Politikzurück

(GZ-8-2018)
gz bundespolitik

► Deutscher Pflegetag in Berlin:

 

Ruf nach Masterplan

 

„Teamarbeit – Pflege interdisziplinär“ lautete das Motto des Deutschen Pflegetags in Berlin. Über 8.000 Besucher diskutierten über Themen wie Personalausstattung, Qualität in der Pflege, Interessensvertretung oder Digitalisierung.

Ob Fachkräftemangel, Betreuungskosten oder angemessene Qualität in den Krankenhäusern und Pflegeheimen: Um die Herausforderungen in der Pflege bewältigen zu können, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. „Unser Beruf muss wieder attraktiver werden, wir müssen den wachsenden Personalbedarf quantitativ und qualitativ bewältigen“, betonte Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR). „Dafür braucht es auch eine Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Pflegedisziplinen selbst, sondern zwischen allen Gesundheitsberufen.“

Höchste Priorität

Wagner zufolge müssen die neue Bundesregierung und der neue Gesundheitsminister Jens Spahn der Pflegepolitik die höchste Priorität zuordnen: „Diese Legislaturperiode wird darüber entscheiden, ob wir die Krise in der Pflege bewältigen und den pflegerischen Herausforderungen der Zukunft begegnen können. In der Pflege wurde in der letzten Legislaturperiode viel an wichtigen und richtigen Reformen umgesetzt – die Lage der beruflich Pflegenden wurde dabei allerdings stark vernachlässigt.“

Potenzial im neuen Koalitionsvertrag

Mit Blick auf die professionell Pflegenden, so Wagner weiter, biete der Koalitionsvertrag durchaus Potenzial, wie beispielsweise der präventive Hausbesuch oder das Ziel, flächendeckend eine gerechte Vergütung in der Pflege zu schaffen. Für die Bewältigung der Zukunftsaufgabe Pflege brauche es in dieser Legislaturperiode aber wesentlich konkretere Schritte, „nämlich ein Gesamtkonzept, einen Masterplan, der das bisherige Drehen an einzelnen Stellschrauben ersetzt. Ein solcher Masterplan muss mit den relevanten Akteuren und unter Beteiligung aller für die Pflege relevanten Regierungsressorts entwickelt werden.“

Aktuelle Zahlen aus dem Pflege-Thermometer, die auf dem Deutschen Pflegetag von Professor Michael Isfort, stellvertretender Leiter des Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP), präsentiert wurden, unterstreichen den Handlungsbedarf in der Pflege: „Die Ergebnisse des Pflege-Thermometers 2018 zeigen auf, unter welchem enormen Druck die teil- und vollstationären Einrichtungen stehen. Die bisherigen Pflegereformen haben vor Ort bisher nicht zu einer substanziellen und nachhaltigen Verbesserung geführt. Die Politik ist daher aufgerufen, den Weg des ‚KleinKlein‘ zu verlassen und durch mutige Reformen die Dauerkrise in der Pflege zu beenden und die sich verschärfende Fachkräfteproblematik zu lösen.“

71 Prozent der befragten Einrichtungen geben laut der bundesweiten, repräsentativen Studie an, dass bei ihnen Wartelisten auf vollstationäre Langzeitpflegeplätze bestehen. Lediglich 38 Prozent beurteilen das Angebot der vollstationären Pflege in ihrer Region als (voll)umfänglich gesichert. Der Fachkräftemangel wird dabei von den Einrichtungen als Nadelöhr der Entwicklung gesehen: 81 Prozent beurteilen die Bewerberlage insgesamt als unzureichend, 84 Prozent haben Schwierigkeiten, offene Stellen zeitnah zu besetzen, 83 Prozent beobachten eine Abnahme der Qualität der Bewerbungen.

Die befragten Leitungskräfte beobachten gegenüber dem Vorjahr steigende Belastungen für die Mitarbeitenden, was sich in einer Erhöhung der Krankheitsdauer (43 Prozent), der Erhöhung der Krankheitstage (41 Prozent) und der Krankheitsschwere (31 Prozent) sowie der Steigerung der Anzahl der geleisteten Überstunden (28 Prozent) ausdrückt.

„Die Pflege wird eines der ganz großen Themen der neuen Bundesregierung“, machte Bundesgesundheitsminister Spahn deutlich. Die Pflege lasse die Menschen jeden Tag spüren, „wo das deutsche Gesundheitsund Pflegesystem gut funktioniert, aber auch, wo Probleme liegen“. Er, Spahn, wolle mit der Pflegebranche zusammenarbeiten – offen, konstruktiv, auch kontrovers, aber mit dem gemeinsamen Ziel: etwas für die Pflegebedürftigen, für die pflegenden Angehörigen sowie die Pflegekräfte zu erreichen.

Pflegeberufe attraktiver machen

In den vergangenen Jahren sei vieles erreicht worden – die erweiterten Leistungen der Pflegeversicherung, die Verdoppelung der Zahl der Betreuungskräfte in Pflegeeinrichtungen oder die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen. Zu seinen ersten Aufgaben gehöre es, das bereits beschlossene Gesetz zur Reform der Pflegeberufe umzusetzen, erklärte Spahn. Die dafür nötige Verordnung werde nun zeitnah kommen.

Eines der zentralen Ziele ist aus Spahns Sicht, Pflegeberufe attraktiver zu machen. Dazu gehörten ausreichend Ausbildungsplätze sowie gute Perspektiven im Bereich der Pflege. Es gebe ein breit gefächertes Angebot an Ausbildungsberufen.

Die Ausdifferenzierung reiche von der Hilfskraft bis zu Akademikerberufen mit jeweils eigenen Fähigkeiten und Begabungen. Wichtig sei es, „jeden einzelnen Beruf für sich wertzuschätzen und sich nicht nur auf die Akademisierung zu fokussieren“.

Bei der Bezahlung der Pflegekräfte will der neue Minister zu einer „regelhaften und idealerweise allgemeinverbindlichen Tarifbezahlung“ kommen. Die Allgemeinverbindlichkeit sei eine Herausforderung, würde jedoch auch das Signal senden: Den Pflegeberuf wollen wir als Gesellschaft wertschätzen und „dann auch entsprechend bezahlen“.

Möglichkeiten der Entbürokratisierung suchen 

Ebenfalls wichtig bleibe das Thema der Personalbemessung. Grundsätzlich solle die Organisation des Personals „in der betriebswirtschaftlichen Verantwortung der Träger“ bleiben, hob Spahn hervor. Gleichzeitig solle das Geld, was für die Pflege vorgesehen ist, auch als Pflege beim Patienten ankommen. Es dürften nicht nur Bereiche vernünftig ausgestattet sein, die Umsatz bringen.

Spahn rief dazu auf, gemeinsam nach Möglichkeiten der Entbürokratisierung zu suchen. Es gebe Verfahren, bei denen Aufwand und Ertrag nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Weniger Bürokratie bedeute aber auch den Mut, für diese Freiräume im positiven Sinne auch Verantwortung zu übernehmen. 

DK

GemeindeZeitung

Politik

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung