Aus den Kommunenzurück

(GZ-9-2019)
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► Handwerk:

 

Viele Aufträge, keine Fläche

 

Dem bayerischen Handwerk geht es gut, trotz Konjunkturschwankungen. Doch Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl kritisiert: „Das Handwerk wird einerseits aus der Stadt gedrängt, aber gleichzeitig nicht mehr hineingelassen.“ So mache die Verkehrsplanung der Stadt München als auch der Flächenfraß das Handwerk und seine Beschäftigten zu Verlierern.

 

Noch immer ist die Rede vom „goldenen Handwerk“ und dieses hat im Vergleich zu anderen Industrien und Gewerben Hochkonjunktur. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller befragten Handwerksunternehmen im Kammerbezirk beurteilte die aktuelle Geschäftslage im ersten Quartal 2019 als gut, für weitere 35 Prozent war sie zumindest befriedigend. Knapp ein Drittel der Betriebe (28 Prozent) vermeldete im Berichtszeitraum einen Anstieg der Nachfrage, für 51 Prozent war sie gleichbleibend.

Hohes Niveau

Der Anteil gestiegener und konstanter Auftragseingänge bewegt sich damit auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Die Auslastung der Betriebe legte im ersten Quartal im Vorjahresvergleich um einen weiteren Punkt zu und erreichte durchschnittlich 79 Prozent. Sie stieg damit zum sechsten Mal in Folge in einem Winterquartal. Vor allem in den Bauhandwerken und im Ausbau sind die Unternehmen aufgrund der hohen Nachfrage und des leer gefegten Fachkräftemarktes besonders ausgelastet.

Für das Gesamtjahr rechnen die Konjunkturexperten der Kammer mit einem Umsatzplus von nominal vier Prozent. Die Zahl der Beschäftigten dürfte um etwa 0,9 Prozent zulegen, die Investitionen um rund 3,5 Prozent wachsen. Doch was die Verkehrsplanung betrifft, sieht die Kammer die Entwicklungen in München mit großer Sorge. „Es steht außer Frage, dass die Lösung der Verkehrsproblematik neben dem Wohnen zu den drängendsten Fragen in der Landeshauptstadt gehört“, so der Kammerpräsident. Geplante Maßnahmen wie der Bau eines „Boulevard Sonnenstraße“ sowie weitere Fahrbahnverengungen auf der Leopold-/ Ludwigstraße und der Lindwurmstraße sieht die Handwerkskammer kritisch.

Innenstadt schottet sich ab

Peteranderl sagte dazu: „Es scheint, als sollten Menschen und Gewerbetreibende von außerhalb durch bewusst herbeigeführte Verkehrsbehinderungen aus München ferngehalten werden. Das Herz Münchens, die Innenstadt, schottet sich auf diese Weise ab!“. So mache auch die geplante Halbierung der Fahrspuren auf der Ludwigsbrücke von vier auf zwei „den Flaschenhals noch enger“. „Die Brücken sind für Handwerksunternehmen aus München und dem Umland wichtige Stellen zur Isarquerung. Die Verlagerung des Verkehrs hin zur Cornelius- und Maximiliansbrücke wird die Folge sein“, prophezeit Peteranderl. Dabei sei nicht hinnehmbar, dass das Handwerk einerseits aus der Stadt gedrängt und gleichzeitig nicht mehr hineingelassen werde, kritisierte er. Mit diesem Vorwurf spricht der Kammerpräsident die Tatsache an, dass es für Unternehmer immer schwieriger wird, in der Stadt aufgrund steigender Mieten und fehlender Gewerbeflächen geeignete Standorte zu finden.

Offensive gegen Flächenfraß

Die Bayerische Staatsregierung startete deshalb jüngst die „Flächensparoffensive Bayern 2019“. Verbindliche Flächenverbrauchsobergrenzen sollen darin nicht festgeschrieben, sondern ein Flächenverbrauch-Richtwert von fünf Hektar am Tag in der Landesplanung verankert werden - wie das CSU und FW im Koalitionsvertrag beschlossen haben. Dieser Wert würde einer Halbierung der Flächenneuinanspruchnahme entsprechen. Dabei ist der Haupttreiber für die Staatsregierung die Ausweisung neuer Wohnsiedlungen. „85 Prozent des Flächenverbrauchs gehen auf das Konto des Siedlungsbaus“, erklärte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger anlässlich des Startschusses der Offensive. Doch von Kommunen und Wirtschaftsvertretern erntete die Regierung teils scharfe Kritik. Unter Fachleuten herrscht zunehmend Konsens, dass der Flächenfraß nur mit einer gesetzlichen Obergrenze eingedämmt werden kann.

Nutzungsmischung statt Grenzen

Die Handwerkskammer ist da anderer Meinung. Das Handwerk im Freistaat unterstützt zwar einen sparsameren und effizienteren Umgang mit Flächenressourcen. „Wir sind aber auch der Meinung, dass es in Bayern, dessen Bevölkerung und Wirtschaft wachsen, keine starre Grenze beim Flächenverbrauch geben kann. Es muss stets eine Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten vor Ort möglich sein“, sagte Peteranderl. Gerade kleine und mittlere Unternehmen des Handwerks drohten in der Konkurrenz um Flächen und zwischen den Ansprüchen der verschiedenen Interessengruppen zerrieben zu werden.

Strengere Auflagen

Neben der Wohnbebauung führen auch strengere Auflagen zu Emissionen sowie eine zunehmende Sensibilität der Bevölkerung zu einer immer stärkeren Verdrängung von Handwerksbetrieben aus ihren Standorten. Die schärfere Konkurrenz um Flächen schlägt sich darüber hinaus in steigenden Bodenpreisen nieder. Handwerksbetriebe, die bei Neugründungen, Betriebserweiterungen oder -verlagerungen dringend Flächen benötigen, kommen immer seltener zum Zug.

Erschwerend kommt hinzu, dass wegen der hohen Mieten und Immobilienpreise in den Ballungszentren immer mehr Menschen in die Region ziehen. Dies hat zur Folge, dass die Verkehrsströme stetig steigen. Für Handwerksunternehmen, die immer länger für ihre Kundenfahrten benötigen, wird es umso schwieriger, die Fahrkosten in einem angemessenen Umfang umzulegen.

Das Handwerk hat sich daher schon in der Vergangenheit immer für eine Nutzungsmischung ausgesprochen. Durch ein vernünftiges Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten werden nicht nur Verkehrsströme reduziert, sondern auch eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung gewährleistet.

Auch die Lockerung des Anbindegebots im Landesentwicklungsprogramm (LEP) müsse noch einmal auf den Prüfstand. „Diese führt letztendlich zu einer weiteren Ansiedlung von Handels- und Flachmarktzent- ren. Durch überdimensionierte Einzelhandelsgroßprojekte auf der grünen Wiese zu Lasten von Ortskernen wird eine extensive Flächennutzung und damit ein zu hoher Flächenverbrauch begünstigt,“ sagte der Kammerpräsident. Konzept „Gewerbehof“

Unterstützung für Unternehmer bietet das Konzept „Gewerbehof“. Damit bekommen kleinen und mittelständischen Gewerbebetrieben die Möglichkeit eines innenstadt- und damit kundennahen Standortes. Kleinteilige Produktionsflächen ab 40 qm erlauben es auch dem traditionellen Handwerksbetrieb, im Stadtgebiet in attraktiver Lage präsent zu sein.

Branchen-Mix erhalten

 Neben dem Erhalt bestehender und der Ausweisung neuer Gewerbegebiete versuchen die Gewerbehöfe dazu beizutragen, München als Produktionsstandort weiter zu entwickeln und den Branchen-Mix zu erhalten. Das Gewerbehofprogramm wird laufend fortgeschrieben um ein flächendeckendes Netz an Gewerbehöfen im Stadtgebiet aufzubauen. Inzwischen verwaltet die Münchner Gewerbehofgesellschaft sechs Gewerbehöfe mit einer Mietfläche von insgesamt 64.000 qm.

 Anja Schuchardt

GemeindeZeitung

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