darf bei der Digitalisierung nicht abgehängt werden! Wir brauchen hier die Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung. Mit Rosinenpickerei werden wir unsere Ziele nicht erreichen“, unterstrich der Landkreistagschef. Auch eine lückenlose Mobilfunkversorgung ist aus Sicht der bayerischen Landrätinnen und Landräte zügig sicherzustellen. Trotz mehrfacher Hinweise und Forderungen seitens des Bayerischen Landkreistags habe der Bund bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen ein Verfahren durchgezogen, das nicht auf die Fläche, sondern auf Haushalte abstellt.

Dies bedeutet, dass bis Ende 2022 nur mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland mit mindestens 100 Mbit/s versorgt sein müssen. Nachdem der Ausbau in den kreisfreien Städten für die Betreiber in der Regel wirtschaftlicher ist, träfen damit Versorgungslücken vor allem die Landkreise im ländlichen Raum.

Lückenlose Mobilfunkversorgung

Zudem haben die Mobilfunkanbieter bei den für den ländlichen Raum wichtigen Landes- und Staatsstraßen bis Ende 2024 Zeit, ihre Versorgungsauflagen zu erfüllen. „Wir sind über den Vorstoß der Bayerischen Staatsregierung, die bisherige Vergabepraxis bei den Mobilfunkfrequenzen einer grundsätzlichen und ergebnisoffenen Überprüfung zu unterziehen, froh. Wir müssen den Mobilfunkausbau für eine flächendeckende Versorgung deutlich beschleunigen“, machte Bernreiter abschließend deutlich.

DK

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