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(GZ-17-2017)
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Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung:
 
Neue Brücken bauen
 
Bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung in Berlin hat sich deren Ratsvorsitzende Marlehn Thieme für eine Verankerung des Themas Nachhaltigkeit ins Grundgesetz ausgesprochen. Sie ermutigte die Bundesregierung, verstärkt in eine nachhaltige Infrastruktur wie etwa Öffentliche und nachhaltige Mobilität, Bildung, sozialen Wohnungsbau und nachhaltige Stadtentwicklung zu investieren. Unter dem Motto „wissen. wählen. wünschen“ diskutierten mehr als 1.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Forschung, darunter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie die Bundesminister Dr. Gerd Müller und Barbara Hendricks.

Die G20 sollten Vorreiter sein bei der Umsetzung der Agenda 2030, betonte Kanzlerin Merkel. Innerhalb der G20 käme der EU eine besondere Rolle zu. Deshalb werbe Deutschland für einen ambitionierten, aber auch realistischen strategischen Rahmen auf europäischer Ebene.

Zusammenarbeit auf regionaler Ebene stärken

Gestärkt werden soll auch die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene. Dem diene u. a. ein interministerieller Arbeitskreis zur nachhaltigen Stadtentwicklung, der vor kurzem als Leuchtturmprojekt 2017 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ausgezeichnet wurde, so Angela Merkel. Zudem hat der Nachhaltigkeitsrat regionale Netzstellen eingerichtet, um Initiativen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene zu verbinden.

Deutscher Nachhaltigkeitskodex

Bereits ihre Arbeit aufgenommen hat die „Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030“. Dabei handelt es sich laut Merkel um ein Projekt des Bundesminis-teriums für Bildung und Forschung, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das dazu dient, die Stimme der Wissenschaft in der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie gebührend zu Gehör zu bringen.

Vom Nachhaltigkeitsrat entwickelt wurde der Deutsche Nachhaltigkeitskodex. Mittlerweile sind es Merkel zufolge immerhin mehr als 200 Unternehmen, die sich entschieden haben, anhand von 20 Kriterien öffentlich und vergleichbar zu berichten, wie sie mehr Nachhaltigkeit bei sich umsetzen können.

„Wir wissen, was zu tun ist. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Aber wir haben ein Umsetzungsproblem. Die Ziele umzusetzen, heißt umsteuern: global, auf allen Ebenen, in allen Bereichen“, stellte Bundesentwicklungshilfeminister Dr. Gerd Müller fest.

Müller fordert globales Denken und Handeln

In der EU gebe es jetzt zwar einen Entwicklungskonsens, jedoch fehle eine Nachhaltigkeitsstrategie nach wie vor. Dabei habe die EU große Gestaltungsmacht, so Müller: „Sie kann die Rahmenbedingungen ändern – für gerechtere Handelspolitik, Agrarpolitik, Klimapolitik, nachhaltigere Lebensstile. Das müssen wir einfordern!“

„Wir müssen lokal und global denken und handeln“, forderte der Bundesminister. Hierzu würden  folgende fünf neue globale Allianzen gebraucht:

  1. Wir müssen neu mit den aufstrebenden Schwellenländern kooperieren.
  2. Wir müssen mehr und anders mit den Ländern Afrikas arbeiten.
  3. Wir müssen weltweit Regeln für ökologisch und sozial zukunftsfähigen Handel durchsetzen.
  4. Wir müssen mehr private Investitionen in nachhaltige Entwicklung lenken.
  5. Nachhaltigkeit braucht Mitstreiter, die die Zeichen der Zeit erkennen.

Laut Müller müssen die Länder Nordafrikas einen gleichberechtigten Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum bekommen. Am Beispiel Tomaten zeigte der CSU-Politiker auf, dass tunesische Bauern bei einem besseren Zugang zu den europäischen Märkten 300 Millionen Euro verdienen und damit ihre eigene Binnenwirtschaft ankurbeln könnten.

„Wo der freie Markt walten kann, herrscht Ausbeutung von Mensch und Natur. Es geht nicht an, dass wir den Menschen, die unsere Kleider und Schuhe produzieren, Bedingungen zumuten, die bei uns im 19. Jahrhundert geherrscht haben“, fuhr Müller fort. Globale Arbeitsteilung müsse Chance sein. „Wir brauchen fairen Welthandel - mit hohen Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards in der WTO und in Handels- oder Investitionsabkommen. Und mit besserem Zugang zum EU-Binnenmarkt.“

Allein Afrika bräuchte jährlich rund 600 Milliarden Dollar für eine nachhaltige Entwicklung, rechnete der Minister vor. Da dies alle öffentlichen Mittel übersteige, müssten für die Ziele der Agenda 2030 neue, nachhaltige Anlageprodukte aufgelegt und Unternehmen eingespannt werden. Müller: „Wir brauchen mehr Wertschöpfung in Entwicklungsländern. Garantien und Risikoabsicherung bieten Anreize für Investitionen. Die einheimische Wirtschaft braucht Zugang zu Krediten und Know-how. Zugleich müssen Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich handeln.“

Die meisten DAX-30-Unternehmen sind nach Ansicht des Bundesministers bereits besser als der internationale Durchschnitt. „Viele unserer kommunalen Unternehmen sind Vorreiter: für Recycling, Energieversorgung, nachhaltiges Bauen. Wir brauchen sie weltweit!“ Zudem gingen viele Kommunen voran und auch die deutsche Zivilgesellschaft treibe seit langem den Wandel zur Nachhaltigkeit an.

„Um die planetaren Grenzen einzuhalten und die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, reichen minimalinvasive Korrekturen nicht. Es geht um nicht weniger als umfassende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht um unsere Art zu leben, zu arbeiten, zu konsumieren, um Technologien, Institutionen und Praktiken“, hob Bundes-umweltministerin Dr. Barbara Hendricks hervor.

„Wie weit uns der technische Fortschritt auch immer tragen mag, letztlich bleiben wir immer Teil der Umwelt. Daher brauchen wir ein ganzheitliches Verständnis von Fortschritt. Und dazu gehört auch ein aufgeklärtes Naturverständnis“, erläuterte die Ministerin.

Ökologischen Fußabdruck auf ein verträgliches Maß reduzieren

Konkret bedeute dies zum einen, in Deutschland den ökologischen Fußabdruck auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Neben der Klimaneutralität sollte bis zur Mitte des Jahrhunderts eine Wirtschaftsweise angestrebt werden, die alle ökologischen Belastungsgrenzen der Umwelt einhält. Zum anderen müsse der große Erfolg des Pariser Klimaabkommens zum Anlass genommen werden, die internationale Zusammenarbeit auch in anderen Umweltthemen zu vertiefen. Gemeinsames Engagement für den Umweltschutz könne neue Brücken bauen – zum Beispiel im Kampf gegen Meeresmüll oder Stickstoffeinträge, unterstrich Hendricks.

Auch bei der Nachhaltigkeit gehe es nicht ohne Ausgleich und Kompromiss. „Wir wissen, dass wir den steigenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in Ballungsräumen nur mit mehr Wohnungsbau abdecken können. Und mehr Wohnungsbau bedeutet Flächenverbrauch, bedeutet in der verdichteten Stadt mehr Lärm. Daher gilt es zu vermeiden, verschiedene Nachhaltigkeitsthemen gegeneinander auszuspielen“, erklärte die Bundesministerin abschließend.

DK

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