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(GZ-13-2019)
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► Mobilität:

 

Bahn statt Auto – wie funktioniert die Mobilitätswende?

 

Welche Maßnahmen sind nötig, damit künftig mehr Menschen in Bayern Busse und Bahnen nutzen? Externe Experten informierten die Ausschussmitglieder über die aktuelle Situation und mögliche Lösungsansätze für den Öffentlichen Nahverkehr, um die Verkehrswende zu erreichen und umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen.

Wenn die von der Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) verlangte Pünktlichkeit nicht erreicht wird, muss die Bahn an den Freistaat Strafe zahlen, die sogenannte Pönale. Wie aus einer Antwort der Staatsregierung vom Frühjahr 2018 hervorgeht, musste die S-Bahn zwischen 2012 und 2016 Strafzahlungen von insgesamt vier Millionen Euro leisten. Der monatliche Schwellenwert von 94, unter dem eine Pönale fällig wird, wurde 2018 fünfmal unterschritten.

Der Jahresschwellenwert liegt bei 96, auch er wurde nicht erreicht. Unpünktlichkeit ist aber nur ein Punkt, der dazu führt, dass weniger Menschen den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) nutzen. Infrastruktur ausbauen, Kapazitäten schaffen, einfachere Tarifsysteme, Angebot und Qualität verbessern – so lauten die zentralen Empfehlungen der zehn Verkehrs-Fachleute. Im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr stellten sie verschiedene Ideen vor, wie sich die Qualität des ÖPNVs verwirklichen lässt.

Verkehrsverbünde für mehr Qualität

„Die Debatte zur Verkehrswende bewegt uns“, sagte Andreas Mäder, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg. „Wer glaubt, dass es in den nächsten zehn Jahren so weitergeht, wie in den letzten zehn Jahren, der ist mit Sicherheit auf dem Holzweg.“ Eine Herausforderung: der Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur. „Hinter Holzkirchen beginnt die ÖPNV-Diaspora , da ist nichts mehr“, bemängelte Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds. Entscheidend sei das Kundeninteresse und deshalb müsse der öffentliche Nahverkehr einfacher, bequemer und transparenter werden. „Solange Autofahren so billig ist, muss der ÖPNV finanziert werden.“

Beantragt hatte die Expertenanhörung die SPD-Fraktion, die von der Staatsregierung mehr Einsatz für die Mobilitätswende fordert. Die Frage von Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), Vorsitzende des Umweltausschusses, ob flächendeckende Verkehrsverbünde sinnvoll seien, bejahten die Experten. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen Bayern, Dr. Robert Frank, verbessern solche Verkehrsverbünde die Qualität des ÖPNV. Neben rechtlichen Hürden sei allerdings mehr Geld nötig, um die entsprechende Organisation zu stemmen. Auch Stephan Kroll von der Nahverkehrsberatung Südwest sieht Verkehrsverbünde als effizient und für die Fahrgäste attraktiv an. Allerdings müsse zuvor die Frage der Finanzierung geklärt sein.

Keine Billig-Tickets

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Körber (FDP) interessierte sich dafür, in wieweit ein verbilligtes 365-Euro-Jahresticket die Attraktivität des Nahverkehrs steigert. Das lehnten die Experten einstimmig ab. Ungeeignet für die Verkehrswende entziehe dieses Angebot dem System dringend benötigtes Geld zulasten des Infrastrukturausbaus, kritisierte der Geschäftsführer der Regionalverkehr Oberbayern, Stefan Kühn.

Das Ziel, mehr PKW aus der Stadt herauszuhalten und die Menschen in den ÖPNV zu ziehen, werde damit nicht erreicht, lautete die Bilanz von Monika Steffen, stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen. Berater Kroll gab allerdings mit Blick auf junge Fahrgäste als Mobilitätsgruppe von morgen zu bedenken, dass Mobilitätsverhalten in der Jugend trainiert werde und sich nicht ad hoc ändere.

Mehr Mobilität auf dem Land

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Inge Aures, konstatierte ein Stadt-Land-Gefälle. Auf dem Land gebe es kaum Alternativen zum Auto. „Insbesondere für die Lebensqualität auf dem Land ist es entscheidend, dass die Menschen ein anderes Verkehrsmittel als ihr Auto nutzen können. Im Moment ist weder die Taktung der Busverbindungen noch die Abdeckung durch Haltestellen den Bedürfnissen der Menschen entsprechend“, kritisierte Aures. Nachfrage schaffen durch mehr Angebote, lautete auch die Expertenempfehlung für ländliche Regionen.

Ein mindestens stündlicher Grundtakt ist nach Ansicht von Stefan Liese von der BEG dafür unabdingbar. In der Kritik standen zudem Parallelverkehre von Bus und Bahn. Jedes Verkehrsmittel müsse dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll und wirtschaftlich sei, die bestehenden Verkehrsmittel besser aufeinander abgestimmt werden, um Mehrwert für den Kunden zu schaffen, so die Fachleute. Nötig ist laut Geschäftsführer Rosenbusch ein Gesamtpaket Mobilität im ländlichen Raum.

Kein Verlass auf S-Bahn

Infrastruktur ausbauen, Angebot erweitern lautet das Expertenrezept für größere Städte. Nötig seien beispielsweise eine Gleiserneuerung der U-Bahn oder ein neues Zugsicherungssystem, das eine kürzere Taktung der Züge erlaube, konkretisierte Ingo Wortmann, Geschäftsführer der Münchner Verkehrsgesellschaft. Für den SPD-Abgeordneten Florian von Brunn besteht das größte Problem in der Unzuverlässigkeit der S-Bahn. Die Ursachen dafür abzustellen, nämlich Personalmangel, Infrastrukturstörungen und Eingriffe von außen wie Personen auf den Gleisen, ist laut BEG schwierig.

Vernetzung

Anschluss-Sicherheit, einfachere Tickets, mehr Platz, digitales Störungsrouting – an Ideen zu einer besseren Verflechtung der Verkehrsmittel fehlte es nicht. Gregor Beiner vom Taxiverband München forderte gemeinsame Plattformstrategien zu entwickeln und damit das Konkurrenzdenken zwischen Bus, Bahn und Taxi zu überwinden. Im urbanen Raum sei E-Mobilität möglich, außerhalb wegen fehlender Schnell-Ladestruktur dagegen schwierig, so Beiner.

Probleme sehen die Fachleute auch in der Zuverlässigkeit der E-Mobilität und bei den Preisen. Für einsatzbereite E-Busse gebe es in Deutschland kaum Hersteller. Bisher setzt kein Verkehrsunternehmen allein auf Smartphones als digitale Bezahlmöglichkeit. Auch aus Datenschutzgründen bevorzugten viele Kunden häufig Chipkarten als Alternative zum Handy. Um digitale Lösungen wie Ticket-Apps anzubieten, kooperieren einige Unternehmen mit Hochschulen und der Industrie.

Anja Schuchardt 

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