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(GZ-14-2017)
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► Dr. Andreas Bachmeier / Engel & Zimmermann AG:
 
Bürger vs. Kommunen - Wie in Kommunen die Zustimmung zu Unternehmensansiedlungen und Infrastrukturprojekten gewonnen werden kann

SD Bachmeier

Dr. Andreas Bachmeier, Engel & Zimmermann AG. RED

Wie sich Kommunen und Vorhabenträger im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit idealerweise verhalten, um die Akzeptanz für ihre Projekte zu sichern, darüber informierte Dr. Andreas Bachmeier, Vorstand und Partner der Engel & Zimmermann AG.

Allein im zweiten Halbjahr 2016 gingen gleich drei Bürgerentscheide in Bayern zum Nachteil der Vorhabenträger aus, wie Bachmeier aufzeigte. Die Motive für die Ablehnung von derlei Projekten seien vielschichtig: Neben alten Bekannten wie dem Sankt-Florian-Prinzip und Sorgen um Umweltfolgen sowie der Angst vor hohen Kosten, sehe man sich heute auch mit einem generellen Vertrauensverlust gegenüber Politik und Vorhabenträgern konfrontiert. 

So setzte sich laut Bachmeier beim Bügerentscheid in Schliersee das Bürgerbegehren mit 56 Prozent gegen das Ratsbegehren durch. Somit darf sich das Unternehmen Sixtus nicht am Schlierseer Ortsrand ansiedeln, obschon mit einem sauberen Image (Naturkosmetik) ausgestattet. Ebenso gescheitert ist der Umzug des Schlachthofs München in die Gemeinde Aschheim. Auch hier habe keine aktive Kommunikation stattgefunden.

Beim geplanten Pumpspeicherkraftwerk Jochberg in den bayerischen Alpen waren in der öffentlichen Wahrnehmung eher die Gegner des Projektes präsent. Im September 2014 wurde bekannt, dass die Bayerische Staatsregierung das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgen wird. Innerhalb kürzester Zeit sei das Kraftwerk schlichtweg „totgeredet“ worden. Und auch aus der Ansiedlung eines Transgourmet Food Logistikers in Freising wurde nichts. Das Unternehmen sagte der Domstadt ab – noch vor dem Bürgerentscheid.

Ein neuer Trend? „Ja und nein“, meinte Bachmeier. Fakt sei: „Das Partizipationsbedürfnis der Bevölkerung steigt. Der Protest beginnt und organisiert sich online. Wohnen und wirtschaften gehen auf Distanz.“ Als „gefühlten Durchbruch für das Thema Wutbürger/Aktivbürger“ wertete der Kommunikationsexperte „Stuttgart 21“: Hier habe man festgestellt, dass es genehmigte Projekte gibt, die am Ende aufgrund von Widerstand möglicherweise nicht wie geplant umgesetzt werden können.

 Am Beispiel Petersdom in Rom (120 Jahre Bauzeit, 14 Baumeister, Mitauslöser der Reformation) erläuterte Bachmeier, dass große Bauwerke schon immer als Machtdemonstration der Obrigkeit verstanden worden seien und entsprechend zu Diskussionen geführt hätten, „weil sie sichtbar sind und ein Obrigkeitsgefühl bzw. ein Ohnmachtsgefühl erzeugen“.

Wenngleich die Gemengelage für eine ablehnende Haltung oft diffus ist, lassen sich Bachmeier zufolge Gemeinsamkeiten erkennen: „Defizite in der Kommunikation und das Gefühl mangelnder Einbindung in die Projekte sind Hauptursachen für eine Verweigerungshaltung auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger.“

In diesem Zusammenhang formulierte der Kommunikationsexperte 7 Thesen zur Zukunft des Bürgerdialogs:

1.Es reicht nicht, die Türen zu öffnen

2.Sympathiewerte spielen keine Rolle

3.Geld ist selten ein gutes Argument.

4.Wer in die Ecke gedrängt wird, greift an.

5.Bürgerdialog erfordert eine offensive Haltung.

6.Die Dialogverantwortung liegt beim Projektträger.

7.Die Zustimmung der Politik ist dauerhaft zu sichern.

Operativ und kommunikativ bisher planmäßig verlief laut Bachmeier das Projekt der RDG in Ampfing. Die RDG, eine Tochtergesellschaft der österreichischen RAG Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft, vereint in ihrem Kerngeschäft die klassische Erdöl- und Erdgas-Förderung sowie die Erschließung regenerativer Energien.

Das Unternehmen  ist Inhaber einer 2.248 km² großen Aufsuchungserlaubnis in der Region Salzach-Inn in Bayern. In dieser Lizenz befinden sich neben potenziellen neuen Erdöl- oder Erdgasvorkommen auch mehrere bereits erschlossene Erdölfelder, die zwischen den 1950er und 1990er Jahren gefördert wurden. Eine wirtschaftliche Förderung einiger dieser Felder war nach einer langen Periode von niedrigen Ölpreisen seit den 1990er Jahren allerdings nicht mehr möglich. 

Im Zuge der Bearbeitung der Lizenz Salzach-Inn erstellte die RAG 2008 eine Studie, die die verbliebenen Kohlenwasserstoffmengen in diesen Feldern sowie die technische und wirtschaftliche Machbarkeit einer potenziellen Wiedererschlie- ßung bewerten sollte. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass sich im ehemaligen Feld Ampfing noch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ausreichende Menge an Kohlenwasserstoffen befindet, um sie wirtschaftlich fördern zu können. 

In enger Abstimmung mit der Gemeinde Ampfing führte das Unternehmen im Februar 2016 eine Erkundungsbohrung im „Ampfinger Sandstein“ durch. Seit August 2016  werden Probeförderungen durchgeführt. Mit 3D-seismischen Messungen wurde im Januar dieses Jahres begonnen.

Wie Bachmeier erläuterte, hätten umfangreiche und vor allem kontinuierliche kommunikative Maßnahmen, die das Projekt zu jedem Stadium begleitet haben, zu einer positiven Grundstimmung bei Politikern, Bürgern und Medien geführt. „Sorgen, Ängsten und Vorbehalten gegenüber dem Projekt konnte frühzeitig begegnet werden.“

Die Berichterstattung zum Projekt sei bis dato umfangreich und im Tenor positiv. Die RDG stelle Information und Transparenz in den Mittelpunkt und führe alle Projekte im Dialog mit Kommunen, Bürgern und Anrainern vor Ort durch. Im Fokus stehe die Information von Bürgern in der Region und lokalen Anrainern. Die Beantwortung von Fragen zum Projektablauf und Umweltschutz sowie weitere Informationsmöglichkeiten und die Präsenz von Ansprechpartnern seien zentrale Elemente des Dialogkonzepts.

Das Info-Büro in Ampfing ist mit einem festen Ansprechpartner besetzt, der für Fragen zur Verfügung steht. Damit setzt die RDG auf Dialog und sorgt für Transparenz. Ein Info-Büro bietet interessierten Bürgern Informationen und Visualisierungen, um umfänglich über das Projekt aufzuklären.

Mit regelmäßigen Veranstaltungen schafft die RDG Anlässe, um Anrainer, Bevölkerung und Medien über Projektfortschritte und Neuheiten zu informieren. Gleichzeitig ist dies ein „Seismograph“ für die aktuelle Stimmung in der Gemeinde.

Die Website www.energie-aus-ampfing. de informiert über den Ablauf des Projektes und die Bedeutung des Rohstoffs Erdöl.

Die Website dient als Informationsplattform für Bürgerinnen und Bürger, regionale und lokale Politik, allgemeine Öffentlichkeit sowie Medienvertreter. Die Website bietet unter buergerinfo@rdg.energy die Mö- glichkeit zum direkten Dialog mit der RDG. Ein erfolgreicher Bürgerdialog müsse frühzeitig beginnen, riet Bachmeier. „Die frühzeitige, enge Einbindung von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist entscheidend für den Erfolg eines Projektes.“ Brodelt die „Gerüchteküche“ bereits, sei es meist schon zu spät, um argumentativ auf Vorbehalte, Ängste und Sorgen - seien sie auch unbegründet - zu reagieren. Mit dem Start des Projekts müssten auch die Kommunikationsaktivitäten beginnen.

Im Projektablauf sollten Unternehmen soweit wie möglich flexibel agieren, meinte der Kommunikationsexperte. Dialogbereitschaft und ernsthafte Bemühungen, eine für möglichst viele Beteiligte zufriedenstellende Lö- sung zu finden, könne negative Reaktionen und Aversionen von Anwohnern und Bürgern gegenüber dem Projekt vermeiden.

Die Dialogverantwortung liege beim Unternehmen. Dialogangebote an die Bürgerinnen und Bürger müssten kontinuierlich gemacht werden; es gelte, den Informationsfluss konstant zu halten. Zudem seien Argumente und Informationen stetig auf allen Kommunikationskanälen darzulegen.

Bei Debatten zu relevanten Projekten richteten sich Politiker nach der Mehrheitsstimmung und entschieden nach der gefühlten Popularität. Dies habe Auswirkungen auf den Projektablauf, urteilte Bachmeier, „denn ohne politische Rückendeckung werden Projekte verzögert oder ganz gestoppt“. Außerdem sollten sich Projekt und Projektkommunikation auf Augenhöhe begegnen.

Um die öffentliche Akzeptanz zu fördern, muss den Argumenten laut Bachmeier ein Gesicht gegeben werden, indem man die Projektträger personalisiert in Erscheinung treten lässt. „Verstecken“ sich die Verantwortlichen, könne dies dazu führen, dass das Unternehmen eher an Glaubwürdigkeit verliert und die ohnehin knappe Ressource Vertrauen verspielt. Der persönliche Kontakt bestimme letztlich über das Ansehen des Unternehmens in der Region. Basismaßnahmen, laufende Projektkommunikation, Bürgerdialog und politische Kommunikation stellten letztlich die entscheidenden Kommunikationsbausteine dar, bilanzierte Bachmeier. 

Den Zuhörern gab er abschließend eine Checkliste mit folgenden wichtigen Fragestellungen rund um das Thema Kommunikation mit auf den Weg:

  • Ist meine Projektplanung flexibel genug angelegt, um Kritik abfedern zu können?
  • Habe ich Spielräume in der zeitlichen Planung?
  • Kenne ich meine zentralen Argumente und Botschaften?
  • Kenne ich alle relevanten Stakeholder?
  • Weiß ich, welche Botschaften bei welchen Stakeholdern wirken?
  • Bin ich auf kritische Situationen vorbereitet?
  • Habe ich einen fundierten ZeitMaßnahmen-Botschaften-Plan?

 RED

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