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(GZ-12-2018)
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► EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Bayerischen Landtag:

 

Werbung für europäische Lösungen in der Migrationspolitik

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat im Bayerischen Landtag in München „für europäische Lösungen und gegen nationale Alleingänge“ plädiert. „Ich bin für europäische Lösungen, aber ich bin auch für gut durchdachte, schnelle europäische Lösungen. Man kann nicht ewig auf europäische Lösungen warten“, sagte Juncker. „Wenn die europäischen Mitgliedstaaten, die europäischen Regierungen die durchdachten, endgültig ausformulierten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Änderung des Asyl-Regelwerks – das haben wir im Jahre 2016 vorgelegt – nicht nur diskutiert hätten, sondern auch in großen Teilen angenommen hätten, dann würden sich viele Probleme nicht stellen“, so Juncker weiter.

 
GZ 12 2018 Landtag

Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet begrüßten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Bildmitte) gemeinsam mit den Spitzen aller Fraktionen im Bayerischen Landtag. Bild: Bayerischer Landtag / Rolf Poss

„Es reicht nicht, dass fast jede Regierung nach europäischen Regelungen und Lösungen ruft , und dass die Europäische Kommission die einzige ist, die europäische Regelungen und Lösungen sucht – das reicht nicht. Die Regierungen haben auch Verantwortung nicht nur in ihrem Land, sondern auf dem Gesamtkontinent zu tragen und zu übernehmen. Im Übrigen ist die Nichtregelung, obwohl das schon seit Jahren einer Regelung bedurfte, nicht auf deutsches Fehlverhalten zurückzuführen. Die Kommission ist sich mit der Bundesregierung einig in der Auffassung, dass wir eine solidarische Flüchtlingsverteilung in Gesamteuropa brauchen. Es kann nicht sein, dass die einen alle Last tragen und die anderen auf den Zuschauerrängen sitzen – das geht nicht“, sagte Juncker.

Einheitliche Regelungen für ganz Europa

„Ich hätte gerne, dass wir überall in Europa dieselben Asylregelungen hätten. Die Anerkennungsquoten für Asylberechtigte schwanken heute zwischen 0 und 98 Prozent – bei gleicher Nationalität des Antragstellers hat dieser also je nach Mitgliedstaat, wo er den Antrag stellt, eine oder eben keine Chance als asylberechtigt anerkannt zu werden. Wenn das so ist, dass wir eigentlich grundsätzlich einvernehmlich der Auffassung sind, dass Europa ein offener Kontinent für Flüchtlinge bleiben muss, dann müssen wir auch so handeln.“

„Aber es muss auch klar sein, dass wir nicht ein permanenter, manchmal fast erschlichener Aufenthaltsort für Wirtschaftsflüchtlinge sein können. Das schaffen wir nicht. Europa ist ein großer Kontinent mit 500 Millionen Menschen. Wir können nicht alle Wirtschaftsflüchtlinge der Welt aufnehmen. Und wir müssen sehr darauf achten, dass wir uns nicht nur mit den Folgen der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzen, sondern mit den Ursachen. Deshalb ist eine neue europäische Afrikapolitik absolut von Nöten“, so Juncker.

Wichtiges Zeichen für ein Europa der Regionen

Landtagspräsidentin Barbara Stamm hatte im Rahmen eines Gesprächs mit Juncker vor drei Jahren in Brüssel zusammen mit Vertretern des Landtagspräsidiums die Einladung in den Bayerischen Landtag ausgesprochen. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten sehe man den Besuch als wichtiges Zeichen für ein Europa der Regionen und die Bedeutung der Landesparlamente auf europäischer Ebene.

„Sie hat mich vor drei Jahren eingeladen – und ich wusste nicht, dass heute die Weltmeisterschaft beginnt, und Sie hätten sich das Spiel ganz gerne angesehen, aber nächsten Sonntag ist auch noch ein Spiel. Ich wusste auch nicht, dass die Weitsicht der Präsidentin soweit reicht, dass sie schon damals wusste, dass heute ein besonderer Tag in Berlin wäre“, scherzte Juncker zum Beginn seiner Rede.

Juncker nahm auch zum Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten Stellung. „Seit ich Kommissionspräsident bin, habe ich ja das immer wiederkehrende Vergnügen, an den Sitzungen der G7 teilzunehmen. Ist spannend: Ein Luxemburger im Kreis der Großen. Trump hat mir letzte Woche gesagt: Jean-Claude, you are a brutal killer! Es ist zum ersten Mal, dass Luxemburg zu einer Gefährdung für die Vereinigten Staaten von Amerika herangewachsen ist. Er hat das, denke ich, als Kompliment gemeint – auch wenn ich mir da nicht ganz sicher sein kann. In diesen Handelsauseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten ist es Pflicht Europas, auf unsere eigene Würde zu achten. Die von der amerikanischen Administration verfügten Zölle auf Stahl und Aluminium können wir nicht ohne Antwort lassen. Ich bin überhaupt nicht in Kriegslust, aber ich akzeptiere nicht, dass man uns diktiert, was wir in Europa zu tun haben. Dies ist ein eigenständiger Kontinent, viele haben dafür gekämpft und jetzt müssen wir uns auch Gehör verschaffen auf internationaler Bühne“, sagte Juncker.

Handelsstreit: EU kann mit den Amerikanern auf Augenhöhe verhandeln

Es ist außergewöhnlich schwer unseren amerikanischen Freunden die Dinge so zu erklären, wie sie verstanden werden müssen. 72 Prozent aller Direktinvestitionen in den USA sind europäischer Provenienz. Es gibt mehr Arbeitsplätze, die geschaffen werden von europäischen Unternehmen in den USA, als Arbeitsplätze von amerikanischen Unternehmen in Europa. 6,9 Millionen Arbeitsplätze werden in den USA geschaffen, 4,7 Millionen amerikanischen Ursprungs in der Europäischen Union. Insofern gibt es keinen direkt erkennbaren und auch keinen indirekt nachvollziehbaren Grund, wieso wir mit den Amerikanern nicht auf gleicher Augenhöhe in Handelsfragen verhandeln sollten.“

RED

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