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(GZ-5-2019)
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► EHAP

 

Nun klafft eine Lücke im Netz

 

Hohe bürokratische Hürden führten zum Aus des erfolgreichen Projekts „EHAP“

Sein Ausweis war abgelaufen. Was den Ungarn Sándor T. in eine Sackgasse manövrierte. Wie sollte er nun eine Bleibe finden? Wie Arbeit? „Unser Klient hatte kein Geld, um sich einen neuen Ausweis zu beschaffen“, berichtet Michael Thiergärtner von der Christophorus-Gesellschaft. Aus dem Spendentopf der gemeinnützigen GmbH erhielt der 46-Jährige die Mittel, um nach München zum Generalkonsulat von Ungarn zu fahren und sich seinen Pass verlängern zu lassen.

Ehap
Foto: Günther Purlein

Sándor T. ist einer von 660 Menschen in besonders verzweifelten Lebenssituationen, die seit Januar 2016 vom sogenannten EHAP-Team der Christophorus-Gesellschaft unter der Überschrift „Abseits „ nicht mit uns!“ unterstützt wurden. EHAP steht als Abkürzung für den „Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“. Ein fünfköpfiges Team kümmerte sich in den vergangenen drei Jahren um Neubürger aus der Europäischen Union sowie um Menschen, die alles im Leben verloren hatten, in Würzburg auf der Straße landeten und nicht wussten, wo sie Hilfe finden sollten.

Obwohl die Arbeit sehr erfolgreich verlief, musste sie Ende Dezember 2018 eingestellt werden. Das lag, wie Thiergärtner schildert, an dem immensen bürokratischen Aufwand für das Projekt: „Wir hätten das als vergleichsweise kleiner Träger nicht weiter stemmen können.“ Eine Fortsetzung wäre höchstens mit einem Kooperationspartner möglich gewesen. Doch der fand sich nicht.

Dass das Projekt deshalb auslief, ist für Thiergärtner äußerst bedauerlich. Denn die von EHAP geleistete Unterstützung wäre nach wie vor nötig: „Weiterhin bräuchten viele Menschen in Würzburg eine Anlaufstelle, die sämtliche Hilfen für sie koordiniert.“ Die also zum Beispiel in die Wärmestube, die Bahnhofsmission, den Caritas-Laden oder die Straßenambulanz vermittelt.

Für EU-Bürger wie Sándor T. droht damit die Gefahr, von einer perspektivlosen Situation in die andere zu geraten. Wie so viele Menschen aus Ungarn, der Slowakei oder Rumänien hatte der Osteuropäer in seinem Heimatland keine Chance, sich und seine Familie durchzubringen. „Er war so verzweifelt, dass er seine Frau und die beiden Kinder verließ und sich ohne Geld und Sprachkenntnisse nach Deutschland aufmachte, in der Hoffnung, hier etwas zu verdienen“, erläutert Thiergärtner. Das EHAP-Team half ihm, Fuß zu fassen. Sándor T. konnte in die Würzburger Obdachlosenunterkunft einziehen und von dort aus nach einem Job suchen. Soeben fand er Arbeit auf dem Bau.

Nicht nur Menschen aus Osteuropa erhielten durch EHAP Unterstützung. Bei fast jedem zweiten Klienten handelte es sich um einen wohnungslosen Menschen deutscher Nationalität. Dazu gehörte Simon K. Der aus Oberfranken stammende 60-Jährige hat massive psychische Probleme. Monatelang lebte er im Würzburger Park. „Unser EHAP-Team begann, ihn regelmäßig aufzusuchen“, berichtet Thiergärtner. Es dauerte lange, bis Simon K., der riesige Angst vor einer Zwangseinweisung in die Klinik hatte, Vertrauen zu den Sozialpädagogen der Christophorus-Gesellschaft fasste: „Nach vielen Wochen war er schließlich bereit, mit uns in eine Klinik zu gehen.“

Wie sich herausstellte, leidet Simon K. an einer Schizophrenie. Darum war in den letzten Jahren alles in seinem Leben schiefgelaufen. Ermutigt von den EHAP-Mitarbeitern, ließ sich Simon K. auf eine psychiatrische Behandlung ein. Er war sogar bereit, nach dem Klinikaufenthalt auf Reha zu gehen. „Vor drei Wochen kam er bei uns vorbei“, erzählt Thiergärtner. Simon K. war kaum wiederzuerkennen. Aus dem verwahrlosten Wohnungslosen ist dank psychologischer und medikamentöser Therapie ein Mensch geworden, der neuerlich versuchen möchte, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Nachdem das EHAP-Team aufgelöst wurde, gibt es in Würzburg keine Instanz mehr, die sich so intensiv, wie die Mitarbeiter der Christophorus-Gesellschaft dies getan hatten, um Menschen wie Simon K. kümmern kann. Für Michael Thiergärtner klafft nun eine Lücke im Versorgungsnetz für die ƒrmsten der Armen. Und doch, sagt er, war EHAP nicht umsonst. Zum einen war es jeder einzelne Klient wert, der über EHAP ins Hilfesystem vermittelt werden konnte: „Es war zum anderen sehr wichtig, dass wir mit Zahlen belegen konnten, wie viele Menschen bisher durchs Raster fielen.“

Außerdem wurden die Mitarbeiter der Christophorus-Gesellschaft, vor allem in der Bahnhofsmission, der Wärmestube und der Zentralen Beratungsstelle, für die Problematik der Neuzuwanderer sensibilisiert. Bevor sich das EHAP-Team auflöste, überreichte es eine Arbeitshilfe, in der umfassende Informationen für die Beratung von Menschen aus Osteuropa aufgelistet sind. Thiergärtner: „Das geht bis hin zur Frage, wo man einen ausländischen Berufsabschluss anerkennen lassen oder wie man eine Steuer-Identifikationsnummer beantragen kann.“ Günther Purlein

Über Würzburg spannt sich ein dichtes Hilfenetz. Das EHAP-Team bahnte Menschen in verzweifelten Lebenssituationen Wege zu den verschiedenen Anlaufstellen.

 

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