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(GZ-7-2018)
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► Kommunikation in Kommunen:

 

Fortsetzung der GZ-Seminarreihe in Kempten, Augsburg, Regensburg und Forchheim

Wie eine planbare Kommunikation zur erfolgreichen Umsetzung von Unternehmens- und Infrastrukturprojekten beiträgt und ein gelebter Dialog echte Mehrwerte für Projektträger, Bevölkerung und die Projekte selbst schafft, darüber informiert seit vergangenem Jahr die Seminarreihe „Kommunikation in Kommunen“. Bei ihrer diesjährigen Tour durch den Freistaat machten die Initiatoren – Bayerische GemeindeZeitung in Kooperation mit der Kommunikationsagentur Engel & Zimmermann, Bayerischem Landkreistag und TV Bayern – Station in Kempten, Augsburg, Regensburg und Forchheim.

Grußwort Landrätin

Die professionelle Pressearbeit ihres Amtes erläuterte die Regensburger Landrätin Tanja Schwaiger (stehend). Unser Bild zeigt links daneben GZ-Verlegerin Theresa von Hassel und Dr. Andreas Bachmeier, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Engel und Zimmermann.

„Geht es um Infrastrukturprojekte und Unternehmensansiedlungen, ist der Frust häufig groß“, konstatierte GZ-Verlegerin Theresa von Hassel. Bürgerinnen und Bürger fühlten sich schnell übergangen, wollten mitreden und mitgestalten und gäben ihre Meinung – gerade in Sozialen Kanälen wie Facebook – lauthals preis. Andererseits fühlten sich Projektträger missverstanden und könnten den Protest nicht nachvollziehen, unterstützten sie mit den Investitionen doch die Region und schafften womöglich Arbeitsplätze. „Die Fronten scheinen verhärtet“, so von Hassel. Ob Geothermie, Gewerbegebiete oder Wohnungsbau: Selbst Neubauten von Krankenhäusern, Turnhallen oder Kindergärten seien keine Selbstläufer mehr. Deshalb laute die zentrale Frage: „Wie gehen wir als Kommune mit unseren Bürgern um, wie informieren wir sie, wie kommunizieren wir mit ihnen und wie beteiligen wir sie an unseren Projekten?“.

Interaktion mit den Bürgern

Dass gute Kommunikation durchaus einiger Anstrengungen bedarf, hob der Kemptener Gastgeber, Oberbürgermeister
Thomas Kiechle, hervor. Als positives Beispiel nannte er die von der Bevölkerung befürwortete und mitgetragene Schließung des Allgäu Museums im Kornhaus und die Eröffnung des künftigen Stadtmuseums im Zumsteinhaus, in dem ein großer Teil der Exponate aus dem Allgäu-Museum eine neue Heimat finden soll. Dagegen sorgte der Neubau einer Dreifachturnhalle auf dem Schulgelände bei den Anwohnern für Kopfzerbrechen, betonte Kiechle. Augsburgs Landrat Martin Sailer verwies seinerseits auf die starke Unterstützung der Kommunen durch den Landkreis – Stichwort Wirtschaftsförderung. Als Beispiele nannte er das BMW-Ersatzteillager im Augsburger Lechfeld, dessen Bau ebenso von der Bevölkerung unterstützt wurde wie das Amazon-Logistikzentrum in Graben, das zudem noch mit einem
eigenen Bahnhof ausgestattet wurde. Ein klarer Pluspunkt für die ansässigen Bürger.

„Es gibt viele gute Beispiele im Landkreis, die zeigen: Wenn man auf Transparenz achtet und das Projektvorhaben von Beginn an erklärt, ist die Bürgerschaft am Ende doch sehr solidarisch und offen für viele Dinge“, hob Regensburgs Landrätin Tanja Schwaiger hervor. Nur gute Arbeit zu machen, reiche nicht. „Wir müssen den Bürger an die Hand nehmen und Inhalte auch vermitteln – speziell vor dem Hintergrund von Facebook und Co.“ Zahlreiche große Infra-
strukturprojekte funktionieren Schwaiger zufolge mittlerweile nur noch mit Unterstützung professioneller Kommunika-
tionsbüros, wie das vakante Thema sechsstreifiger A3-Ausbau beweise.

Wirtschaftliche Properität erfordert Weiterentwicklung

Laut Forchheims stellvertretender Landrätin Rosi Kraus stößt man in Kommunen immer wieder auf den Widerstand aufgebrachter Bürger, die mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind. Wenngleich es auch in ihrem Landkreis noch nicht zu Bürgerprotesten gekommen sei, stehe doch fest: „Jeder will in einem Landkreis leben, der wirtschaftlich gut dasteht. Dazu gehört aber eben auch eine Weiterentwicklung, sprich die Planung und Umsetzung neuer Projekte und Bauvorhaben.“

Beispiele für Kommunikationsdesaster

Aus dem Archiv des Regionalmagazins TV Bayern live wurden im Anschluss einige Kommunikationsdesaster präsentiert, ehe Dr. Andreas Bachmeier, Vorstand und Partner Engel & Zimmermann AG, darüber informierte, wie in Kommunen die Zustimmung zu Unternehmens- und Infrastrukturprojekten gewonnen werden kann. In jüngerer Zeit gingen Bachmeier zufolge mehrere Bürgerentscheide in Bayern zum Nachteil der Vorhabenträger aus. Als Beispiel nannte er den  Bürgerentscheid „Raus aus der Steinkohle“, bei dem die Münchner 2017 für eine vorgezogene Abschaltung des Heizkraftwerks im Norden der Stadt stimmten – „ein Thema, für das man nur schwer Mehrheiten gewinnen kann und wo die Kommunikation an ihre Grenzen stößt“, so Bachmeier.

Des Weiteren führte er das Unternehmen Sixtus an, das am Schliersee eine Produktionsanlage bauen wollte. Obschon mit einem sauberen Image ausgestattet (Naturkosmetik) und mit dem ehemaligen Top-Fußballer Philipp Lahm als Gesellschafter im Gepäck, wurde das Projekt abgelehnt. Wenig später versuchte das Unternehmen sich im nahe gelegenen Fischbachau, anzusiedeln. Auch hier ohne Erfolg. Zwar engagierte sich der Bürgermeister für das Projekt, doch probten zwei Anwohner den Aufstand und reichten Klage ein. Sixtus machte sodann einen Rückzieher. Bei Unternehmen, die mit derartigen Widerständen konfrontiert wurden, sei der Frust oft irreversibel, konstatierte Bachmeier; hier seien Kommunikationsexperten in ganz besonderem Maße gefordert.

Bürgerbegehren haben immer mit Kommunikation zu tun

Drittes Beispiel: In Pullach wurde die Bürgerinitiative „Wir in Pullach“ von der Süddeutschen Zeitung dafür kritisiert, dass sie mittels eines Bürger-
entscheids den Bau von Sozialwohnungen verhindern wollte. Mit offensichtlichem Erfolg: Die Mehrheit der Pullacher stimmte  für das Ratsbegehren und damit die Sozialwohnungen. Laut Bachmeier ein Beweis dafür, wie Medienmacher Projekte ins Schwanken bringen können. Bürgerbegehren haben viele Gründe, aber immer mit Kommunikation zu tun, hob der Experte hervor. Fakt sei: „Das Partizipationsbedürfnis der Bevölkerung steigt. Der Protest beginnt und organisiert sich online.“ Als „gefühlten Durchbruch für das Thema Wutbürger/Aktivbürger“ wertete Bachmeier „Stuttgart 21“: Hier habe man festgestellt, dass es genehmigte Projekte gibt, die am Ende aufgrund von Widerstand möglicherweise nicht wie geplant umgesetzt werden können.

Gestaltungsdialog

Was also ist zu tun, um diese Misere zu beenden? Schnell wird der Ruf nach einer besseren Informationspolitik laut. Denn Information schafft Akzeptanz und Akzeptanz ermöglicht die Umsetzung. So die einfache Rechnung. Ein solches Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit jedoch greift zu kurz: Über ein Projekt umfassend zu informieren, ist fraglos wichtig. Doch Information allein reicht nicht aus. Vielmehr geht es um einen echten Gestaltungsdialog, der eine konkrete Mitwirkung für die Bürger ermöglicht. Denn was hilft den Bürgerinnen und Bürgern Verständnis und gut gemeintes Zuhören, wenn daraus nichts Handfestes folgt?

Dialog braucht ein Ziel

Bachmeier zufolge setzen an dieser Stelle zwei Grundsätze an: Erstens: „Dialog braucht ein Ziel.“ Dieser Dialog muss möglichst für alle Kritiker attraktiv sein. Man spricht hier von „Öffentlichen Siegen für alle.“ Zweitens: „Die Akzeptanz für ein Projekt ist nie so hoch wie direkt nach dessen Fertigstellung.“ Dazu gibt es zahlreiche umfangreiche Studien. Selbst beim Bau von Windparks sei dies festgestellt worden. „Das ist nur menschlich“, erklärte Bachmeier, denn: „Was einer nicht kennt, nimmt er in seiner Verunsicherung zunächst als schlimm wahr.“  
Als „eines der eindrucksvollsten Beispiele dafür, wie flexibel die öffentliche Meinung im Zeitverlauf ist“,  bezeichnete der Kommunikationsexperte die Hamburger Elbphilharmonie. Während vor der Fertigstellung überbordende Kosten die Gemüter erregten, sind die Hanseaten nun stolz auf das Bauwerk. Die herausragende Klangqualität und der einmalige Ausblick auf den Hafen beherrschten nun die Schlagzeilen.

Erfolg ist planbar

„Erfolgreicher Bürger- und Mediendialog ist planbar“, so Bachmeier: Zunächst gehe es  um die Identifikation der für das Projekt notwendigen Gruppen. „Wir steuern, wer, was, wann erfährt.“ Zudem werden im Prozess regelmäßig Erfolge und Meilensteine abgeleitet und vor Ort sichtbar gemacht. Das Nachher wird zum Vorher, „wir zeigen immer wieder, wie das Ziel die Lebensqualität der Menschen verbessert. Wir sind jederzeit ansprechbar und bieten transparente und offene Dialogformate. Wir erkennen auftretende Krisen frühzeitig durch Monitoring-Formate. Eine schnelle Reaktion ist durch vorbereitende Maßnahmen jederzeit möglich.“

Frühzeitige, enge Einbindung von betroffenen Bürgern

Mit Blick auf die Erfolgsfaktoren eines erfolgreichen Bürgerdialogs betonte Bachmeier: „Die frühzeitige, enge Einbindung von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist entscheidend für den Erfolg eines Projektes.“ Brodelt die „Gerüchteküche“ bereits, sei es meist schon zu spät, um argumentativ auf Vorbehalte, Ängste und Sorgen - seien sie auch unbegründet - zu reagieren. Mit dem Start des Projekts müssten auch die Kommunikationsaktivitäten beginnen, wobei die Informationskaskade zu beachten sei
(z. B. erst Politik, dann Bürger).

Dialogbereitschaft

Im Projektablauf sollten Unternehmen und Kommunen soweit wie möglich flexibel agieren, meinte der Kommunika-
tionsexperte. Dialogbereitschaft und ernsthafte Bemühungen, eine für möglichst viele Beteiligte zufriedenstellende Lösung zu finden, könnten negative Reaktionen und Aversionen von Anwohnern und Bürgern gegenüber dem Projekt vermeiden. Entscheidend sei eine akribische und präzise Detailplanung der Projektkommunikation. Dazu zähle die Frage: Habe ich alle meine Zielgruppen auf dem Schirm? Auch müsse beim Aufbereiten der Informationsmaterialien die richtige Wahl der Detailtiefe getroffen werden.

Vielfältige Kommunikationskanäle

Die Dialogverantwortung liege beim Unternehmen. Dialogangebote an die Bürgerinnen und Bürger müssten kontinuierlich gemacht werden; es gelte, den Informationsfluss konstant zu halten. Zudem seien Argumente und Informationen stetig auf allen Kommunikationskanälen darzulegen. Bei Debatten zu relevanten Projekten richteten sich Politiker nach der Mehrheitsstimmung und entschieden nach der gefühlten Popularität. Dies habe Auswirkungen auf den Projektablauf, urteilte Bachmeier, „denn ohne politische Rückendeckung werden Projekte verzögert oder ganz gestoppt“.

RED

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