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(GZ-12-2017)
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► Thomas Liepold / Bayerische Landeskraftwerke GmbH:
 
Die Ökokraftwerke Baierbrunn und Eixendorf II – Innovative Wasserkrafttechnik im Test 
 

Liepold

Thomas Liepold, Bayerische Landeskraftwerke GmbH

Die Bayerische Landeskraftwerke GmbH mit Sitz in Nürnberg erzeugt erneuerbare elektrische Energie aus Wasserkraft. An den staatlichen Talsperren in Bayern und am MainDonau-Kanal betreibt sie 18 konventionelle Kraftwerke. Als Folge des Ausstiegs aus der Atomkraft hat das Unternehmen zusätzlich die Aufgabe erhalten, durch Vorzeigeprojekte die breite Anwendung innovativer naturverträglicher Wasserkraftwerkstechnik zu unterstützen. Dazu wurden bisher drei Anlagen errichtet, die 2016 und 2017 in Betrieb gingen. Weitere Anlagen sind nach Angaben von Geschäftsführer Thomas Liepold in Planung.

Diese 21 Kraftwerke sollen richtungsweisend für die künftige, ökologisch vertretbare Nutzung der Kleinwasserkraft sein und leisten damit einen Beitrag zur Energiewende in Bayern. Insgesamt erzeugen sie im Mittel jährlich 55 Millionen Kilowattstunden Strom.

Öko-Wasserkraftanlagen minimieren die Auswirkungen der Wasserkraftnutzung auf das Gewässer. Kennzeichen sind: • Durchgängigkeit für aquatische Lebewesen (im wesentlichen Fische) nach Ober- und Unterwasser • Feinrechen vor der Turbine in Verbindung mit einem Fischabstieg mit Leiteinrichtungen • Turbinentechnik, die eine weitgehend schadlose Wanderung durch die Turbine ermöglicht • Fischaufstieg als technische oder naturnahe Anlage • Durchgängigkeit für Geschiebe im Kraftwerksbereich.

Bei der Gemeinde Baierbrunn, südlich von München, fließt das Wasser der Isar in den linksseitigen Isarwerkkanal. Fünf Kraftwerke entlang des Kanals nutzen die Wasserkraft, bevor der Kanal nach ca. 12 km wieder in die Isar mündet. Um einen Mindestabfluss in der Isar zu erhalten, werden am Abzweig zum Isarwerkkanal über ein Wehr im Jahresmittel 12 m³/s Wasser in den Fluss abgegeben. Das Kraftwerk Baierbrunn nutzt diese Restwasserabgabe und die Fallhöhe am Wehr zur Erzeugung elektrischer Energie.

Um künftig an dieser Stelle das Wasser nicht ungenützt über die 4,40 Meter Höhenunterschied in die Isar fließen zu lassen, wurde eine hochmoderne „Very Low Head“-Turbine eingebaut, die sich für niedrige Fallhöhen (1.5 m – 3.0 m) und Ausbau-Wassermengen von 8 bis 30 m³/s. eignet. Das große Laufrad wird schräg abwärts zum Fluss montiert. Die geringe Drehzahl der Turbine (20 – 30 Umdrehungen pro Minute) macht ein aufwändiges Bauwerk unnötig und senkt dazu die Fischsterblichkeit auf unter 5 %. Die Rotorblätter des Laufwasserkraftwerks ähneln denen einer Kaplanturbine.

Die Turbine besteht aus einem regulierbaren Laufrad und starrem Leitapparat. Der Generator mit Permanentmagneten ist mit der Turbineneinheit ohne Getriebe direkt gekoppelt und erlaubt variable Drehzahlen. Im Bedarfsfall kann die gesamte Turbine nach oben aus dem Wasser geschwenkt werden, um etwa den naturähnlichen Weitertransport von Kies zu ermöglichen. 

Das mit dieser besonders umweltfreundlichen Turbinentechnologie ausgestattete Kleinwasserkraftwerk wird jährlich rund 1,8 Millionen Kilowattstunden Strom ohne Emissionen nur aus der Kraft der Isar erzeugen.

In Baierbrunn gehört es auch zu den gemeinsamen Projektzielen, die Isar für Wasserlebewesen wieder passierbar zu machen. Dazu werden zwei unterschiedliche Bauwerke das bestehende Wehr ergänzen: Eine sogenannte Raue Rampe und ein Raugerinne-Beckenpass. Das Projekt wird mit einem umfangreichen Fischmonitoring vom Landesamt für Umwelt und der Technischen Universität München begleitet.

Die Raue Rampe ist eine schräge Fläche mit ca. 40 m Breite und ca. 115 m Länge. Diese macht es durch eine ausgeklügelte Struktur mit verschieden großen Wasserbausteinen möglich, dass insbesondere Fische den Höhenunterschied des Wehres überwinden können. Zudem ergänzt ein Raugerinne-Beckenpass die Durchgängigkeit. Durch eine terrassenförmige Anordnung von einzelnen Becken macht auch dieser den Höhenunterschied für Fische passierbar.

Bei beiden Wanderkorridoren sind Wassermenge, Höhenunterschiede und Schlitzweite wichtige Parameter für die Einstellung und letztlich die Funktionstüchtigkeit der Anlage. Die Raue Rampe wird mit bis zu 4,2 Kubikmetern Wasser pro Sekunde beaufschlagt, der Beckenpass mit 0,5 Kubikmetern pro Sekunde dotiert. Durch diese Maßnahmen werden die Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt und die Isar um weitere 19 Kilometer für Wasserlebewesen durchgängig.

Betreiber des 5,5-Millionen-Euro-Projekts ist die eigens gegründete Wasserkraft Baierbrunn GmbH, als Gesellschafter fungieren zu gleichen Teilen die Bayernwerk Natur GmbH und die Bayerische Landeskraftwerke GmbH.

Durch die starken Wasserspiegelschwankungen in der Talsperre Eixendorf in Neunburg vorm Wald (Landkreis Schwandorf) kam es immer wieder zu Sicht- und Geruchsbelästigungen im Stauwurzelbereich. Etwa 15 Jahre nach Fertigstellung der Talsperre wurde deshalb eine Vorsperre errichtet, die den Wasserspiegel im Stauwurzelbereich konstant hält. Der bisher über die Betonstaumauer fließende Zulauf der Schwarzach treibt jetzt die Kaplanrohrturbine eines sog. Beweglichen Wasserkraftwerks der Fa. HSI Hydroengeneering/Trier an.

Das bewegliche Wasserkraftwerk verfolgt beim Fischschutz das Fernhalten von der Turbine. Dies geschieht durch den vorgeschalteten Rundbogenrechen mit 18 mm Stababstand, der über einen innen liegenden Rechenräumer freigehalten wird. Sonaraufnahmen belegen, dass die Fische sich vor dem Rechen frei bewegen können. Ein Teil der Wasserführung läuft als Lockströmung über den Rücken des Kraftwerks ab. Fische können über diesen Weg ins Unterwasser gelangen. Das anfallende Rechengut wird nicht entnommen, sondern durch Legen der Abschwemmklappe auf dem Rücken des Stahlkörpers ins Unterwasser weitergeleitet. Vor dem Kraftwerk verharrende Fische kommen so in den Genuss eines „Zwangsabstiegs“.

Bewegliches Wasserkraftwerk 

Der Synchrongenerator und die doppelt regulierte Kaplanturbine sind in einem wasserumströmten Gehäuse im Triebwerkskanal untergebracht. Da der Generator direkt auf der Turbinenwelle sitzt, entfallen die Übersetzungsverluste eines Getriebes. Im Normalzustand sitzt das Stahlgehäuse an der Gerinnesohle auf und ersetzt einen beweglichen Wehrverschluss. Bei größeren Abflüssen, einsetzendem Geschiebetrieb oder Fischwanderungen wird das Kraftwerk angehoben und gibt einen Abflussbereich unter dem Kraftwerk frei. Somit können bodennah wandernde Fische, das Geschiebe oder ein Teil des Hochwassers unter dem Kraftwerkskörper weitergeleitet werden.

Im Frühjahr und Herbst erfolgt durch das Landesamt für Umwelt gemeinsam mit der Technischen Universität München ein umfangreiches wissenschaftliches Monitoring, um genaue Erkenntnisse über potentielle Beeinträchtigungen der Fischpopulation zu gewinnen. Rund 30.000 natürliche und eingesetzte Fische werden zu verschiedenen Terminen untersucht. Ziel des fischökologischen Untersuchungsprogrammes ist es, die Fischverträglichkeit in der Wasserkrafttechnik weiter zu verbessern.

Das neue Kraftwerk Eixendorf II verfügt über eine Leistung von 200 Kilowatt. Die Fallhöhe an der Vorsperre beträgt 5 Meter, der Durchfluss in dem beweglichen Modell liegt bei 4,5 Kubikmeter pro Sekunde. Als „Jahresarbeit“ sind 0,7 Millionen Kilowattstunden einkalkuliert. 

RED

 

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