Aus den Kommunenzurück

(GZ-13-2019)
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► Energieinitiative 29++:

 

Landkreis München will „klimaneutraler Landkreis“ werden

 

Wer langfristig das Klima schützen will, braucht kurzfristige Maßnahmen. Diesem Leitsatz will der Landkreis München Rechnung tragen und im Rahmen seiner Klima- und Energieinitiative 29++ der erste klimaneutrale Landkreis Deutschlands werden. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollen daran aktiv beteiligt werden.

2018 geht als das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Ein Sommer, der gefühlt schon im April begann und erst im Oktober endete, machte 2018 zum wärmsten je bei uns gemessenen Jahr. 2019 könnte sich diese Entwicklung fortsetzen.

Der Landkreis München geht deshalb mit seiner Klima- und Energieinitiative 29++ neue Wege, um dem fortschreitenden Klimawandel zeitnah und messbar entgegenzuwirken und will die „Zukunftsaktie“ einführen, mit der lokale und globale Klimaschutzprojekte gefördert werden und der Landkreis klimaneutral gestellt werden soll. Der Ausschuss für Energiewende, Landwirtschafts- und Umweltfragen hat dem Projekt in vorberatender Sitzung bereits zugestimmt.

Leitlinie: Vermeiden, reduzieren, ausgleichen Kreis-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen, Bürger und Unternehmen sollen künftig die Möglichkeit haben, ihren CO2-Fußabdruck durch den Kauf von Zukunftsaktien auszubalancieren. Leitlinie ist dabei der Dreisatz „vermeiden – reduzieren – ausgleichen“.

Wunsch und Ziel der Initiatoren ist es, dass sich potenzielle Käufer vor dem CO2-Ausgleich durch den Erwerb von Zukunftsaktien zunächst mit ihren eigenen Gewohnheiten oder Arbeitsabläufen auseinandersetzen und Vermeidungspotenziale in ihren CO2-Emissionen erkennen. Dazu sollten Unternehmen im ersten Schritt ihren CO2-Fußabdruck kennen. In einem zweiten Schritt sollen dann, wo möglich, wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um den tatsächlichen CO2-Ausstoß effektiv und dauerhaft zu reduzieren, oder eigene Verhaltensweisen überdacht und geändert werden.

Die Energieagentur Ebersberg-München steht hier im Rahmen ihres Tätigkeitsspektrums sowohl Unternehmen als auch Bürgerinnen und Bürgern, die daran interessiert sind, sich klimaneutral zu stellen, beratend zur Seite.

Der Anteil, der nicht mehr vermieden oder reduziert werden kann, kann dann über den Kauf von Zukunftsaktien neutralisiert werden. Das soll ein Freikaufen von der individuellen Verantwortung durch den Erwerb der Aktie verhindern.

Wie viele Aktien ein Käufer erwirbt und welchen Anteil seines verbliebenen CO2-Fußabdrucks er ausgleicht, ist freigestellt. So müssen die CO2-Emissionen nicht vollständig ausgeglichen werden. Ebenso besteht aber die Möglichkeit, eine den eigenen Fußabdruck übersteigende Menge an CO2 auszugleichen.

Investiert werden soll dabei sowohl in lokale Klimaschutzprojekte mit messbarem Nutzen als auch in globale Klimaschutzprojekte mit direkter CO2-Vermeidung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass zum einen vor Ort im Landkreis die Möglichkeiten zur CO2-Vermeidung ausgeschöpft werden. Zum anderen kann durch die globalen Projekte bei gleichzeitiger CO2-Vermeidung eine nachhaltige Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützt werden.

Investition in lokale Zukunftssicherung

Der Kauf einer „Zukunftsaktie“ garantiert dem Käufer, dass pro erworbener Aktie eine Tonne CO2 langfristig und nachweislich der Atmosphäre entzogen wird. Die Emissionsvermeidung bzw. -bindung, die durch lokale Projekte generiert wird, kommt als zusätzlicher Nutzen hinzu. Die lokalen Projekte sollen zudem nicht nur eine Reduktion oder Minderung von Emissionen darstellen, sondern auch die biologische Vielfalt schützen (Biodiversität).

Hierzu zählen z. B. die Renaturierungen von Mooren, der Humusaufbau, oder die Förderung von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien.

„Analog zu Aktien am Kapitalmarkt kann jede Verwaltung, jedes Unternehmen, jede Bürgerin und jeder Bürger über den Kauf der Zukunftsaktie einen Anteil an der Gestaltung einer klimagerechten Zukunft erwerben. Ebenso profitieren Sie direkt von einer „Dividendenausschüttung“ in Form einer enkeltauglichen und lebenswerten Zukunft‘, so Christian Wolf, Leiter des Sachgebiets Energie und Klimaschutz im Landratsamt, der das Projekt mit seiner Mitarbeiterin und Projektleiterin Evelyn Reisner entwickelt hat.

Nutzung des „Freiwilligen Markts“

Für den globalen Ausgleich soll der sogenannte Freiwillige Markt genutzt werden, an dem Emittenten CO2-Zertifikate erwerben können. Ein Zertifikat entspricht dabei einer vermiedenen oder gebundenen Tonne CO2. In Frage kommen für den Landkreis dabei ausschließlich die beiden qualitativ hochwertigsten am Markt verfügbaren internationalen Standards. Der Erwerb der Zertifikate am Freiwilligen Markt könnte über die Energieagentur Ebersberg-München abgewickelt werden.

Ein Lenkungsbeirat aus Vertretern der Bürgerschaft, der Kommunen, der Wissenschaft sowie aus Nichtregierungsorganisationen soll über die Auswahl lokaler und globaler Projekte entscheiden. Auch die lokale Projektakquise für die Zukunftsaktie sowie die finanzielle Abwicklung der Zukunftsaktie sollen ausgelagert werden. Zu letzterem haben bereits erste Gespräche mit der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg stattgefunden. Der Preis für den Erwerb einer Zukunftsaktie muss noch final festgelegt werden.

In einer ersten Rechnung kalkuliert die Verwaltung mit einem Kaufpreis von 8,50 Euro pro Tonne CO2. Aber auch ein Preis von 10 Euro pro Tonne, wie er aus den Reihen des Ausschusses für Energiewende, Landwirtschafts- und Umweltfragen angeregt wurde, ist denkbar.

Landrat Christoph Göbel sieht in der Zukunftsaktie ein vielversprechendes Projekt für zielgerichteten Klimaschutz nicht nur im Landkreis München:

„Damit nehmen wir eine absolute Vorreiterrolle in Deutschland ein. Die Gesellschaft erwartet von Politik und Verwaltung, dass wir das Dilemma auflösen, dass wir zwar viele tolle Ideen und Ansätze haben, die aber im Jetzt und Hier nur wenig konkrete Abhilfe bringen.

Ich denke, dass mit der Zukunftsaktie im Landkreis ein Rad in Schwung gebracht wird, das viel Potenzial birgt“, so der Landrat.

„Natürlich besteht die Gefahr, dass der CO2-Ausgleich zum Gedanken verleitet, sich mit finanziellen Mitteln aus der Verantwortung freizukaufen. Ich bin mir aber sicher, dass dies nur ein kurzfristiger Effekt sein wird, wie er ja auch global zu beobachten war.

Die Investition in globale Projekte kann aber in mehrfacher Hinsicht lohnenswert sein. Schließlich ist es der Globale Süden, der am meisten unter den Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels leidet, und der in den meisten Fällen mangels finanzieller Mittel auch keine Möglichkeiten hat, dieser Entwicklung wirksame Maßnahmen entgegenzusetzen.

Wenn es uns gelingt, die Lebensqualität in diesen Ländern über Maßnahmen wie die Zukunftsaktie dauerhaft zu erhöhen und dabei unseren CO2-Ausstoß effektiv zu reduzieren, können alle Seiten davon profitieren. In diesem Projekt steckt sehr viel Herzblut, und genau das und die innovativen Ansätze benötigen wir, wenn es darum geht, unsere einzigartige Lebensgrundlage für unsere und für die Zukunft kommender Generationen zu sichern“, so Göbel weiter.

Von der klimaneutralen Verwaltung zum klimaneutralen Landkreis

In einem ersten Schritt soll noch 2019 das Landratsamt München seine Emissionen und die Emissionen aller kreiseigenen Liegenschaften durch den Erwerb von Zukunftsaktien ausgleichen. 2020 sollen dann auch die kommunalen Emissionen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden folgen. Danach könnte die Zukunftsaktie dann bereits für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen verfügbar sein.

Im Juli werden Kreisausschuss und Kreistag über die Einführung der Zukunftsaktie endgültig beschließen.

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