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(GZ-12-2016)
Kommunale Praxis
Fachtagung der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung:
 
Für Land und Leute
 

Für viele Gemeinden im ländlichen Raum wird es zunehmend schwieriger, ihren Bürgern hohe Lebensqualität und attraktive Wohnstandorte zu bieten. Dabei liegen in der aktiven Gestaltung mit und durch die Bürger große Potentiale. Unter dem Motto „Für Land und Leute“ wurden bei der Fachtagung 2016 der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung im niederbayerischen Essenbach in Vorträgen und Diskussionen mit politisch Verantwortlichen, Experten und Praktikern Anforderungen und Lösungswege aufgezeigt.

„Kommunikation und Partizipation - Wirkungsvolle Prozesse gestalten“ lautete das Vortragsthema von Rauno Andreas Fuchs, GreenCityProjekt GmbH, München. Nach seinen Worten braucht es den politischen Willen zum Aufbau von Beteiligungsstrukturen. Kommunale Bürgerbeteiligung sei ein Prozess und Grundbedingung institutionalisierter Kontinuität, damit der Prozess nicht abreißt und Wirkung entfalten kann. Darüber hinaus werde ein mit Kompetenzen und Budget ausgestatteter Kümmerer als Gesicht des Beteiligungsprozesses benötigt. Bürgerbeteiligung brauche klare Spielregeln und eine transparente Vorgehensweise. Kommunikation und identitätsstiftende Symbole stellten Schlüsselelemente erfolgreicher Partizipation dar.

Praxisbeispiele

Praxisbeispiele bestärkten die Verantwortlichen und engagierten Bürger, sich für attraktive Lebensbedingungen im ländlichen Raum einzusetzen. Die Region Ilzer Land beispielsweise ist mittlerweile eine Vorzeigeregion, die vom Engagement und der Kreativität der beteiligten Kommunen und ihrer Menschen lebt. In einem atemberaubenden Tempo wurden ein integriertes ländliches Entwicklungskonzept (ILEK) erarbeitet und bereits über 400 Projekte umgesetzt. Die Ilzer-Land-Gemeinden arbeiten laut  Max König, 1. Bürgermeister der Gemeinde Saldenburg, ressortübergreifend zusammen, um die Ortskerne zu beleben und gezieltes Leerstandsmanagement für die Ortsmitten durchzuführen.

Mittels einer gut strukturierten Organisation und Koordination konnten die beteiligten Gemeinden Schritt für Schritt dem Ziel „Wissen verbreiten, Menschen vernetzen“ näher kommen. Die Folge ist eine stärkere Identifikation der einzelnen Gemeindemitglieder mit ihrer Heimat. Gleichzeitig sorgten die aufblühende Wirtschaft und ein dynamischer Tourismus für die lebendige Gestaltung des kulturellen Lebens im Ilzer Land. Die Kooperation des Ilztals mit dem Dreiburgenland und weiteren Ilztal-Gemeinden im Landkreis Passau stärkt die touristische Infrastruktur und optimiert die gemeinsame Vermarktung.

Neue Impulse zur Stärkung der Wirtschafts- und Arbeitskraft in der Region kommen auch vom neu gegründeten Unternehmer-Netzwerk, das eine engere Zusammenarbeit der Lehrstellen- und Ferienbörse vorantreibt, stellte Existenzgründer Michael Hasenberger fest. Durch die erfolgreiche Ausrichtung der 10. Bayerischen Tage der Dorfkultur 2009 im Ilzer Land sowie des Wirtschaftsgipfels Bayerischer Wald hat die Initiative „Hand in Hand im Ilzer Land“ weitere Meilensteine im Hinblick auf die angestrebte Imageverbesserung erreicht. Mit der „Bauhütte Ilzer Land“ ist Hasenberger zufolge ein Vorzeigeprojekt realisiert, das sich zur zentralen Anlaufstelle für alle Aktivitäten in den Bereichen Innenentwicklung, Wiederbelebung von Leerständen und Sicherung der Daseinsvorsorge entwickeln soll.

In der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel haben von Mai 2014 bis April 2016 die sieben Gemeinden Kirchanschöring, Fridolfing, die Stadt Tittmoning, Petting, Wonneberg, Taching und Waging mit folgenden Zielen zusammengearbeitet: Stärkere Erzeugung und Vermarktung regionaler Bioprodukte, ökologisches Bewusstsein bei Kommunen, Bürgern und Verbrauchern schaffen, Einbindung konventioneller Landwirte in die Themen und Ziele der Ökomodellregion und gemeinsame Umsetzung ökologischer Projekte. Seit Mai 2016 hat sich auch die Gemeinde Teisendorf der Ökomodellregion angeschlossen, um bei der Umsetzung der Ziele und Maßnahmen im Rahmen von Bioregio 2020 an einem Strang zu ziehen – für die Ökomodellregion eine Bereicherung und große Chance.

Ein Projekt, das aus dem Gemeindeentwicklungskonzept „Leben und Wirtschaften in Kirchanschöring“ entstanden ist und erfolgreich umgesetzt wurde, ist nach Darstellung des Sprechers der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See-Rupertiwinkel und 1. Bürgermeister der Gemeinde Kirchanschöring, Hans-Jörg Birner, der Bio-Laden von „Bio-Michi“. Auch durch die Besichtigung weiterer Projekte wie Rückhaltemaßnahmen (boden.ständig-Maßnahme Waging), Streuobstpflanzung (Ökomodellregion) etc. konnte das Ineinandergreifen der verschiedenen Programme in ein abgestimmtes Konzept verdeutlicht werden.

Die Gemeinde-Allianz Hofheimer Land hat die Notwendigkeit einer interkommunalen Zusammenarbeit erkannt und setzt sich unter großer aktiver Bürgerbeteiligung dafür ein, die Region als attraktiven Wohn- und Lebensraum für Menschen jeden Alters zu erhalten, berichtete Wolfram Thein, 1. Bürgermeister des Marktes Maroldsweisach.

Engagiert, konsequent und mit großer Überzeugungskraft verfolge die Allianz das Ziel, die sozialen und baulichen Innenentwicklungspotenziale zu nutzen, um Abwärtsspiralen zu vermeiden. Dafür engagiere sie sich auch finanziell: Dank des Förderkonzepts konnten zahlreiche Baumaßnahmen in den Ortskernen realisiert und eine Belebung der Ortsmitten bewirkt werden.

Erste, erfolgreich umgesetzte Projekte zur Sicherung der Nahversorgung sind die Dorfläden in den Gemeinden Aidhausen und Riedbach. Hinsichtlich generationenübergreifender Angebote wird in Aidhausen bereits erfolgreich eine Mehrgenerationenwerkstatt betrieben; weitere zwölf Dorfgemeinschaftshäuser folgten.

Kurz nach Abschluss des ILEK wurde das Interkommunale Bürgerzentrum in Hofheim als Schlüsselprojekt eingeweiht. Meilensteine waren auch die Vereinsgründung Hofheimer Allianz sowie die Einstellung eines Allianz-Managers. Die durch das ILEK geschaffenen Organisationsstruktur wird mit der rein ehrenamtlichen Struktur verknüpft, um Effektivität und Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.
Zudem werden zugewiesene Asylbewerber unterstützt, um die Bedingungen dafür zu schaffen, sich beruflich und familiär zu etablieren, informierte Prof. Dr. Eicke Uhlich, 1. Vorsitzender „Freundeskreis Asyl Hofheim e.V.“ Neue Strukturen wie Kultur-Kaffee, Musik- und Theaterabende, Ausstellungen, sportliche Aktivitäten, 1-Euro-Jobs und vieles mehr würden aufgebaut. Das persönliche Kennenlernen mache Flüchtlinge schließlich zu Neubürgern.

Um Flüchtlinge endgültig in die Gesellschaft einbinden zu können, werde an entsprechenden Modellen gearbeitet. So schafft beispielsweise das Programm „Revitalisierung von leer stehenden Häusern“ neuen Wohnraum. Oder man hilft bei der Eingliederung in neue Arbeitsstellen. Zudem unterstützt man die soziale Neuorientierung von Migranten und Ortsansässigen. Uhlich: „Wir machen übrigens in diesen Wochen und Monaten die Erfahrung, dass Integration im ländlichen Raum besser gelingt als in Städten. In Ballungsgebieten ist man noch nicht davon überzeugt, dass Flüchtlinge eine Chance für unser Land sind. Wir wissen das! Ich sehe uns am Beginn einer neuen, spannenden, Epoche. Als Zeitzeugen können wir sie selbst mit gestalten.“

DK

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