Kommunalverbändezurück

(GZ-17-2018)
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► Deutscher Städte- und Gemeindebund:

 

Fachkräftemangel und Investitionsrückstand

 
Wenig wirksam wird nach Einschätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes das geplante Zuwanderungsgesetz sein. „Viele der an das Gesetz geknüpften Erwartungen sind überzogen“, betonten der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl (Abensberg), und der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Dr. Gerd Landsberg, in Berlin.

Das neue Gesetz werde den Fachkräftemangel nicht beheben können, zumal es bereits gute gesetzliche Grundlagen für die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften gebe. Auch der sogenannte Spurwechsel vom Asylverfahren hin zur Erwerbsmigration darf aus Sicht der Kommunen allenfalls in engen Grenzen ermöglicht werden, um keine zusätzlichen Anreize für Migrationsbewegungen zu setzen.

Der für Deutschland immer wieder attestierte Mangel an qualifizierten Fachkräften wird sich laut Deutschem Städte- und Gemeindebund durch ein neues Zuwanderungsgesetz nicht lösen lassen. „Zurzeit verlassen pro Jahr rund 700.000 Schüler die Schule und etwa 1 Million Menschen gehen in Rente. In zwei Jahren gehen 1,2 Millionen Menschen pro Jahr in Rente und die Schülerzahl bleibt weitgehend gleich. Gleichzeitig haben im Jahr 2017 rund 107.000 Personen aus Staaten außerhalb der EU in Deutschland eine Arbeitserlaubnis erhalten. Diese Zahlen zeigen, dass auch mit der geplanten Entbürokratisierung der Regelungen der Fachkräftemangel nicht beseitigt werden wird“, hoben Brandl und Landsberg hervor.

Klare rechtliche Rahmenbedingungen

Für eine Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften existierten bereits heute, etwa im Aufenthaltsgesetz, klare rechtliche Rahmenbedingungen, die in den vergangenen Jahren zunehmend liberalisiert wurden. „Deutschland gilt nach Einschätzung der OECD mit Blick auf die Zuwanderungsmöglichkeiten zu den liberalsten Ländern. Außerdem besteht ja innerhalb der EU ohnehin der freie Zugang zum Arbeitsmarkt“, stellten Brandl und Landsberg heraus. 

Ein genereller „Spurwechsel“ aus dem Asylverfahren in die Arbeitsmigration wird vom Kommunalverband abgelehnt. Eine solche Regelung könnte die Akzeptanz eines neuen Gesetzes in Frage stellen. Vorstellbar sei allerdings, Personen, die seit vielen Jahren in Deutschland als Geduldete leben, integriert sind und arbeiten, ab einem bestimmten Stichtag einen dauerhaften Aufenthalt zu gewähren.

Um den Fachkräftemangel zu beheben, sollte ein abgestuftes Verfahren Anwendung finden. „Bei mehr als 220.000 erwerbslosen Personen unter 25 Jahren allein in Deutschland müssen wir in einem ersten Schritt alles daran setzen, diese Menschen zu qualifizieren und fit für den deutschen Arbeitsmarkt zu machen. Hier sollten etwa die Ausbildungsquoten erhöht und die Vermittlung in Stellen verbessert werden“, forderten Brandl und Landsberg.

Geflüchtete mit Bleiberecht qualifizieren

In einem nächsten Schritt müsse es dann darum gehen, gezielt die nach Deutschland Geflüchteten mit Bleiberecht zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen. „Sprachliche Qualifikation und berufliche Ausbildung sollten von Beginn an kombiniert werden. Mit diesem Ansatz sind etwa die skandinavischen Länder sehr erfolgreich“, erklärten die DStGB-Repräsentanten. Schließlich könne auch ein Blick ins EU-Ausland sinnvoll sein. „In EU-Staaten wie Griechenland oder Spanien gibt es derzeit eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Viele dieser jungen Menschen haben bereits eine Ausbildung oder könnten in Deutschland ausgebildet werden. Diese Potenziale werden derzeit noch viel zu wenig genutzt. Mit einem höheren Engagement in diesem Bereich könnten wir gleichzeitig ein wichtiges Signal für den europäischen Integrationsprozess setzen.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appelliert zudem an Bund und Länder, den immer schnelleren Verfall von Schulen und Sportstätten zu stoppen und ein Maßnahmenpaket für Investitionen in diese Infrastrukturen auf den Weg zu bringen. „Der Investitionsrückstand im Bildungsbereich und bei Schwimmbädern und Sportstätten wächst immer mehr an. Er hat in diesem Jahr einen traurigen Höchststand von insgesamt 56 Milliarden Euro erreicht“, unterstrichen Brandl und Landsberg.

Um diese Entwicklung zu stoppen und Investitionen schneller und umfassender zu ermöglichen, sei es nötig, bürokratische Hürden abzubauen, das Vergaberecht zu vereinfachen sowie einen Investitionsfonds bereitzustellen. „Derzeit leben wir von der Substanz, der Werteverzehr schreitet schneller voran als wir investieren können. Das müssen wir schnell ändern“, so die beiden Verbandsvertreter.

Neben den fehlenden Finanzen lähmten vor allem hohe bürokratische Hürden und langwierige Ausschreibungs- und Vergabeprozesse die Investitionen in den Kommunen. „Viele Kommunen haben zu wenig Personal, um den immer weiter steigenden Anforderungen im Baurecht und bei den Ausschreibungen gerecht zu werden. Notwendige Verfahren dauern aufgrund der Anforderungen viel zu lange“, kritisierten Brandl und Landsberg. „Bei insgesamt guter Konjunkturlage macht dies die Kommunen als Auftraggeber auch für Handwerksbetriebe und Bauunternehmen wenig attraktiv.“

Vereinfachungen im Vergaberecht gefordert

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert daher deutliche Vereinfachungen im Vergaberecht, um die Investitionsvorhaben zu beschleunigen und zu vereinfachen. Kommunale Aufträge zur dringend notwendigen Sanierung und für Ersatzneubauten müssten schnell und unbürokratisch vergeben werden können. Dies komme nicht nur den Schülerinnen und Schülern und den Vereinen zugute, sondern auch dem regionalen Handwerk.

Unter anderem fordert der kommunale Spitzenverband, dass zur Sanierung von Schulen und Sportstätten für Aufträge bis zu einer Höhe von zwei Millionen Euro im Baubereich und 150.000 Euro im Liefer- und Dienstleistungsbereich eine Beschränkte Vergabe ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung ermöglicht werden soll. Dies sollte nach kurzfristiger Aufforderung einer beschränkten Anzahl geeigneter Unternehmen und einem schnell vorzunehmenden Wirtschaftlichkeitsvergleich zulässig sein. Aufträge bis zu einem Wert von 250.000 Euro im Baubereich und 100.000 Euro im Liefer- und Dienstleistungsbereich sollen zukünftig freihändig vergeben werden.

Zudem müssten die Strukturen des Vergaberechts insgesamt vereinfacht werden, unter anderem durch eine Zusammenführung der Verfahrensregeln für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen einerseits und Bauleistungen andererseits. Auch die Grenzen für eine europaweite Ausschreibung sollten deutlich angehoben werden, um das Vorgehen für Kommunen zu vereinfachen.

Masterplan Investitionen

Der DStGB hat einen Masterplan Investitionen erarbeitet, der fortgeschrieben werden soll. Daraus leiten sich folgende Kernforderungen ab:

1. Aufgabengerechte Finanzausstattung,

2. Kooperationsgebot statt -verbot,

3. Abbau überbordender Administration,

4. Stärkung kommunaler Planungskapazitäten,

5. Stärkung interkommunaler Zusammenarbeit,

6. Digitalisierung als Chance,

7. Nutzerorientierte Infrastrukturfinanzierung,

8. Effiziente Bürgerschaftsbeteiligung.

Bessere Möglichkeiten für Baulandmobilisierung

„Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, denn es wird schwer genug, den bestehenden Rückstand aufzuholen. Deutschland darf nicht länger von der Substanz leben. Daher brauchen wir neben ausreichenden Finanzmitteln viele weitere Schritte, um Deutschland wieder fit für die Zukunft zu machen“, so Brandl und Landsberg.

Mit Blick auf den Wohnungsmangel stellte Landsberg abschließend fest: „Damit die Zahl neu errichteter Wohnungen in Deutschland (2017: 284.000 Wohnungen) nicht weiter hinter dem Bedarf von mindestens 350.000 Wohnungen pro Jahr zurückbleibt, sind die vielfach von den Kommunen aktiv genutzten Konzeptvergaben, das serielle Bauen und digitale Planungen zwar wichtige Mosaiksteine. Ganz vorrangig müssen die Städte und Gemeinden aber bessere Möglichkeiten zur Mobilisierung des Baulands erhalten. Dazu ist eine Vereinfachung und Vereinheitlichung im Planungs-, Bauordnungs- und Vergaberecht nötig. Gefordert sind hier nicht die Kommunen, sondern Bund und Länder.“

Auch sei der Fachkräftemangel im Bauhandwerk ein zunehmendes Hindernis. Die anstehende Reform der Grundsteuer müsse zudem genutzt werden, um Bauland zum Zwecke des Wohnungsbaus besser zu aktivieren. Zudem müsse für die Allgemeinwohlaufgabe der Schaffung bezahlbarer Wohnungen die Bundeszuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau wiederhergestellt werden. Weiter seien ein Abbau der mehr als 20.000 und zum Teil kostensteigernden Bauvorschriften ebenso nötig wie steuerliche Anreize zur Forcierung von Investitionen im Wohnungsbau. Statt der Schaffung immer neuer Regeln und Standards und gegenseitiger Schuldzuweisungen, die keine einzige neue Wohnung schafft, müsse das gemeinsame Motto lauten: „Bauen, bauen, bauen!“

DK

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