Das Gericht sah die Klage des Presseunternehmens als begründet, da die Kommune mit der Herausgabe des Stadtblatts gegen den aus dem Grundsatz der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) folgenden Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen habe. Das Stadtblatt hatte in pressemäßiger Aufmachung z.B. über die bevorstehende Veranstaltung einer privaten Bürgerinitiative „BürgerRad“ und die Beringung von Störchen, die auf dem Rathausdach nisteten, berichtet.
Zunächst weist der Bundesgerichtshof in seinem Urteil darauf hin, dass staatliche Öffentlichkeitsarbeit nicht nur zulässig, sondern notwendig ist, „um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten“. Über getroffene politische Entscheidungen wie auch sich zukünftig stellende Probleme müsse der Bürger objektiv informiert werden.
Den Kommunen ist, so der Bundesgerichtshof, allerdings nicht jede pressemäßige Äußerung erlaubt. Das Gericht nennt für die Zulässigkeit zwei Voraussetzungen:
Äußerungen in kommunalen Publikationen müssen einen Bezug zur Gemeinde und ihren Aufgaben haben.
Das Institut der grundrechtlich geschützten freien Presse muss beachtet werden; Kommunen haben sich in ihren Publikationen wegen des Grundsatzes der Staatsferne der Presse wertender oder meinungsbildender Darstellungen zu enthalten.
Unter Beachtung dieser Grundsätze hatte schon das Oberlandesgericht Stuttgart als Vorinstanz eine „Faustformel“ entwickelt, die der Bundesgerichtshof jetzt bestätigt hat:
Zum zulässigen Informationshandeln einer Gemeinde in ihrem Amtsblatt gehören Berichte über die aktuelle und zukünftige Arbeit des Gemeinderats und der Kommunalverwaltung wie auch Berichte über die kommunale Wirtschaftsförderung.
Unzulässig sind allgemeine Berichte über die lokale Wirtschaft, ortsansässige Unternehmen, private Initiativen und rein gesellschaftliche Ereignisse aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik.
Öffentlichkeitsarbeit ist für Kommunen aber auch jenseits dieser beiden Kategorien möglich. Unschädlich ist es dabei, wenn in Einzelfällen die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschritten werden. Das kommunale Presseerzeugnis muss nur insgesamt so gestaltet sein, dass die Pressefreiheit nicht gefährdet wird.
Ob diese Gefahr besteht, beurteilt sich am Gesamtcharakter des kommunalen Presseerzeugnisses: Dazu gehören die optische Gestaltung der Publikation, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews und die Frequenz des Vertriebs; das Amtsblatt muss als staatliche Publikation erkennbar sein.
Der Gemeinde ist es verwehrt, auf den lokalen Kommunikationsprozess bestimmend Einfluss zu nehmen. Es darf nicht dazu kommen, dass die gemeindliche Publikation ein „funktionelles Äquivalent zu einer privaten Zeitung“ wird. Der Erwerb einer entgeltlichen Zeitung darf für die Leser des Amtsblatts nicht entbehrlich sein. Anzeigen dürfen geschaltet werden, sofern das Aufkommen aus solchen Aufträgen für die kommunalen Haushalte keine besondere Rolle spielt. Kommunen haben also bei der Ausgestaltung ihrer Publikationen den grundrechtlich geschützten Bereich der freien Presse zu beachten.
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