Kommunalverbändezurück

(GZ-13-2018)
gz deutscher landkreistag

► Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags:

 

Politisches Tauziehen vermeiden

„Die im Koalitionsvertrag verabredete Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ muss schnellstmöglich eingesetzt werden und darf sich nicht in Besetzungsstreitigkeiten verlieren. Wir wollen die ländlichen Räume als Wohn-, Wirtschafts- und Arbeitsort sowie als Erholungs- und Freizeitorte voranbringen“, erklärte Präsident Landrat Reinhard Sager im Rahmen der jüngsten Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags im Landkreis Esslingen. Auf der Agenda standen zudem die Themen Grundsteuerreform und Langzeitarbeitslosigkeit. 

Wir erwarten von der Politik konkrete Weichenstellungen, um die Entwicklungsbedingungen für die ländlichen Räume weiter zu verbessern“, betonte Sager. Generell werde es in der Kommissionsarbeit darum gehen, die spezifischen Bedarfe ländlicher Räume herauszuarbeiten und entsprechende Lösungsansätze zu erarbeiten: „Das Beispiel der Wohnungsbaupolitik zeigt, dass Maßnahmen stets auf ihre Auswirkungen auf andere Teilräume hin betrachtet werden müssen. So konzentrieren sich Bund und Länder sehr stark auf die Verbilligung des Wohnraums in großen Städten, wohingegen auf der anderen Seite in den Landkreisen die Gefahr besteht, dass Immobilien an Wert verlieren. Solche politischen Eingriffe in Marktmechanismen müssen wohlüberlegt erfolgen“, gab Sager zu bedenken. „Eines müssen wir dabei ganz klar aussprechen: Ein politisches Tauziehen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sollten wir möglichst vermeiden. Es muss darum gehen, jedem Teilraum gleichberechtigte Entwicklungsmöglichkeiten zu verschaffen. Das heißt nicht Gleichmacherei, sondern eine gerechte Verteilung der Zukunftschancen für Stadt und Land.“

Turbo in die Gigabit-Gesellschaft

Die Bildung der Kommission dürfe dabei nicht zu einem Stillstand im Handeln führen. „Es gilt, die zahlreichen im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung der ländlichen Gebiete zügig mit Finanzmitteln zu unterlegen. Ein Schwerpunkt ist hier der Breitbandausbau und die angekündigte Digitalisierungsoffensive“, fuhr der Präsident fort. So seien Digitalisierung in der Bildung, Co-Working-Spaces, Satellitenbüros, Mittelstand 4.0, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf über Heimarbeit oder E-Health ohne schnelles Internet schlichtweg undenkbar. „Hier brauchen wir einen Turbo in die Gigabit-Gesellschaft, der nur heißen kann: Glasfaser!“

Ein weiterer bedeutsamer Punkt sei eine flächendeckende 5G-Mobilfunkversorgung, die ebenfalls Bedingung dafür sei, wichtige Digitalisierungsvorhaben umzusetzen: „Bei der anstehenden Vergabe der Mobilfunkfrequenzen für die Netze der nächsten Generation müssen wirksame Auflagen zur flächendeckenden Versorgung vorgegeben werden.“

Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung

Sager erwartet schließlich, dass von den im Koalitionsvertrag vorgesehenen prioritären Ausgaben für die Bereiche Ländliche Räume und Landwirtschaft (1,5 Mrd. Euro bis 2021) der überwiegende Teil für ländliche Entwicklung bereitgestellt wird. Eine wesentliche Rolle spiele zudem die Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung, die mit zusätzlichen Finanzmitteln ein breites Spektrum von Unternehmen und Betrieben fördere: „Dazu brauchen wir eine Grundgesetzänderung, die in diesen Wochen zusammen mit den Änderungen beim Sozialen Wohnungsbau, bei der Gemeindeverkehrsfinanzierung sowie bei der Schulinfrastruktur auf den Weg gebracht werden muss.“

Anlässlich seiner Präsidialsitzung mahnte der Landkreistag auch eine zügige und wertorientierte Reform der Grundsteuer an. Reinhard Sager forderte dazu auf, die derzeitige Debatte zur Wertabhängigkeit der reformierten Grundsteuer schleunigst zu beenden: „Ich sehe nicht, wie man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine bundesgesetzliche Regelung mit einem Systemwechsel zu einer Flächensteuer rechtfertigen kann.“

Verfassungsrechtliche Bedenken

In der aktuellen politischen Debatte werde insbesondere von Seiten der wohnungs- und grundstückswirtschaftlichen Verbände sowie der Wirtschaftsverbände sehr deutlich für ein wertunabhängiges Modell geworben. „Verfassungsrechtlich ist ein solcher Schwenk auf ein völlig neues Besteuerungsmodell mit großen Risiken verbunden“ stellte der Präsident fest. Eine bundesgesetzliche Regelung, die einen Systemwechsel vornimmt, müsse sich nämlich nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an dem verschärften Erforderlichkeitsmaßstab des Art. 72 GG messen. „Danach ist eine bundesgesetzliche Regelung nur insoweit erlaubt, wenn ohne sie gleichwertige Lebensverhältnisse nicht hergestellt oder die im gesamtstaatlichen Interesse stehende Rechts- oder Wirtschaftseinheit nicht gewahrt werden kann. Dies ist bei einer rein flächenbezogenen Grundsteuer kaum gegeben.“ Die

Grundsteuer ist eine Steuer

Gerade aus Sicht des ländlichen Raumes sei eine solche Bemessungsgrundlage auch aus Gerechtigkeitsaspekten kein gangbarer Weg. „Es wäre den Bewohnern in den vielen ländlichen Landkreisen kaum vermittelbar, wenn ihre Grundstücke künftig genauso behandelt würden wie Grundstücke in Filetlagen“, verdeutlichte Sager. Unzutreffend sei insoweit auch die Behauptung, die Grundsteuer sei eine Art „Gebühr“ für die Bereitstellung kommunaler Infrastruktur: „Das stimmt nicht. Die Grundsteuer ist eine Steuer und unabhängig von einer staatlichen Gegenleistung und damit gerade keine Gebühr.“

Eine wertunabhängige Grundsteuer sei unter Gerechtigkeitsaspekten auch mit Blick auf die Wirkungen in den Finanzausgleichssystemen nicht sachgerecht, da sich der Wohlstand gutsituierter Räume nicht mehr adäquat in den zu berücksichtigen Steuereinnahmen widerspiegeln würde: „Ein solches Vorgehen liefe den derzeitigen Überlegungen zur Stärkung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse deutlich zuwider.“ Gerade innerhalb eines Landes wären die Fehlwirkungen sehr stark, da die kommunalen Finanzausgleiche nicht die Ländersteuereinnahmen, sondern nur das Aufkommen der Kommunalsteuern einbeziehen. „München würde damit künftig zu Lasten der übrigen Räume in Bayern im Vergleich zu heute als weniger steuerstark behandelt werden, obwohl sich real nichts verändert hat. Das kann nicht gewollt sein“, so der DLT-Präsident.

Eine Absage erteilte er schließlich auch Überlegungen, die Hebesätze der Gemeinden automatisch und aufkommensneutral anzupassen, weil damit die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Steuerhoheit umgangen würde. Hebesatzanpassungen seien allein von den Städten und Gemeinden vor Ort vorzunehmen. Außerdem müssten sich einige politische Akteure von der absurden Vorstellung verabschieden, eine wertberichtigende Reform dürfe für die einzelne Gemeinde weder zu Zuwächsen noch zu Einbußen führen. „Das hieße ja am Ende nur: Wir lassen alles beim Alten und passen die Grundstückwerte gerade nicht an die aktuelle Situation an. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der notwendigen Reform – was ja auch das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat.“

Mit Blick auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit meinte der DLT-Präsident: „Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, dass die Arbeitslosigkeit auf einem historischen Tiefstand ist. Gerade in dieser guten konjunkturellen Situation müssen wir den harten Kern der Langzeitarbeitslosen anpacken, die schon viele Jahre nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Jobcenter brauchen hierfür flexiblere Instrumente und ausreichende Finanzmittel.“ Darüber hinaus bedürfe es weiterer Rechtsvereinfachungen, die auch Ressourcen für eine intensivere Betreuung der Leistungsberechtigten freisetzen.

Allerdings warnte Sager vor einer erneuten Systemdiskussion. „Ohne Wenn und Aber: Hartz IV mit dem austarierten Verhältnis von Fördern und Fordern hat sich bewährt. Die Reform ist mitverantwortlich dafür, dass Deutschland in Sachen Beschäftigung heute so gut dasteht.“ Daran hätten die Jobcenter großen Anteil.

Wesentlich sei, langzeitarbeitslose Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen. „Wir halten staatliche Unterstützung zwar für notwendig, nicht aber für eine Dauerlösung im Lebenslauf der Menschen.“ Daher habe das DLT-Präsidium mit dem Papier „Langzeitarbeitslosigkeit wirksam bekämpfen – Jobcenter stärken“ eine Reihe von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des SGB II beschlossen, derer sich die Politik annehmen sollte.

Dazu gehöre vor allem, für die bestmöglichen Instrumente und Handlungsmöglichkeiten zu sorgen. Die Intensität und Qualität der Unterstützung erwerbsloser Menschen durch die Jobcenter müsse auf stärkere Füße gestellt werden. „Der Bund muss den Mittelansatz deutlich erhöhen“, betonte Sager. „Wir empfinden es als verquer, dass wir beim Bund Jahr für Jahr um jeden zusätzlichen Euro z. B. für die Personalausstattung der Jobcenter kämpfen müssen, wo doch offen auf der Hand liegt, dass die Mittel für den laufenden Betrieb fast in einer Größenordnung von 1 Mrd. Euro pro Jahr unterzeichnet sind. Das ist ein unwürdiges Schauspiel auf den Schultern der Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.“

4 Mrd. Euro zusätzlich für Jobcenter 

Die Jobcenter verfügten pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten nur über ein Fünftel der Mittel, die den Arbeitsagenturen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zur Verfügung stehen – obwohl es deutlich aufwendiger und anspruchsvoller ist, Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Von daher ist zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag die Jobcenter in dieser Legislaturperiode mit 4 Mrd. Euro zusätzlich ausstattet. Dies sorgt aber noch immer nicht für eine auskömmliche Finanzierung.“

Was den Ausbau des Sozialen Arbeitsmarktes anbelangt, begrüßt der Deutsche Landkreistag das geplante SGB II-Teilhabechancengesetz mit neuen Regelinstrumenten für langzeitarbeitslose Menschen: „Die Ausgestaltung muss möglichst viele Personen erreichen. Zugleich müssen die Arbeitsgelegenheiten arbeitsmarktnäher ausgestaltet werden können, um einen Beitrag zur Integration leisten.“

Darüber hinaus seien dringend weitere rechtliche Vereinfachungen nötig. „Die gesetzlichen Regelungen sind derart kompliziert, dass zu viele Mitarbeiter der Jobcenter mit der Berechnung der Geldleistungen befasst sind. Hier müssen wir konsequent entschlacken. So enthält der Koalitionsvertrag beispielsweise gute Ansätze in Bezug auf das Bildungspaket, um den Verwaltungsaufwand in den Jobcentern zumindest etwas zu reduzieren. In diese Richtung müssen wir weiterarbeiten“, unterstrich der DLT-Präsident 

DK

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