Aus den Kommunenzurück

(GZ-4-2019)
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► Mögliche Kreisfreiheit der Stadt Neu-Ulm:

 

Die Gräben werden tiefer

 

Nuxit und kein Ende: Der Neu-Ulmer Stadtrat hat sich im März 2018 mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Antrag auf Kreisfreiheit zu stellen. Nach der Gemeindeordnung können Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern bei entsprechender Bedeutung durch Rechtsverordnung der Staatsregierung und mit Zustimmung des Landtags für kreisfrei erklärt werden. Das Verfahren läuft derzeit, die Lager sind gespalten, die Fronten zunehmend verhärtet. Brexit lässt grüßen.

 

Nach Ansicht von Oberbürgermeister Gerold Noerenberg bleibe die Stadt Neu-Ulm freiwillig unselbstständig, falls sie nicht eigenständiger werde. Konkret verzichte sie auf Gestaltungsmöglichkeiten, zahle doppelt an den Landkreis die Kreisumlage und Sachausgaben, verschenke Vermögen in der Form von Grundstücken, die die Stadt bei der Einkreisung im Zuge der Gebietsreform 1972 an den Kreis habe abtreten müssen und verzichte jährlich auf einen Betrag von insgesamt rund sechs Millionen Euro, die man als kreisfreie Stadt auf der Haben-Seite verbuchen könnte.

Aufgaben bündeln

Wenn die kommunalen Aufgaben bei nur einer Behörde gebündelt würden, hätten es die Bürger leichter, zeigt sich die Stadt zudem überzeugt. Bislang müssen sich Neubürger im Bürgerbüro der Stadt anmelden und ihr Auto bei der gut einen Kilometer entfernten Kreisbehörde. Auch verweist der OB darauf, dass die Stadt bis zur Gebietsreform vor 46 Jahren eine kreisfreie Stadt gewesen sei und bewiesen habe, dass sie die Kreisfreiheit gewissermaßen „kann“.

In einer Stellungnahme des Landkreises, der bei der Regierung von Schwaben einging, sprach sich der Landkreis im Ergebnis dafür aus, den gegenwärtigen Status – bei eventuellen Modifikationen im Einzelnen – zu belassen, ohne damit einer Auskreisung eine absolute Absage zu erteilen.

Landkreis: „Vereint stärker statt getrennt schwächer!“

Landrat Thorsten Freudenberger wirbt für „die Fortsetzung der 46 Jahre währenden Erfolgsgeschichte mit unserer Großen Kreisstadt Neu-Ulm“. „Unsere Devise heißt: Vereint stärker statt getrennt schwächer!“, so der Landkreischef. Dabei sei es unkompliziert möglich, der Stadt mehr Gestaltungsspielräume zu geben, etwa beim öffentlichen Personennahverkehr. Er sei dankbar, dass sich viele Bürger für den Fortbestand des Landkreises Neu-Ulm einsetzten.

Unterdessen hat das „SME-Institut - Sozial- und Wirtschaftsforschung für den Mittelstand“ die wirtschaftlichen Folgen eines Nuxit errechnet. Demzufolge würde der Austritt der Stadt aus dem Kreisverbund die Region in den ersten fünf Jahren 75 Millionen Euro kosten. Schon wegen der doppelten Verwaltungsstrukturen werde eine Kreisfreiheit Neu-Ulm sehr teuer kommen. Die Stadt sei „nicht in der Lage, die finanzwirtschaftlichen Folgen abzudecken“.

Stadt kritisiert lückenhafte Studie

Wie dem aktuellen Informationsbrief des Bayerischen Städtetags zu entnehmen ist, liegt der Stadt allerdings nur eine Kurzfassung der Studie vor. Weder der Verfasser noch die IHK Schwaben sei bereit, der Stadt die Langfassung zur Verfügung zu stellen. „Dies wäre schon deshalb notwendig, um die Behauptungen der Studie anhand von Zahlen zu prüfen“, heißt es.

Die Stadt Neu-Ulm verweist auf Lücken: Aus ihrer Sicht beschreibt die Zusammenfassung der Studie nicht, worum es bei der Kreisfreiheit im Kern geht. Die Stadt mit knapp 60.000 Einwohnern zeige sich bereit und in der Lage, zusätzliche Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die von einem weithin unbekannten Institut erstellte unveröffentlichte Studie von der IHK Schwaben und anderen Institutionen im politischen Diskurs herangezogen wird, ohne dass deren Inhalt bekannt gegeben wird und damit nachprüfbar zur Verfügung steht.

Mittelfristige Finanzplanung des Stadtrats

Laut Informationsbrief „hat der Neu-Ulmer Stadtrat eine mittelfristige Finanzplanung und Vergleiche zu anderen kreisfreien Städten vorgelegt. Er hatte eine umfassende Ausarbeitung als Grundlage seiner Entscheidung, die auch in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Im Gegensatz dazu lassen sich in der SME-Studie die Definitionen der Finanzkraft, der finanziellen Leistungsfähigkeit, Plan- und Ist-Vergleichen bei Baumaßnahmen oder Pensionsrückstellungen nicht nachvollziehen.“

So würden zum Beispiel hohe Summen in den Raum gestellt für die Übernahme von Sachwerten. Dabei werde nicht berücksichtigt, dass die Stadt Neu-Ulm bei Einkreisung im Jahr 1972 dem damaligen Landkreis das gesamte betroffene Anlagevermögen samt der rund 100.000 Quadratmeter Grundstücke unentgeltlich übertragen musste.

„Es besteht ein vertraglicher Anspruch der Stadt auf unentgeltliche Rückgabe. Die Stadt Neu-Ulm trat bereits im Jahr 2017 in intensive Gespräche mit dem Landkreis, um Lösungen zu finden, wie die Stadt im Fall einer Kreisfreiheit neue Aufgaben lösen kann. Es wurden bereits erste Einigungen ins Auge gefasst, die nun zu konkretisieren sind, etwa bei Schulamt, Müllentsorgung, Jobcenter und Feuerwehrwesen…“

Weiter wird auf die in Gesprächen zwischen Stadt und Landkreis erzielten Richtungsentscheidungen und auf konkrete Angebote an den Landkreis verwiesen. Verhandelt werden müsse noch über Betrieb und Trägerschaft von Schulen sowie den Übergang des gesetzlich-sozialen Bereichs.

Im Frühjahr 2018 habe der Landkreis Gespräche mit der Stadt abgebrochen. Der Bitte der Stadt um Wiederaufnahme der Verhandlungen sei mit Ausnahme des ÖPNV bislang nicht entsprochen worden.

Regierung von Schwaben: Tragfähige Lösungsansätze erarbeiten

Die Regierung von Schwaben fordert indes, dass tragfähige Lösungsansätze erarbeitet werden: „Abgesehen von der Mindesteinwohnerzahl kommt es hier auch ganz besonders darauf an, dass die Stadt Neu-Ulm die Gewähr dafür bietet, die auf sie zukommenden, vielfältigen Aufgaben konkret auch bewältigen zu können. Dafür bedarf es eines umfassend ausgearbeiteten, umsetzungsreifen Konzepts.“

Aus Sicht der Regierung wäre in bestimmten Aufgabenfeldern eine kooperative Nutzung bereits vorhandener Einrichtungen durch die Stadt und den Landkreis Neu-Ulm im Wege kommunaler Zusammenarbeit denkbar und auch naheliegend, etwa auf dem Gebiet der Krankenhausversorgung, der Abfallentsorgung, beim Betrieb des Jobcenters oder auch im Schulbereich, was dann in verbindliche Vereinbarungen mit dem Landkreis münden müsste.

Erst wenn geklärt sei, wie die neu auf die Stadt zukommenden Aufgaben im Einzelnen konkret erledigt werden sollen, bestehe auch Klarheit über die von Stadt und Landkreis künftig einzusetzenden Ressourcen und ließen sich Schlüsse im Hinblick auf eventuelle Vermögensverschiebungen zwischen beiden Kommunen und mögliche Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 3 der bayerischen Gemeindeordnung ziehen, stellt die Regierung von Schwaben klar.

Die Stadt Neu-Ulm geht aktuell davon aus, dass das Landratsamt wieder an den Verhandlungstisch kommt. Die Entscheidung, ob die Stadt kreisfrei werden darf oder nicht, werde nach Vorliegen der Lösungsansätze erfolgen. Die Stadt baut darauf, dass der Landtag als Basis seiner Entscheidung belegbare Zahlen, Daten, Fakten und die rechtlichen Rahmenbedingungen heranzieht.

DK

 

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